Ebersberg:Verschwundene Briefe

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Endstation Postsack: Eine Briefträgerin hat jahrelang die Post nicht ausgetragen sondern gehortet. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Eine depressive Postbotin versteckt über Jahre Sendungen in ihrem Spind und muss nun eine hohe Geldstrafe zahlen

Von Lea Weinberg, Ebersberg

Dass in Zeiten des Poststreikes die Post nicht oder verspätet beim Empfänger ankommt, darauf muss man sich derzeit einstellen. Wenn die Post aber mutwillig vom Briefträger ferngehalten wird, dann ist das eine Straftat. Wegen der Verletzung des Postgeheimnisses in mehr als 40 Fällen musste sich nun eine ehemalige Postbotin aus Poing nun vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten, nachdem sie nach Erhalt des Strafbefehles in Berufung ging.

Neben dem Vorwurf, Briefe, Pakete und Glückwunschkarten wie ihr Eigentum behandelt zu haben, lag noch ein Strafbefehl wegen Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln in 17 Fällen gegen die Angeklagte vor. Letztendlich entschied sich das Gericht dazu, beide Straftaten in 150 Tagessätzen à 15 Euro, also insgesamt 2250 Euro, zu kombinieren, da sie ein deutlich geringeres Einkommen als angenommen bezieht. Außerdem muss sie die Kosten des Verfahrens tragen. Sie zeigte sich in allen ihr vorgeworfenen Delikten geständig.

Zwei Jahre lang hat die Beschuldigte in regelmäßigen Abständen Briefe, Postkarten, Gutscheine und Pakete in ihrem Spind gelagert. Die Liste der entwendeten Post, die die Staatsanwältin vorträgt, ist lang. Doch die von der Angeklagten nicht ausgetragenen Briefe übersteigt in einem Großteil der angenommenen 48 Fälle nicht den Wert von einem Euro.

Der höchste unterschlagene Wertbrief war eine Gutscheinkarte über 25 Euro, die, wie die anderen Briefe, nicht weiter verwendet wurden. Da Geschädigte immer wieder Anzeigen bei der Polizei aufgaben, wurde das Mysterium der verschwundenen Briefe und Päckchen schließlich gelöst. Der Vorgesetzte der Angeklagten entdeckte die Briefe in ihrem Spind.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht auch gegen einen Kollegen der Frau, dessen Namen die Beschuldigte aber nicht nennen will. "Es reicht doch aus, dass ich den Ärger an der Backe habe", sagt sie. Außerdem sei ihr ehemaliger Kollege inzwischen wie sie nicht mehr Postbote, er habe gekündigt. Eigentlich ist die Frau staatlich geprüfte Sozialpflegerin, entschied sich aber 2008 dazu, Postbotin zu werden. "Ich kann mich für meine Taten nicht mehr als entschuldigen", sagt die Angeklagte, deren Anwalt kurz vor dem Prozess sein Mandat niedergelegt hat.

Kurz bevor sie die Post in ihrem Spind lagerte, habe ihr Arzt diagnostiziert, dass sie keine Kinder bekommen könne. "Deshalb bin ich zusammengebrochen", erzählt die Frau, "ich war zu der Zeit einfach nicht ich selbst".

Nach der Diagnose begab sie sich in psychologische Behandlung und bekam eine Reihe von Medikamenten, um ihren Tagesablauf zu bewältigen. Da sie die genaue Diagnose ihres Psychologen vor Gericht nicht angeben konnte, ging die Richterin aufgrund der mitgebrachten Liste an Medikamenten von einer Depression aus.

Warum sie die Post in ihrem frei zugänglichen Spind in ihrer Arbeitsstelle lagerte, ist ihr, laut eigener Aussage, selbst ein Rätsel. "Wäre das wirklich ich gewesen, dann frage ich mich, warum ich den Spind nicht leergeräumt habe", erklärt sie. Auch ihr Bruder arbeitete bereits bei der Post, ihm wurde wegen einem vergleichbaren Delikt schon gekündigt, da auch er Briefe unterschlagen hat. "Ich habe lange dafür gekämpft, dass ich nicht den Ruf meines Bruders habe", sagt die Angeklagte, deren Blick durchgehend auf den Boden gerichtet ist. Gerade deshalb sei es ihr ein Rätsel, warum sie die Taten begangen habe.

Nachdem ihr Vorgesetzter entdeckte, was sie in ihrem Spind lagerte, wurde sie sofort gekündigt, seitdem ist die Angeklagte Hausfrau und bezieht Hartz IV. Entgegen der bei ihr festgestellten Unfruchtbarkeit hat die Frau später noch drei Kinder mit ihrem Mann bekommen. Im Oktober erwartet sie ihr viertes Kind, weshalb sie nun nicht mehr in psychologischer Behandlung ist, die Medikamente habe sie abgesetzt.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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