Ebersberg:Unterricht in fremder Kultur

Ebersberg: Konstantin Pelz hat mit 15 ein Jahr in Indien verbracht - eine Erfahrung, die er anderen Schülern nur empfehlen kann.

Konstantin Pelz hat mit 15 ein Jahr in Indien verbracht - eine Erfahrung, die er anderen Schülern nur empfehlen kann.

(Foto: Christian Endt)

Konstantin Pelz aus Ebersberg hat ein Schuljahr in Indien verbracht. Inzwischen bereitet der Abiturient andere Jugendliche auf einen Auslandsaufenthalt vor.

Von Johannes Hirschlach, Ebersberg

Als am Dienstag die Schule wieder begonnen hat, werden sich nicht alle Jungs und Mädchen neben ihren alten Klassenkameraden wiedergefunden haben. Stattdessen drücken einige von ihnen Tausende Kilometer entfernt die Schulbank. Über 5200 bayerische Kinder besuchten 2015 eine ausländische Schule, darunter 55 aus dem Landkreis Ebersberg.

Vielen von ihnen bleibt keine Wahl: Sie ziehen mit den Eltern ins Ausland. Etliche Jugendliche nehmen den Trip in die weite Welt jedoch bewusst auf sich. Auslandsschuljahre liegen im Trend. Günstige Flugpreise befeuern den Boom einer Gemeinschaft, in der sich schon die Jüngsten zunehmend internationalisieren.

Konstantin Pelz aus Ebersberg kann das nur weiter empfehlen. Vor zwei Jahren reiste der damals 15-Jährige zu einer Gastfamilie nach Indien. Wenn er über seine Zeit dort spricht, gerät der dunkelblonde Gymnasiast schnell ins Schwärmen. "Das hat mich stark geprägt", sagt Konstantin, der nächstes Jahr sein Abitur am Gymnasium Kirchseeon machen will. Zehn Monate verbrachte er in einer Schule in Patiala. Das "kleinere Städtchen", wie er es nennt, mit 400 000 Einwohnern liegt im Norden des Landes zwischen der Hauptstadt Neu-Delhi und dem Himalaja-Gebirge.

Ein Uhr morgens, 37 Grad

Dass seine Wahl auf Indien gefallen ist, sei eine durchaus bewusste Entscheidung gewesen. "Ich fand es langweilig, nach England oder in die USA zu gehen", sagt Konstantin. Die Eigenheiten einer völlig anderen Kultur kennenzulernen, sei sein Antrieb gewesen. Ein Kontrast zur beschaulichen Kleinstadt Ebersberg, wie er schärfer nicht sein könnte. Schon seine Ankunft am Flughafen in Neu-Delhi gab ihm davon einen kleinen Vorgeschmack: "Man kommt aus dem Flieger und es ist unglaublich warm." Ein Uhr morgens, 37 Grad.

Auch die fremden Umgangsformen überraschten den Schüler. "Wenn man in Indien allein mit einem Mädchen redet, ist das ungewöhnlich", sagt er. Wissen konnte Konstantin das jedoch noch nicht, als er am ersten Schultag mit einer Klassenkameradin sprach. Kurz darauf sei er von seiner Gastmutter gefragt worden, ob er denn schon eine Freundin habe. "Von da an habe ich mich indischer verhalten", blickt er zurück und grinst.

Das Erlebnis offenbarte eines der Probleme des Landes, das auch Konstantin nicht ausklammert. Sehr patriarchalisch sei die Gesellschaft, das Frauenbild aus westlicher Sicht schwer zu verstehen, berichtet er offen und ehrlich. Es gebe viele arrangierte Hochzeiten, bei denen den Töchtern eine Vorauswahl möglicher Kandidaten vorgelegt werde.

Zwischen Rikschas, Kühen und Affen

Verrückt sei zudem der Verkehr, sagt Konstantin. "Man stelle sich den zehnfachen italienischen Verkehr mit Rikschas, Kühen und Affen vor", erklärt er und zieht ein Foto mit mehreren Elefanten auf öffentlicher Straße hervor. Im Verkehr gelte das Recht des Stärkeren, sagt er, "so hat man als Fußgänger nie Vorfahrt!" Dass dabei Polizisten bei Kontrollen immer wieder Situationen provozierten, die auf Bestechung hinaus liefen, gehöre auch dazu. Als Konstantin mit seiner Klasse im Himalaja verloren ging, konnten Freunde nur über den Kontakt zu einem einflussreichen Politiker einen Helfertrupp organisieren.

Dennoch betont der Ebersberger, dass man im Westen nur ein Zerrbild der indischen Kultur erhalte. "Man bekommt nur etwas über Indien mit, wenn Extreme passieren", sagt er. Werte wie die beeindruckende Gastfreundschaft hat Konstantin erst dort kennenlernen können. In seine indische Familie sei er voll integriert worden. "Einmal hat meine Gastmutter ihren Sohn und mich als ihre beiden Kinder vorgestellt", sagt er und klingt davon noch immer gerührt.

Die Reise hat dem Abiturienten viel Selbstvertrauen gebracht. "Ich bin daran als Person sehr gewachsen", ist er überzeugt. Schade findet er es nur, dass er so viel Englisch gesprochen habe. "Mein Panjabi (Sprache im Bundesstaat Punjab; Anm. der Red.) ist deswegen grauenhaft." Inzwischen arbeitet Konstantin ehrenamtlich für seine Austauschorganisation "Youth For Understanding" (YFU). Dort bereitet er andere junge Menschen auf ihr Auslandsschuljahr vor.

Einen hohen vierstelligen Betrag habe seine Reise gekostet. Über Stipendien des Bayerischen Kultusministeriums ließe sich die Summe jedoch abfedern. Die Reiselust ist bei Konstantin noch lange nicht verflogen. Vielmehr ist er sich in einem sicher: "Ich finde mich mittlerweile in jedem Land der Welt zurecht!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: