Ebersberg:Unter aller Kanone

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Ein Salutschuss und seine Folgen vor dem Amtsgericht

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Zeiten, in denen Städte ein paar Kanonen vorhalten mussten, um sich unliebsamen Besuch vom Leib zu halten, sind glücklicherweise vorbei. Dennoch gibt es in der Kreisstadt noch ein Stück Artillerie - wenn auch ein eher kleines. Der Miniaturkanone kommt auch nicht die Aufgabe der Stadtverteidigung zu, sie dient rein zeremoniellen Zwecken: Bei festlichen Anlässen wird damit Salut geschossen, natürlich ohne Kugeln. Dass aber auch dies nicht ganz ungefährlich ist, war nun Thema einer Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht.

Angeklagt war der städtische Kanonier, der Vorwurf lautete fahrlässige Körperverletzung. Bei der Beerdigung eines verdienten Mitglieds eines Veteranenvereins im Herbst vorvergangenen Jahres sollte die Kanone standesgemäß drei Schüsse Ehrensalut abfeuern, was auch so geschah. Allerdings offenbar in unmittelbarer Nähe eines älteren Herrn, der durch den plötzlichen Lärm eine erhebliche Verletzung an den Ohren erlitt, seitdem schwerhörig ist und ein Hörgerät braucht. Für die Staatsanwaltschaft eindeutig die Schuld des Kanoniers, der hätte vor dem Abfeuern seines Arbeitsgerätes darauf achten müssen, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten ist. Das Amtsgericht hatte dies zunächst ebenso gesehen, der Kanonier erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 800 Euro. Dagegen legte er allerdings Widerspruch ein, weshalb der Fall nun vor Gericht verhandelt wurde.

Die Darstellungen der Zeugen widersprechen sich stark

Die Wahrheitsfindung gestaltete sich indes nicht ganz einfach. Einigkeit herrschte zwischen den Zeugen zwar darüber, dass auf der Beerdigung aus der Kanone geschossen worden war; wie viele Schüsse es waren, darüber gab es allerdings unterschiedliche Angaben. Üblich seien drei Schüsse, so einer der Zeugen, wahrscheinlich seien es damals auch drei gewesen. Auch bei der Frage, wo die Kanone während der Beerdigung genau gestanden hatte, gingen die Erinnerungen auseinander. Zwar müsste es irgendwo im Bereich des Volksfestplatzes gewesen sein, aber darin erschöpften sich die Übereinstimmungen der Zeugen auch schon. Einige verorteten die Miniaturartillerie im Bereich einer Wertstoffinsel, andere sogar in unmittelbarer Nähe einer Hecke. Was wiederum nach Aussage des Kanoniers nicht sein könne, da - auch ohne Bleifüllung - das Kanonenrohr einen gewissen Abstand zu anderen Objekten einhalten müsse. Entscheidend war die Frage des Kanonenstandortes für das Gericht deshalb, um abschätzen zu können, ob sich der Geschädigte dem Geschütz überhaupt weit genug hätte nähern können, um Ohrenschäden davonzutragen. Denn laut Angeklagtem selbst war während des Abfeuerns niemand in unmittelbarer Nähe. Dies bestätigten einige Zeugen, sie erklärten, keine Personen zum Zeitpunkt der Salutschüsse neben der Kanone gesehen zu haben, andere dagegen erinnerten sich an das Gegenteil.

Nach mehr als zwei Stunden Verhandlung schlug Richterin Vera Hörauf vor, das Verfahren gegen die Zahlung von Schmerzensgeld an den Geschädigten einzustellen. Nicht zuletzt deshalb, weil man sonst - egal ob Verurteilung oder Freispruch - unter Umständen wegen Falschaussage gegen einige Zeugen ermitteln müsse. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stimmten dem zu, auch der Geschädigte war einverstanden. Die Parteien einigten sich schließlich auf 2000 Euro, zwar mehr als im Strafbefehl, dafür entfällt allerdings eine Verurteilung.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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