Ebersberg:Unsere kleine Farm

Linke fordern Cannabis-Clubs

Ein gutes Händchen in Gartenbaufragen bewiesen zwei Männer aus dem südlichen Landkreis - doch sie wurden von den Nachbarn verpetzt.

(Foto: dpa)

Weil sein Mitbewohner Hanfpflanzen angebaut hat, muss ein 28-Jähriger 5200 Euro Strafe zahlen

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Eine Entscheidung konnte und wollte Richterin Vera Hörauf an diesem Nachmittag nicht fällen im Saal II des Ebersberger Amtsgerichts, zumal der wohl entscheidende Zeuge nicht zum Verhandlungstermin erschienen war. Beschuldigt war ein 28-jähriger gelernter Schlosser aus dem südlichen Landkreis. Auf dem Balkon seiner Mietwohnung hatten zwei Ebersberger Polizeibeamte im vergangenen Sommer drei Cannabispflanzen sicher gestellt. Die aber sollen, so verteidigte sich der Beschuldigte Alexander F., gar nicht ihm, sondern ausschließlich jenem Zeugen, genannt Herr T. gehört haben, der im vergangenen Jahr einige Monate in einer Wohngemeinschaft mit ihm in der Wohnung lebte - und auch als Mitmieter im Mietvertrag eingetragen war. Der Zeuge T. ist für den Besitz der Pflanzen bereits rechtskräftig verurteilt, wie Richterin Hörauf erklärte, Alexander F. hatte ebenfalls einen Strafbefehl erhalten, aber dagegen Einspruch eingelegt.

Über die Anzeige eines Nachbarn hatte die Ebersberger Polizei von den verbotenen Marihuanapflanzen auf dem Balkon erfahren, er hatte gesehen, dass sie dort standen. Mit den Nachbarn hatte es auch immer wieder Ärger wegen Ruhestörung gegeben. Zwei Beamte, von denen einer ebenfalls als Zeuge geladen war, waren zu der Adresse gefahren und hatten beschlossen, die Pflanzen auf dem Balkon sofort sicher zu stellen. Sie seien also hinauf gestiegen und dort von Herrn T. zur Rede gestellt worden. "Er hat geglaubt, wir wollten ihm die Pflanzen stehlen", erzählte der Polizist. Noch bevor er sich offiziell vorgestellt habe, habe ihm T. gesagt, das Cannabis gehöre ihm und Alexander F.. Bei einem Gespräch in der Küche, sei er mit Herrn T. überein gekommen, dass sich beide Mieter in der Polizeistation melden sollten - was aber nie geschehen sei.

Weil er davon auch gar nichts gewusst habe, verteidigte sich der 28-jährige Angeklagte. Er habe mit den Pflanzen nichts zu tun gehabt und sei auch nicht dabei gewesen, als sie von der Polizei abgeholt wurden. Er selbst habe auf dem Balkon Tomatenpflanzen angebaut, auch ein Ficus Benjamini sei da gestanden und eine Feige, die aber eingegangen sei. Die Marihuanasetzlinge "waren auf einmal da", erklärte er, einen Monat nachdem T. bei ihm eingezogen war. Wo der sie herhatte, wisse er nicht, antwortete er auf eine entsprechende Frage von Richterin Hörauf, aber T. sei seit Jahren arbeitslos "und ich weiß nicht, was er den ganzen Tag macht". Zwei Wochen nachdem die Setzlinge auf den Balkon gekommen waren und zwischen den Tomatenpflanzen "so ein bisschen wie getarnt" gestanden hätten, habe er seinen Mitbewohner dazu aufgefordert, sie wegzubringen. "Aber er hat gesagt, er zahlt hier Miete und kann machen, was er will."

Ein weiterer Zeuge, Dieter K., der gerade als Gast in der Wohnung lebte, als die Polizei kam, bestätigte F.s Version. Der Zeuge T. habe auf seine und des Angeklagten wiederholte Aufforderungen, die Pflanzen zu beseitigen, nur mit Schulterzucken reagiert, aber am Abend nach dem Polizeieinsatz zu ihm gesagt: "Die A...löcher von Bullen haben meine ganzen Pflanzen mitgenommen und mir entgeht so viel Kohle." T. habe sich auch als Einziger immer um die Hanfpflanzen gekümmert, sie auf dem Balkon hin und hergeschoben. Was da sonst noch an "Grünzeug" gestanden habe, davon verstehe er nichts, aber, ja, Tomaten seien dabei gewesen.

An der Frage, wer die Pflanzen gepflegt hatte und ob die Ausstattung des Balkons mit einem Dach und einem Vorhang als Sichtschutz gegen unliebsame Blicke von außen und zur Herstellung besserer Aufzuchtbedingungen gedient haben könnte, machte der Staatsanwalt seine Bewertung der Situation fest. "Wenn der Balkon nicht so verhangen wäre, wäre ich zu allem bereit", erklärte er. Alexander F. hatte erklärt, dass der Vorhang vor allem als Windschutz gedient habe, schließlich habe man den Balkon als EM-Studio genutzt und draußen Fußballspiele angeschaut.

Die entscheidende Frage, ob sich nun Alexander F. auch um die Cannabispflanzen gekümmert hatte, konnte das Gericht zunächst nicht zufriedenstellend klären. Der Polizeibeamte hatte, wie er auf Nachfrage des Staatsanwalts erklärte, die Zimmer der beiden Mieter nicht gesehen, aus denen vielleicht Rückschlüsse möglich gewesen wären. Auch ob weitere Pflanzen auf dem Balkon gestanden hatten, wusste er nicht mehr zu sagen. Sehr zum Unwillen des Staatsanwaltes, der sich insgesamt nicht besonders begeistert vom Vorgehen der Polizisten zeigte. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Beamten von außen mit Hilfe eines Baums auf den Balkon geklettert seien, so der Staatsanwalt. "Wenn Sie schon bei jemanden auf den Balkon steigen, dann hätten Sie doch erst mal einen Richter erreichen müssen", sagte er. Auch die Anwältin des Angeklagten echauffierte sich über das Verhalten der Polizei: "Also über einen Balkon einsteigen, das geht gar nicht", schimpfte sie - da hatte der Beamte allerdings den Gerichtssaal bereits mit lautem Türenknallen verlassen.

Dem Angeklagten nützte dies aber nichts. Nach der Vernehmung des Zeugen T. am zweiten Verhandlungstermin an diesem Dienstag, sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Angeklagte an der kleinen Farm auf dem Balkon durchaus beteiligt war. Wegen unerlaubtem Anbau von Betäubungsmitteln muss er eine saftige Strafe zahlen, das Urteil lautete 130 Tagessätze zu je 40 Euro.

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