Ebersberg:Und immer wieder 110

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Ein 60-jähriger Alkoholiker muss wegen wiederholten Missbrauchs von Notrufen acht Monate ins Gefängnis

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Das Gerät piepst und piepst, dann erscheint auf dem Display des Alkoholtests das Ergebnis: Null Promille. "Sehen Sie!", ruft der Angeklagte triumphierend. Er sitzt an diesem Nachmittag auf der Anklagebank im Ebersberger Amtsgericht. Vor dem Gerichtsgebäude parkt ein Polizeiauto, ein Beamter ist als Zeuge geladen. Denn der Mann hat zum wiederholten Mal Polizeibeamte am Telefon terrorisiert. Davon hat ihn bislang auch kein Richter abhalten können. Wegen Missbrauchs von Notrufen wurde er bereits mehrfach verurteilt, auch andere Straftaten stehen im Register des 60-Jährigen, 28 Eintragungen hat er insgesamt. Das Ebersberger Amtsgericht hat den 60-Jährigen bereits mehrmals wegen Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Beleidigung und Körperverletzung verurteilt. Auf freiem Fuß ist er deshalb nur auf Bewährung.

Doch nicht nur sein Vorstrafenregisterist zu Beginn der Verhandlung ein Thema, auch sein Lebenswandel, den man wohl als reichlich verkorkst bezeichnen kann, kommt zur Sprache. Seit vielen Jahren ist der Fliesenleger alkoholabhängig. Den Auflagen des Gerichts bei vorherigen Verhandlungen, sich von Therapeuten helfen lassen, ist er aber immer wieder nicht nachgekommen. Seine Alkoholsucht bekam er nicht unter Kontrolle, sogar betrunken erschien er vor Gericht. Dieses Mal ist er aber nüchtern, "immerhin", wie sein Anwalt sagt.

Weil er bereits des Öfteren betrunken und ohne in einer Notlage zu sein den Polizeinotruf wählte, wurde er bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Dennoch griff er im Oktober vorigen Jahres wieder zum Telefon und tippte die 110. Sieben Mal rief er in der Tatnacht bei der Polizei an und erfand Geschichten, die sich allesamt als falsch herausstellten. Auch ein Krankenwagen rückte aus, weil der Angeklagte behauptet hatte, seine Frau habe ein Alkoholvergiftung und atme nicht mehr. Die Rettungssanitäter konnten bei ihr aber keine körperlichen Beschwerden feststellen.

Die Frau des Angeklagten sitzt während der Verhandlung in der Zuschauerreihe, sie reibt sich genervt das Gesicht, als Richterin Vera Hörauf beginnt, die Aufnahmen von den sieben Anrufen aus der Nacht im Oktober abzuspielen. "Darf ich Sie zu was einladen?", fragt der Angeklagte in einer der Aufnahmen eine Beamtin am Telefon immer wieder. Die Polizisten am anderen Ende der Leitung nehmen den 60-Jährigen nicht so recht ernst, "dann saufen Sie halt weniger", sagt die Beamtin, als der Angeklagte mit wehleidiger Stimme immer wieder sagt: "Ich will weg vom Suff". Sein Rechtsanwalt wertet das Verhalten des Fliesenlegers als "Hilferuf".

Vor einigen Monaten zog der Mann in einen anderen Landkreis. Denn in seinem Heimatort hatte er immer wieder Probleme mit Nachbarn, weil er betrunken im Treppenhaus lag oder die Musik zu laut aufdrehte. Er wolle sein Leben ändern, betont der Mann immer wieder, weg vom Alkohol, "dieses Mal wirklich". Doch wegen der vielen Vorstrafen und Straftaten während seiner Bewährungszeit verurteilt Richterin Vera Hörauf den Fliesenleger zu acht Monaten Haft.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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