Ebersberg:Tragende Rolle mit viel Ärger

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Ebersberger Bauern fordern bei Versammlung zur Energiewende größere Akzeptanz von Biogasanlagen und Windparks.

Christoph Giesen

Norbert Neugebauer hat Komplimente mitgebracht, schmeichelnde Worte für die Bauern im Landkreis. "Sie sind die Ölscheichs von morgen, wir brauchen Sie", sagt er. Neugebauer, leitender Beamter im Landratsamt, ist auf Einladung des Bauernverbandes nach Purfing in den Gasthof Huber gekommen, er will hier die Energiewende erklären. Bis zum Jahr 2030 will der Landkreis autark sein. Und den Bauern kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Biogasanlagen wie hier in Pliening sind ein Modell der Zukunft, das nicht ohne die Landwirte zu realisieren ist. (Foto: EBE)

Mitgebracht hat Neugebauer Michael Wedler, einen Berater der Firma Baum Consult, mit der das Landratsamt einen Zeitplan für die Energiewende aufgestellt hat. "Was heißt Wende? Wohin wollen wir uns wenden?", fragt Neugebauer in die Runde. "Wir sind eigentlich keine Wendehälse und trotzdem wollen wir dahin zurück, wo wir vor 200 Jahren waren, ins Solarzeitalter." Vor 200 Jahren, sagt er, habe man auch fast ohne Kohle, ohne Uran und ohne Öl gelebt. "Die Energie hat die Sonne geliefert, sie hat uns gewärmt und sie hat das Holz in den Wäldern wachsen lassen." Im Unterschied zu vor 200 Jahre wolle man die Wende aber ohne Komfortverlust erreichen. Eine besondere Rolle falle dabei den Bauern zu. "Die Landwirte haben die Biomasse, das Biogas, die regenerativen Energien liegen in den Händen der Landwirte." Auch die Windstandorte befänden sich auf landwirtschaftlichen Grund. "Ohne die Bauern geht es nicht", ruft er.

Michael Wedler hat die nötigen Zahlen dabei, die das belegen. Ein Projektor wirft sie auf eine wackelige Leinwand im Schankraum. Um den jährlichen Strombedarf zu stillen, muss der Landkreis bis 2030 drei Windparks bauen, 25 Biogasanlagen errichten und rund ein Drittel aller Hausdächer mit Solarplatten belegen. Ein Investitionsvolumen von etwa 470 Millionen Euro. "Wenn man aber bedenkt, dass wir im Moment 60 Millionen Euro im Jahr zahlen, um Strom einzukaufen, dann lohnen sich die Anschaffungen", sagt Wedler.

Die Energiewende sei nur dann zu schaffen, erklärt Wendler, wenn man auch Energie spare. Einfach nur auf erneuerbare Energien umzustellen, reiche nicht. "Beim Wärmeverbrauch lässt sich am meisten einsparen", sagt er. "Mindestens 50 Prozent." Doch auch dazu sind Investitionen nötig. Bis 2030 etwa 1,2 Milliarden Euro. "Jedes zweite Haus müsste auf Niedrigenergieniveau gedämmt werden." Alleine diese Sanierungen dürften etwa 590 Millionen Euro kosten.

Stefan Großmann hat sich die beiden Vorträge und die schmeichelnden Worte in Ruhe angehört. Er ist Ortsobmann des Bauernverbandes, und er ist skeptisch: "Meine Herren, das war reine Theorie, in der Praxis schaut das anders aus, wenn wir Landwirte zum Beispiel eine Biogasanlage bauen wollen, gibt es immer wieder Probleme. In Markt Schwaben wurde ein Standort nicht genehmigt und auch in Grafing gab es lange Diskussionen. So schaffen wir das nicht."

Vor Kurzem, erzählt er, sei er gemeinsam mit dem Kreisobmann Franz Lenz nach Rhön-Grabfeld an die hessische Grenze gefahren. "Dort oben sind sie schon viel weiter." Im nördlichsten Landkreis Bayerns gebe es kaum Probleme mit Genehmigungen, man habe Genossenschaftsmodelle entwickelt, an denen sich sämtliche Bürger beteiligen können. "Dann ist es nicht mehr die Anlage des Bauern, sondern die der Bevölkerung, der Neid fällt weg und die Akzeptanz steigt." In Rhön-Grabfeld könne man bereits mit einer Einlage von 2500 Euro Teilhaber werden. Innerhalb weniger Tage hätte der Landkreis das benötigte Kapital für eine Freiflächen- Photovoltaikanlage zusammenbekommen.

"Auch wir wollen mit Bürgerbeteilungsmodellen arbeiten, um die großen Investitionen zu stemmen", erwidert Michael Wedler, "und wir werden das hinbekommen. Wenn Ebersberg es nicht schafft, wer soll es in Deutschland denn sonst schaffen?"

© SZ vom 26.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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