Ebersberg:Sparen auf Kosten der Arbeitslosen

Das Jobcenter Ebersberg erhält seit Jahren immer weniger Geld vom Staat, weil die Erwerbslosenquote im Landkreis so niedrig ist. Betroffene fühlen sich allein gelassen, auch weil die Lage andernorts viel besser ist.

Von Isabel Meixner

Seit acht Jahren bemüht sich Holger K. (Name geändert) um eine neue Arbeit als Flugtriebwerkmechaniker - sieht man von kleineren Minijobs ab, ohne Erfolg. 30 Bewerbungen hat er allein in den vergangenen zwei Monaten geschrieben. Außer sieben Absagen und jede Menge Ärger ist bisher nichts dabei herumgekommen. Ärger nämlich über das Jobcenter Ebersberg: Dem Arbeitslosen werden 120 Euro für Bewerbungen pro Jahr erstattet. Von anderen Hartz-IV-Empfängern aus Erding, Freising und München weiß er, dass diese bis zu 300 Euro erhalten. "Das kann nicht angehen", findet der 50-Jährige. "Für alle Jobcenter gilt das Sozialgesetzbuch."

Hermann Schmidbartl, Leiter des kritisierten Jobcenters, bestätigt die Zahlen: "Wir sind leider auf Sparzwang." Seit 2010 wurde das Budget, aus dem Weiterbildungs- und Qualifizierungsseminare, Eingliederungszahlen an Arbeitgeber oder eben Zuschüsse zu Bewerbungen bezahlt werden, für Ebersberg um 75 Prozent von 1,2 Millionen Euro auf 300 000 Euro gekürzt. Ausgerechnet die niedrige Quote an Langzeitarbeitslosen von derzeit 0,9 Prozent erschwert es den derzeit 651 Hartz-IV-Empfänger im Landkreis, Arbeit zu finden.

Denn den Jobcentern wird das Budget gemäß dem sogenannten Problemdruckindikator zugewiesen. Der weist den Landkreisen überdurchschnittlich viele Bundesgelder zu, die die höchsten Arbeitslosenquoten haben. Das Jobcenter Ebersberg zählt zu den zehn Einrichtungen, die in Deutschland am wenigsten Geld erhalten: 552 Euro pro Leistungsberechtigtem. In Neukölln liegt der Betrag mit 1055 Euro am höchsten, in der Stadt München sind es 634 Euro, im Landkreis dagegen 566 Euro. In Erding ist der Betrag in den vergangenen Jahren auf 558 Euro gesunken.

Holger K. nennt die unterschiedlichen Beträge schizophren: "Es kann nicht sein, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht." Tatsächlich heißt es im Sozialgesetzbuch III, dass "Bewerbungskosten bis zu einem Betrag von 260 Euro jährlich übernommen werden können". Können bedeutet aber auch: Es liegt im Ermessen der einzelnen Jobcenter, darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen in welcher Höhe gefördert werden. In Ebersberg hat das Jobcenter die Zuschüsse zu Bewerbungen auf maximal 216 Euro begrenzt, je nach Eingliederungsvereinbarung können sie wie bei K. darunter liegen. Online-Bewerbungen werden nicht bezuschusst, Zusatzqualifizierungen werden nur noch gezahlt, wenn danach sichergestellt ist, dass der Hartz-IV-Empfänger wieder in seiner Sparte arbeiten kann. In Erding erhalten Hartz-IV-Empfänger maximal 260 Euro pro Jahr an Bewerbungszuschüssen, das dortige Jobcenter spart dafür an Fortbildungen und am Eingliederungszuschuss. In München dagegen gibt es keine Obergrenze, hier wird von Fall zu Fall entschieden. "Unsere Hartz-IV-Empfänger sind benachteiligt", sagt Schmidbartl. Dass das Jobcenter mit mehr finanziellen Mitteln mehr Arbeitslose hätte vermitteln können, davon ist er überzeugt: "Wir können die Chancen, die wir hier haben, nicht voll ausnutzen."

Holger K. hat einen anderen Blick auf die Dinge: "Eine Bewerbung ist eine Chance mehr." Er nimmt derzeit selbst an einer Qualifizierungsmaßnahme teil: "Ich kann auch nach dem Kurs keine Perspektive erkennen." Von 16 Teilnehmern würden im Schnitt nur ein bis zwei anschließend Arbeit finden, behauptet er. Zahlen, die Schmidbartl so nicht stehen lassen will: Bei vielen Maßnahmen gehe es darum, Grundlagenarbeit zu betreiben, den Langzeitarbeitslosen wieder eine Tagesstruktur zu geben, die Familiensituation zu klären. Die Erfolgsquote liege bei 30 bis 40 Prozent.

Auch der Vorwurf K.s, wonach Anträge zu langsam bearbeitet würden, sieht Schmidbartl als nicht gerechtfertigt: "Wenn alle Unterlagen da sind, wird ein Antrag innerhalb von fünf Arbeitstagen bearbeitet." Entscheidungen zu Weiterbildungen dagegen dauern länger, denn diese müssten wieder aus dem 300 000-Euro-Topf bezahlt werden: "Wenn weniger Geld da ist, muss man schauen, wem das zugute kommt. Mir tut das selbst leid."

Holger K. jedenfalls stellt desillusioniert fest: "In München ist alles 150 Prozent besser." Dort gebe es Computer, an denen man online nach Stellenanzeigen schauen kann. In Ebersberg, gibt Schmidbartl zu, "haben wir das nicht im Kreuz". PCs mit freiem Internetzugang müssten überwacht werden, damit nicht - wie in München passiert - einschlägige Seiten aufgerufen werden. Schmidbartl träumt von einem Vermittlungszentrum wie in München, mit Internet, PC-Schulungen, Aufsichtsperson. Kostenpunkt: 150 000 Euro pro Jahr.

Er hofft, dass der Bund die Maßstäbe für die Geldverteilung ändert. Vor einem Jahr hatte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) einen Brandbrief an die örtlichen Bundestagsabgeordneten geschrieben, ein entsprechender Passus findet sich im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Aber Schmidbartl weiß, dass die Mühlen in Berlin langsam mahlen. Er geht daher davon aus, dass für Langzeitarbeitslose im Landkreis wie Holger K. auch im kommenden Jahr deutlich weniger Geld zur Verfügung steht als vielerorts in Deutschland.

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