Ebersberg:Sie kommen, wenn andere um Hilfe rufen

Krank am Arbeitsplatz

Stress und Belastungen im Job lösen bei vielen Beschäftigten Angst und Depressionen aus.

(Foto: dpa)

Der neue psychiatrische Krisendienst wird rege genutzt: Das Ebersberger Team absolvierte zehn Einsätze in fünf Wochen. Manchmal sind auch Kinder betroffen.

Von Anja Blum, Ebersberg

Für viele Menschen sind die Wochen um Weihnachten herum eine Zeit des Auftankens und Loslassens. Und doch birgt der Jahreswechsel auch viele Risiken für die Psyche. Der gefühlte Stress ist groß, die winterlichen Tage sind meist duster, die Erwartungen gefährlich hoch und die zwischenmenschlichen Begegnungen mehr als intensiv. Und wehe dem, der ganz alleine unter dem Christbaum sitzen muss...

Hilfe leisten kann in solchen Fällen der Psychiatrische Krisendienst, der Anfang Dezember im Landkreis seinen Betrieb aufgenommen hat. "In den ersten fünf Wochen hatten wir zehn Einsätze vor Ort, das ist für den Anfang schon ordentlich viel", sagt Georg Knufmann vom Sozialpsychiatrischen Dienst in Ebersberg. Die Beratungsstelle dient den mobilen Einsatzteams als Zentrale. "Man kann also sagen: Das Projekt ist erfolgreich angelaufen."

Herzstück des Psychiatrischen Krisendienstes ist eine Notrufnummer: Unter (0180) 6553000 sind täglich von neun Uhr bis Mitternacht professionelle Helfer erreichbar. Entgegengenommen werden alle Anrufe von einer Leitstelle in München, wo das Angebot bereits seit Jahren existiert. Derzeit wird es schrittweise in ganz Oberbayern eingeführt - eine Tatsache, die Knufmann sehr freut.

"Dieses sinnvolle Projekt auf das ganze Land auszuweiten, war eine Ausnahmeentscheidung des Bezirks", lobt er, "das hat echt Modellcharakter." Vor allem für ländliche Gebiete, die generell eher unterversorgt seien mit psychiatrischen Angeboten. "Gerade hier ist es dringend notwendig, Netzwerke zu schaffen", so Knufmann. Seine Hoffnung ist, dass der Dienst sich bewährt und schließlich bayernweit eingeführt wird.

Zwei Jahre Aufbauarbeit

Der für den Landkreis neue Notruf steht Menschen in seelischen Krisen und deren Angehörigen zur Verfügung - egal, welcher Art die Probleme sind. Das Angebot reicht je nach Bedarf von einem beratenden, therapeutischen Gespräch am Telefon über einen deeskalierenden Einsatz von geschulten Helfern vor Ort bis hin zur Vermittlung kurzfristiger ambulanter Termine oder einer stationären Behandlung. Primäres Ziel ist es jedoch, "seelische Krisen ambulant abzufedern". Um das alles auch im Landkreis bieten zu können, haben Knufmann und sein Team zwei Jahre lang Aufbauarbeit geleistet. "Das war und ist viel, aber es lohnt sich", sagt er.

Die Ebersberger Helfer trafen bei ihren Einsätzen in den ersten fünf Wochen laut Knufmann "auf alle möglichen Lebenslagen". Häufig hätten Angehörige die Unterstützung angefordert, manchmal aber auch die Betroffenen selbst. Manche Fälle seien neu entstandene Krisen, andere die Zuspitzung einer bestehenden Erkrankungen.

Oft kämen zu den psychischen noch andere Probleme hinzu, etwa, dass in der Wohnung des Betroffenen längst der Strom abgestellt wurde, und manchmal seien auch Kinder betroffen. "Klar ist jedenfalls, dass das sehr sensible Situationen sind", sagt Knufmann. Deshalb pflege der Sozialpsychiatrische Dienst in diesem Zusammenhang viele Kooperationen zu diversen anderen Institutionen, zu Ärzten, Kliniken, zur Betreuungsstelle oder zum Jugendamt. "Datenschutz und Schweigepflicht werden allerdings immer berücksichtigt", verspricht der Chef.

Außerdem ist Knufmann froh, genug gut geschultes Personal gefunden zu haben, vor allem für die Dienste außerhalb der normalen Geschäftszeiten, also abends, am Wochenende oder an Feiertagen. Nun stehen immer zwei Helfer bereit, um Menschen in seelischen Krisen vor Ort zu unterstützen. "Wir können innerhalb einer Stunde überall im Landkreis sein", sagt Knufmann nicht ohne Stolz. Außerdem wurde das Personal der Ebersberger Beratungsstelle aufgestockt, um nach einer Intervention noch schneller und flexibler Termine anbieten zu können.

Die Reaktionen der Klienten seien "fast durchweg positiv", sagt Knufmann. Nur ab und an komme es vor, dass Angehörige enttäuscht seien, wenn nach einem Hilferuf nicht sofort das "volle Programm" starte, "wenn wir zum Beispiel den Betroffenen nicht gleich mitnehmen". Das aber sei oft nicht möglich. Nicht einmal an Weihnachten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: