Ebersberg:Schnelle Liebe, teure Liebe

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Aus dem Traum von einer schnellen Heirat wurde für die 60-Jährige nichts. Stattdessen kam sie ihre Liebschaft teuer zu stehen. (Foto: Johannes Simon)

Nach nur drei Treffen will eine 60-Jährige ihre Internet-Bekanntschaft heiraten. Doch vor der Hochzeit erschleicht sich der Mann Geld von seiner Verlobten und macht sich dann aus dem Staub. Das bringt den Heiratsschwindler nun für fünf Monate ins Gefängnis

Von Johanna Feckl, Ebersberg

900 Euro soll sich der Angeklagte unter Vorgabe falscher Tatsachen von der Frau erschlichen haben, die sichtlich nervös am Zeugentisch saß und ihre Geschichte in sämtlichen Details wiedergab. Der Mann auf der Anklagebank war einmal ihr Verlobter. Über eine Online-Singlebörse lernten sich die beiden kennen - und es funkte. Zumindest bei ihr. Denn bei ihrer dritten Verabredung bereits machte sie ihm einen Antrag. Das Paar schmiedeten Pläne über eine Hochzeit in Las Vegas. Das alles liegt knapp zwei Jahre zurück, die Beziehung ist längst passé. Stattdessen musste sich die 60-Jährige mit dem Gedanken anfreunden, einem Heiratsschwindler auf den Leim gegangen zu sein.

Ein Heiratsschwindler ist jemand, der einer anderen Person leere Versprechungen über eine gemeinsame Zukunft als Liebespaar oder sogar über eine Hochzeit macht - dabei geht es dem Schwindler einzig und allein um seinen finanziellen Vorteil. Sobald er sein Ziel erreicht hat, macht er sich aus dem Staub. Im strafrechtlichen Sinn macht ihn das zu einem Betrüger. Vor Richterin Vera Hörauf stritt der 59-jährige Angeklagte allerdings ab, ein solches Vorhaben bei seiner ehemaligen Verlobten geplant oder durchgeführt zu haben. Dennoch ging es ums Geld.

Damals seien die Bremsscheiben seines Autos defekt gewesen. Als er seiner Verlobten davon erzählte, habe diese eigenmächtig und ohne Vorankündigung per Blitzüberweisung 900 Euro an ihn überwiesen. "Sie wollte einfach, dass ich so schnell wie möglich wieder zu ihr komme", vermutete der Angeklagte. Ohne die schnelle Reparatur hätte sich das Paar nämlich wohl einige Wochen nicht sehen können, da die beiden eine Fernbeziehung führten und der Angeklagte die notwendigen Werkstattkosten alleine nicht aufbringen konnte. Angesprochen hätte die Geschädigte die Geldsumme nie. "Erst, als ich das mit der Beziehung beendet habe, da kam sie auf einmal wieder mit dem Geld an." Den Betrag wollte er seiner Ex-Verlobten zurückzahlen, aber ein Kunde hätte dem damals Selbstständigen eine Rechnung nicht beglichen, sodass er die 900 Euro nicht aufbringen konnte. An zwei weitere Fälle, in denen die 60-Jährige ihm insgesamt 250 Euro geliehen haben soll, konnte sich der Angeklagte nicht erinnern.

In der Version der Geschädigten stellte sich die Geschichte naturgemäß anders dar. Zum einen hätte er sie um die 900 Euro gebeten und zum anderen habe sie ihm das Geld mit der Bitte überwiesen, es ihr schnellstmöglich zurückzuzahlen. Die 60-Jährige hatte zum damaligen Zeitpunkt selbst Schulden. "Ich wollte ihn nicht hängen lassen, wir waren ja schließlich verlobt", sagte sie auf die Frage der Richterin, warum sie trotzdem eine fast vierstellige Summe verliehen hat. Und die Beziehung hätte nicht er, sondern sie beendet, "nachdem ich gemerkt habe, dass er nicht ganz koscher ist". Eine wüste Geschichte habe er ihr aufgetischt, um an das Geld zu kommen: Er sei in Polen mit seinem Wagen gewesen, der aufgebrochen und liegen geblieben war, seine Kreditkarte hätte der Sohn, ebenfalls im Ausland. Zurück zu Hause sei er in einem Krankenhaus behandelt worden - eines der wenigen Dinge, die auch stimmten. "Ich habe mich immer wieder abspeisen lassen, nachdem ich ihm das Geld überwiesen hatte", sagte die 60-Jährige. Gesehen hat sie ihren Ex-Verlobten seitdem bis zur Gerichtsverhandlungen kein einziges Mal.

Das Gericht sah keinen Grund, den Darstellungen der 60-Jährigen zu misstrauen. "Es ist die Masche des Angeklagten, Leute dazu zu bringen, ihm Geld zu überweisen", war sich die Staatsanwaltschaft sicher. Mit ihrem Urteil bestätigte Richterin Hörauf diese Einschätzung. Das Strafregister des Angeklagten weist 17 Eintragungen vor, derzeit büßt er eine Bewährungsstrafe ab. "Die Sozialprognose ist nicht günstig", begründete die Richterin die Verurteilung des Angeklagten zu einer fünfmonatigen Freiheitsstraße ohne Bewährung.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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