Ebersberg:Wenn eine Mahlzeit 1,50 Euro kostet

Mittagessen in einem Seniortentreff in München, 2012

Was Senioren in Heimen aufgetischt wird, darf nicht zu teuer sein und sollte dennoch nicht auf Kosten der Qualität gehen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Senioren-Union im Landkreis kritisiert, dass alte Menschen in Heimen mit Essen abgespeist werden, das pro Tag und pro Person nicht mehr als fünf Euro kosten dürfen. Der Pro-Kopf-Preis liegt unter dem einer Schulmensa.

Von Johannes Hirschlach, Ebersberg

Das Essen ist zu günstig - findet Renate Schaumberg. Die Ebersberger Kreisvorsitzende der Senioren-Union wundert sich über die Preiskalkulation in Seniorenheimen. In etlichen Unterkünften würde mit Sätzen von 1,14 Euro Lebensmittelaufwand pro Mahlzeit gerechnet, schreibt Schaumberg in einem Brief an die Ebersberger SZ. Eine Zahl, die aufhorchen lässt. Ist die Verpflegung in deutschen Pflegeheimen tatsächlich mit solch niedrigen Sätzen finanziert - und gilt das auch im Landkreis Ebersberg?

Kritik am Essen in Schulmensen, Firmenkantinen, Krankenhäusern, aber auch in Seniorenunterkünften ist nichts Neues. Vorwürfe über mangelhafte Qualität, zu wenig auf dem Teller oder nicht individuell abgestimmte Nahrung kochen immer wieder hoch. Im Sommer 2015 postete ein Frührentner aus einem Nürnberger Altenheim auf Facebook Bilder von den ihm aufgetischten Mahlzeiten.

Halbrohe Bratwürstchen, undefinierbar brauner Brei, Kirschkuchen ohne Kirschen: "Jürgen fotografiert sein Essen" wurde ein Renner in den sozialen Netzwerken. Im August dieses Jahres beklagte sich ein Angehöriger zweier Bewohner eines Münchner Heims in der TZ über das "unappetitliche und ungenießbare" Essen. Für vier Speisen am Tag kalkuliere das Seniorenheim mit lediglich 4,56 Euro, so der Vorwurf.

Das ist auch die Zahl, von der Schaumberg die 1,14 Euro pro Mahlzeit ableitet. Konkrete Daten aus dem Landkreis Ebersberg seien ihr aber nicht bekannt. Ihr Kollege, der Vorsitzende der Markt Schwabener Senioren-Union, Rolf Jorga, tut sich ebenfalls schwer, verlässliche Zahlen in der Pflegebranche aufzutreiben. "Es gibt keine klaren Aussagen über Kosten und Kalkulation", sagt er. Ein Satz von 4,56 Euro sei aber "wahnsinnig niedrig. "Ich weiß nicht, wie eine Hausfrau damit auskommen sollte."

4,70 Euro für vier Mahlzeiten

Nachfrage in Seniorenresidenzen im Landkreis: Sind solche Beträge repräsentativ? Ja, sagt Hubert Radan, Leiter des Glonner Marienheims der Caritas. Seine Einrichtung liege bei einem reinen Naturalaufwand im Wert von täglich rund 4,70 Euro pro Bewohner, sagt er - aufgeteilt auf vier Mahlzeiten. Das sei auch durch die vorgeschriebenen Pflegesätze bedingt. "Aber es gibt ja nicht jeden Tag Schweinebraten mit Knödeln", sagt er. Das Essen werde jeden Tag frisch in der hauseigenen Küche zubereitet. Fleisch, Gebäck, Gemüse und Obst komme überwiegend von lokalen Anbietern. "Und wir haben keine vorgeschriebenen Mengen, das geht nach Bedarf", sagt Radan. Nachschlag sei also kein Problem.

Auch im Pflegeheim "Reischlhof" in Ebersberg ähneln die Lebensmittelkosten denen des Marienheims. Mit etwa 4,50 Euro werde hier kalkuliert, sagt Leiterin Anke Möglinger. Die warmen Mahlzeiten erhalte die Einrichtung mit nur 49 Plätzen von der Firma Pichlmayr, die ebenfalls ein Seniorenheim in Ebersberg betreibt. "Wir versuchen sehr individuell zu arbeiten", sagt Möglinger, "wenn jemand Hunger hat, kriegt er immer etwas zu essen." Die Kosten der Naturalienbeschaffung resultiere aus den Großhandelspreisen. "Wir kaufen anders ein als ein Privathaushalt."

Diesen Sachverhalt hält Christian Läßker für realistisch. Der Praxislehrer für angehende Köche an der Berufsschule in Erding kennt die kalkulatorischen Abläufe in Großküchen aus eigener Erfahrung. "Die Preise im Großhandel liegen etwas unter denen beim Discounter", sagt er. Auch die Tatsache, dass bei Senioren oft kleinere Portionen nötig seien, wirke sich positiv auf die Beschaffungskosten aus.

An Bioprodukte ist bei solchen Preisen nicht zu denken

In Schulmensen werde mit ähnlichen Preisen zwischen 1,50 Euro und 1,80 Euro pro Mahlzeit jongliert - eine Brei-Speise in Seniorenheimen sei bei weitem nicht so teuer. Dennoch, das gibt er zu bedenken, "es geht zu Lasten der Qualität". An Bioprodukte oder vegane Ernährung brauche bei solchen Sätzen niemand denken. Letztendlich liege es im Vermögen des Kochs, "was er aus seinem Geldbetrag macht", sagt Rolf Jorga. Ob das Essen dann schmecke, sei schwierig zu beurteilen, denn: "Leute in den Heimen haben oft nicht den Mut, etwas zu sagen."

Einen Anhaltspunkt können die Pflegenoten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen liefern. In anonymen Fragebögen geht es auch um die Zufriedenheit der Heimbewohner mit ihrer Verpflegung. Dabei geben im aktuell gültigen Transparenzbericht 2014 alle Befragten im Landkreis Ebersberg an, ihnen schmecke das Essen "immer" oder "häufig". Die beiden Kategorien "gelegentlich" und "nie" wurden nicht angekreuzt. Auch bei der Heimaufsicht im Landratsamt sieht man die Sache entspannt. "Das Thema Verpflegung spielt bei Beschwerden keine Rolle", sagt Behördensprecherin Evelyn Schwaiger.

Sollte es doch zu Problemen kommen, rät Rolf Jorga Betroffenen eigentlich, sich an die Bewohnervertretungen zu wenden. "Aber viele wissen nicht, wie sie Mitbestimmung ausüben können." Dann sei es Aufgabe der Angehörigen, darauf zu schauen, was auf den Tisch kommt.

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