Ebersberg:Sammelunterkunft statt Familienanschluss

Ebersberg: Bundesrichter a.D. Klaus Küchenhoff aus Ebersberg würde Asylbewerber Mahmoud aus Gaza gerne bei sich wohnen lassen, die Behörden lehnen das ab.

Bundesrichter a.D. Klaus Küchenhoff aus Ebersberg würde Asylbewerber Mahmoud aus Gaza gerne bei sich wohnen lassen, die Behörden lehnen das ab.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit drei Monaten kämpft der frühere Bundesrichter Klaus Küchenhoff darum, dass ein Asylbewerber aus dem Gazastreifen in seinem Haus in Ebersberg wohnen darf - bislang ohne Erfolg

Von Sara Kreuter, Ebersberg

Klaus Küchenhoff, ehemaliger Richter am Bundespatentgericht, lehnt in seinem Sessel, das Telefon ans Ohr gepresst. Er hofft auf Fortschritte im Fall seines Schützlings - doch das Landratsamt vertröstet ihn, wieder einmal. Mahmoud aus Gaza, ein Flüchtling, dem Küchenhoff gerne in seinem eigenen Haus Asyl gewähren würde, muss für eine weitere Nacht zurück in die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Turnhalle der Ebersberger Realschule.

Mahmoud ist Anfang Dreißig. Er kommt aus Gaza, ist Asylbewerber, noch nicht anerkannt. Seit Dezember ist Mahmoud in Bayern, seit Januar in der Turnhalle in Ebersberg untergebracht - "wo die Verhältnisse auf Dauer nicht tragbar sind", wie er sagt. Er lebt dort gemeinsam mit 50 weiteren Flüchtlingen. "Jeder Tag ist ein Kampf", berichtet er. Die hygienischen Verhältnisse seien schwierig. In seinem Sektor sei er der einzige Araber, auch das belastet ihn. Das Angebot der Küchenhoffs, bei ihnen einzuziehen, stellt für den Mann die einmalige Gelegenheit dar, der Massenunterkunft zu entkommen. Ein großer Glücksfall für Mahmoud, könnte man meinen, und ein außergewöhnliches Beispiel für Integration. Doch so einfach ist das mit den zuständigen Behörden nicht.

Die erste Anfrage der Küchenhoffs ging im März beim Ausländeramt in Ebersberg ein. Küchenhoff begegnete man höflich - aber verhalten. Daraufhin wendete sich dieser nach München, später wieder an das Landratsamt. Klaus Küchenhoff sprach mit Landrat Robert Niedergesäß und schrieb an den Präsidenten des Ausländeramts, Manfred Schmidt, in Nürnberg. Fortschritte konnte er bisher keine erzielen. Mahmoud darf vorerst nicht bei ihnen wohnen. Warum das so ist, konnten die Behörden den Küchenhoffs bisher allerdings nicht erklären.

Ganz allgemein müsse man jede Situation individuell anschauen und entscheiden, erklärt Andreas Skaletz, der stellvertretende Sachgebietsleiter am Ausländeramt in Ebersberg. Zu Einzelheiten im Fall Mahmoud möchte er sich nicht äußern. Dessen besondere Situation werde momentan geprüft. "Dabei ist jede Nacht, die man ihn unnötig warten lässt, eine zu viel", zeigt sich das Ehepaar Küchenhoff entrüstet. "Wir sehen nicht ganz ein, wo da die Schwierigkeit liegen soll", sagt der ehemalige Bundesrichter mit Nachdruck. "Er ist hier und er braucht Hilfe - das sollte alles sein, was zählt". Seit März halte man sie und ihren Schützling hin.

Damals trafen sich Mahmoud und Waltraut Küchenhoff erstmals bei einer Veranstaltung der VHS Ebersberg zum Thema Islam. Küchenhoff lud ihn auf eine Tasse Tee zu sich nach Hause ein. Mit der Zeit wuchs die Sympathie, das Vertrauen - und das Mitleid mit seiner Lage. Das Ehepaar beschloss zu handeln. Die beiden - mittlerweile seit 60 Jahren verheiratet - haben vier Kinder, alle längst ausgezogen. In ihrem Haus ist Platz, den sie zur Verfügung stellen wollen. Wenn man sie denn ließe.

Den beiden sind die Flüchtlinge ein echtes Anliegen. Sie selbst haben in ihrer Kindheit erfahren, wie es ist, die Heimat zu verlassen und als Fremder an einem anderen Ort neu anfangen zu müssen. Klaus und Waltraut Küchenhoff kommen beide aus Schlesien. Er wurde nach Kriegsende ausgewiesen, sie musste acht Monate in einem Flüchtlingslager in Passau leben. "Ich weiß, wie das ist, wenn man derartiges durchlebt und so eingeschränkt ist", sagt sie. Deshalb wollen sie helfen, wo sie können. Den hinteren Teil ihres Hauses, die ehemalige Kanzlei von Anwältin Waltraut Küchenhoff, haben sie bereits an einen anerkannten Asylanten aus Afghanistan vermietet. Weil sie dort so gute Erfahrungen gemacht haben, wagen sie es, Mahmoud in ihr eigenes Haus aufzunehmen - und mit ihm Küche und Bad zu teilen.

Bis man es ihm gestattet, vollständig bei den Küchenhoffs einzuziehen, verbringt Mahmoud zumindest schon die Nachmittage mit dem Ehepaar. Täglich lernt er mit Waltraut Küchenhoff Deutsch. An den Vormittagen macht er einen Deutschkurs an der Universität in München, den ihm das Ehepaar finanziert hat.

Mahmoud ist sich sicher: Den Küchenhoffs wird er für immer dankbar sein. "Sie helfen mir so sehr, und sie fragen mich jeden Tag, wie es mir geht. Das bedeutet mir viel", sagt er. "Er betrachtet uns als seine zweite Familie", sagt Küchenhoff, "und wir haben ihn sehr schätzen gelernt".

Seine eigene Familie musste Mahmoud zunächst zurücklassen. Seine Frau und seinen Sohn hat er vor seine Abreise nach Dubai gebracht, die Lage im Gazastreifen ist auch jetzt, ein knappes Jahr nach dem letzten Krieg in der Region, zu unsicher. Nun wartet seine Familie darauf, dass Mahmoud sie endlich zu sich holt. Das darf er, wenn seinem Asylantrag stattgegeben wird. Den Antrag hat er am 11. Januar gestellt. Seitdem wartet er, und bangt. Seine Frau hat psychische Probleme, es ist hart für sie ohne ihren Mann. Mahmoud zeigt ein Foto vom zweiten Geburtstag seines Sohnes. "Ich war nicht da", sagt er traurig. Neun Monate hat er die beiden nicht gesehen. Mahmoud erzählt nur sehr zögerlich von sich. Wenn das Gaza wäre, sagt er, dann würde er dafür ins Gefängnis kommen. Deutschland ist anders, das weiß er, aber alte Ängste lassen sich nur schwer ablegen. Mahmoud ist gebildet, in seiner Heimat hat er in einer Bank gearbeitet. Er hat in Jordanien Marketing studiert. Mahmoud würde gerne arbeiten, doch natürlich darf er das nicht. Also lernt er Deutsch und wartet. Wartet, dass sein Asylantrag bearbeitet wird, wartet darauf, dass er seine Familie endlich wieder sehen kann, wartet darauf, dass man es ihm endlich gestattet, bei seiner neuen deutschen Familie einzuziehen. Darauf warten die Küchenhoffs auch. Und sie hoffen, dass ihre Initiative den Weg bahnt für ähnliche Vorhaben. "Nur durch engen persönlichen Kontakt können die Leute die Vorurteile abbauen, die sie gegenüber den Flüchtlingen haben", betont Waltraut Küchenhoff: "Vorhaben dieser Art sollte die Regierung unterstützen und nicht behindern."

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