Ebersberg:Protestzug der Milchbauern

Landwirte aus der Region fahren auf der B 304 nach München, um gegen die sinkenden Preise zu demonstrieren

Von Jessica Morof, Ebersberg

- Banner, Fahnen, Protestplakate: An diesem Dienstagmorgen reiht sich an der Bundesstraße 304 von Ebersberg zum Odeonsplatz in München Traktor hinter Traktor. Denn im Zuge einer bundesweiten Staffelfahrt machen sich nun etwa 250 Mitgliedsbetriebe des Bundesverbands Deutscher Milchviehalter (BDM) aus dem Südosten Deutschlands auf den Weg. Das Ziel der Milchbauern ist, die Politiker wachzurütteln und auf die aktuelle Milchkrise hinzuweisen. "Bundesminister Schmidt, Bundeskanzlerin Merkel, es reicht!", reklamiert der Verband in einem Protestschreiben und fordert: "Jetzt sofort wirksam handeln!"

Auslöser für die deutschlandweiten Protestfahrten ist der Milchpreisrückgang um 13 Cent je Kilogramm Milch gegenüber 2013. Tendenz weiter fallend. Für den BDM ein Grund, sich an die Politik zu wenden und Unterstützung einzufordern. Der Staat soll kurzfristige Maßnahmen wie die Deckelung von EU-Milchanlieferungen ergreifen und ebenso langfristige Regelungen festlegen, um die Milchmengen zu reduzieren. Doch nicht alle Branchenvertreter sehen das wie der Verband.

Weniger als 30 Cent bekommen die konventionellen Bauern im Landkreis aktuell für einen Liter Milch. "Das liegt deutlich unter dem Herstellungspreis", sagt Anton Soyer. Er ist Mitglied und zweiter Landkreisvertreter beim BDM. Um wirtschaftlich zu produzieren, müssten es mindestens 40 Cent sein.

Die Gründe für die sinkenden Preise sind vielfältig: das Überangebot durch weltweit steigende Produktionsmengen sowie den Importstopp in Russland und die Wirtschaftskrise in China. Manche Branchenvertreter, beispielsweise der BDM, sehen einen Grund im Wegfall der Milchquote seit April dieses Jahres. Zudem steht der Lebensmitteleinzelhandel in der Kritik, mit Discountern die Preise zu drücken. Gegen "die Schleuderpreise" demonstrierten jüngst Mitglieder des Bayerischen Bauernverbands vor einem Discounter in Ebersberg. Wer hat also Schuld an der Krise? Die Antwort hängt von der Perspektive ab.

Denn was der Bauernverband als ruinösen Preiskampf bezeichnet, verteidigt der Einzelhandel als einfaches Preisgestaltungsgesetz. Es gebe eben mehr Milch als Nachfrage danach. "Wir sind daran nicht schuld; wir verhalten uns nur wie es üblich ist auf dem Markt", sagt Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern. Natürlich habe er grundsätzlich Verständnis, schließlich gehe es um Existenzen. "Aber uns den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist eben auch nicht richtig."

Auch die Molkereien schieben die Verantwortung von sich. Das Alpenhain Käsespezialitäten-Werk lässt in einem allgemeinen Statement auf Nachfrage der SZ verlautbaren: "Die Talfahrt der Preise begann bereits Anfang 2014 und hält nach wie vor an. Damit stehen natürlich auch die Molkereien unter einem enormen Preisdruck." Und den geben diese Betriebe an den nächsten weiter. Das habe aber nichts mit der aufgehobenen Quotenregelung zu tun, sondern nur mit der schlechten Nachfrage.

Gleiches betont auch Martin Höher vom Bauernverband. Es sei eher Zufall, dass die Quotenaufhebung mit dem Preissturz zusammenfällt. Schließlich gebe es seit dem 1. April ja nicht auf einen Schlag zusätzliche Milchkühe. "Jeder versucht natürlich, so viel zu produzieren, wie er kann", sagt Höher. "Wie in einer anderen Firma eben auch."

Doch genau darin liege aktuell eben das Problem der Milchwirtschaft, ist sich Soyer sicher: "Jetzt darf jeder so viel produzieren, wie er möchte." Und viele täten das auch - zum Schaden für die anderen Landwirte. "Es kann eben nicht jeder noch mehr produzieren." Dafür fehle es einigen an Fläche und überhaupt sei es auch schädlich für die Preisgestaltung. Aus diesem Grund fordert der BDM eine Kontingentregelung. "In welcher Form ist allerdings noch die Frage", sagt Soyer. Möglich sei dies aber nur, wenn es eine starke Interessenvertretung rein für Milchbauern gebe.

Bis die Forderungen umgesetzt werden, bleibt den Bauern - neben Protestaktionen - nur abzuwarten. Martin Höher möchte beobachten, wie sich der Markt entwickelt, vielleicht ergibt sich in einiger Zeit die Möglichkeit, den Betrieb zu erweitern. Anton Soyer versucht hingegen, sich breit aufzustellen, sich etwas aus der Milchproduktion zurückzuziehen und sich anderen, rentableren Dienstleistungen zu widmen; beispielsweise erneuerbaren Energien. Letztlich liege der Preis in Händen der Verbraucher, denn sie stünden am Ende der Milchkette. Doch der Kunde greife gerne zu den günstigsten Angeboten.

Immerhin in diesem Punkt sind sich die Branchenvertreter einig: Die Deutschen seien nun mal Schnäppchenjäger und suchten sich die besonders günstige Ware aus, lautet Bernd Ohlmanns Fazit. Und die bekomme der Kunde dann eben. Man müsse an die Verbraucher appellieren, nicht die günstigste Milch zu kaufen, sagt auch Martin Höher. "Denn sie können es prinzipiell entscheiden." Und Soyer hofft, "dass das Leben den Menschen irgendwann wieder mehr wert ist als neue Autos oder der Urlaub."

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