Ebersberg:Nachbarschaftshilfe für Vaterstetten

Musiker, Künstler und Artisten aus Grafing gestalten im Alten Speicher in Ebersberg einen beeindruckenden Benefizabend zugunsten eines Bürgersaals für die Großgemeinde

Von Claus Regnault, Ebersberg

Vaterstetten hatte seine drei Bürgermeister entsandt, auch Landrat Robert Niedergesäß, früherer Bürgermeister der Großgemeinde, gab der Benefizveranstaltung zugunsten des lange und bisher erfolglos geplanten Bürgerhauses für Vaterstetten (eine schon beauftragte Baufirma war pleite gegangen) die Ehre. Vaterstetten musste also für den Abend im Zeichen des von den Bürgern seiner Gemeinde sehnlich herbei gewünschten Bürgerhauses Zuflucht in dem beispielhaft repräsentativen Saal des Alten Speichers im Klosterbauhof Ebersberg suchen.

Der Saal war fast voll, wenn wohl auch mehrheitlich von Grafingern und Ebersbergern. Was stattfand, war also eine Art Nachbarschaftshilfe für Vaterstetten mit einem Festprogramm, welches Größen des Grafinger Kulturlebens bestückten. Denn sowohl die in Grafing lebende Klezmersängerin Nirit Sommerfeld wie auch die jugendliche Akrobatikgruppe "Movimento", aus dem Grafinger Gymnasium hervorgegangen, wie auch die Big Band Swinging G's (das große "G" bedeutet Grafing), sie alle haben Herkunft und Heimat in Grafing. Alle Mitwirkenden haben, dem Sinn der Veranstaltung entsprechend, auf Honorar verzichtet.

Ebersberg: Ebersberg Alter Speicher Swinging G's

Ebersberg Alter Speicher Swinging G's

(Foto: Christian Endt)

Claudia Lohmann, erste Vorsitzende des Vereins "Bürgersaal für Vaterstetten e.V.", hielt einen eindringlichen Vortrag über Sinn und Zweck der Veranstaltung und bat um Unterstützung, wenn möglich in Form des Beitritts zum Verein. Dann eröffnete die Grande Dame der heimischen Performancekunst, die in Israel geborene Nirit Sommerfeld, begleitet von zwei Musikern ihrer Gruppe "Klezmorim", dem e-Pianisten Robert Probst und dem Posaunisten Pit Holzapfel das Programm. Sommerfeld verwirklicht nicht nur durch die Stimme, sondern auch in ihrer schönen, den Klezmergesang körperlich mitgestaltenden Erscheinung die emotionale Gewalt dieser ostjüdischen Folklore. So brachte sie die traurige Gegenwart des israelisch-palästinensischen Konflikts in dem klassischen Friedenslied "Shalom" zu tief berührender Erfahrung. Das Publikum hatte die Message, gemessen an seinem intensiven Beifall, verstanden.

Und dann kam "Movimento". 25 elf- bis zwanzigjährige Jugend führte bezwingend vor, welch akrobatischer Kunst ein beherrschter Körper fähig ist. Diese technisch perfekte Gruppe vermittelt nicht nur Kunststücke, darunter teilweise beängstigende, gerade noch abgefangene Abstürze, oder die den Frauen vorbehaltenen spektakulären Einrad-Darbietungen. Die Gruppe strahlt auch jugendliche Freude am eigenen Tun und am eigenen Körper aus und wird damit zu einem Zukunft verheißenden Bild der Jugend und Gegenbild zu jenen jungen Ausreißern, die sich im Wüstensand im Töten unterrichten lassen.

Ebersberg: Ebersberg Alter Speicher Movimento

Ebersberg Alter Speicher Movimento

(Foto: Christian Endt)

Nach der Pause der erfrischend fetzige Sound der "Swinging G's" unter Leitung ihrer Dirigentin Anja Bernhard. Bernhard ist der Motor der Truppe, modelliert mit den Armen nicht nur die Einsätze der verschiedenen Gruppen, sondern auch deren Sound. Im Takt des jeweiligen Stücks vor der Band auf- und abgehend, bringt sie die 18 Musiker dazu, Lust an der eigenen musikalischen Bewegung zu empfinden. Die Band hat sich unter ihrem präzisen Dirigat spürbar entwickelt, ist zu einer das Publikum enthusiasmierenden Big Band gewachsen, in der auch die eine oder andere Improvisation Platz hat. So sind auch ihre eigenen solistischen Beiträge auf dem Flügelhorn technisch gewachsen, so unter anderem in einem verführerischen südamerikanischen Arrangement von Victor Lopez. Das Repertoire ist klassischer Jazz (Benny Goodman's "Sing Sing Sing", unverwüstliches Thema von Louis Prima, oder "When the Saints go marching in"). Mehrere Titel von Glenn Miller ließen allerdings die für seinen Sound typische Klarinettenstimme vermissen. Sie war, wie es hieß, "in anderen Umständen" und daher an diesem Abend nicht präsent. Ein Höhepunkt war der Auftritt des Baritonsaxofonisten Moritz Fischer, der den Lieblingssong von Sammy Davis jr., "Mr. Bojangles", als Erinnerung an den größten Stepptänzer aller Zeiten gesanglich, wenn auch nicht steppend, zum Besten gab. Den Stepper verkörperte ein Movimentostar, der mit weißen Kugeln virtuos jonglierend die Tanzschritte nachvollzog.

Das Publikum entließ die Band erst nach zwei Zugaben. Der ganze Abend war in seiner farbigen Vielfalt eine Schau und es bleibt zu hoffen, dass Vaterstetten in naher Zukunft in einem vergleichbaren Saal ein vergleichbares Programm darbieten kann.

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