Ebersberg:"Mildernde Umstände"

Ein Steuersünder muss weniger Strafe zahlen - dank Arztattest

Von Max nahrhaft, Ebersberg

- In dem Wort Selbstständigkeit schwingen Begriffe wie Freiheit, Unabhängigkeit und Gewinnstreben mit. Es gibt aber durchaus auch negative Aspekte von Selbstständigkeit: Diese hat ein Firmengründer vor dem Amtsgericht in Ebersberg mehr als nur einmal zu spüren bekommen.

Dem 27-Jährigen wird Insolvenzverschleppung zur Last gelegt, wegen der Veruntreuung von Arbeitsentgelten war er bereits rechtskräftig verurteilt worden. Der Kaufmann hatte im Frühjahr letzten Jahres Arbeitnehmeranteile für die gesetzliche Sozialabgabe in Höhe von über 7000 Euro vorenthalten. Weil er die Strafe für unangemessen hielt, legte der 27-Jährige Einspruch gegen das Urteil ein und legte nun ein ärztliches Attest vor, das ihm eine schwere psychosomatische Störung bestätigte. "In Folge dieser Erkrankung war es mir nicht mehr möglich, den Überblick über alle geschäftlichen Angelegenheiten zu behalten", erklärte der 27-Jährige vor Gericht. Irgendwann habe er nur noch das erledigt, was oben auf dem Stapel lag. "Ich hatte keine Struktur mehr in meinen Arbeitsabläufen und habe dann schlichtweg übersehen, die Sozialversicherung zu bezahlen", sagte der Unternehmer. Die Krankheit sei berufsbedingt, da er im Job unter permanentem Stress gestanden habe und bei der täglichen Arbeit im Büro keine Möglichkeit mehr gefunden habe, sich zu entspannen.

Die Richterin befand es als "merkwürdig", dass die Diagnose nur wenige Tage nach Bekanntwerdung der Insolvenzverschleppung erging und nicht schon in den Monaten vorher. "Eine solche Erkrankung kommt nicht von heute auf morgen, das ist eher ein schleichender Prozess", so der Einwand der Richterin. Der 27-Jährige begründete sein Verhalten damit, dass man die Krankheit als Betroffener nicht bemerke, erst recht nicht, wenn es zu spät ist. "Erst meine Freunde haben mich darauf aufmerksam gemacht, als ich tagelang nicht geschlafen habe", so der Geschäftsmann. Kurz nach dem Vorfall ging es auch mit seiner Firma finanziell zu Ende. Der 27-Jährige meldete Privatinsolvenz an, die sich auf eine Gesamtsumme von fast 170 000 Euro belief.

Die Geldstrafe für die Insolvenzverschleppung wurde schlussendlich wegen "mildernder Umstände" auf 120 Tagessätze zu je 15 Euro reduziert. Seine Krankheit zum damaligen Zeitpunkt fiel dabei ebenso ins Gewicht wie die Tatsache, dass er die ausstehenden Sozialabgaben nachzahlte. "Inzwischen habe ich alle fälligen Abgaben beglichen und zahle zudem monatlich 200 Euro für die Schadenswiedergutmachung", sagte der Verurteilte.

Bis heute sei er in ambulanter Therapie, um die Symptome zu lindern und die Krankheit zu überwinden, so der 27-Jährige. Seit längerem arbeitet er wieder und leitet als Geschäftsführer einen kleinen Catering-Service. Er ist nun wieder in verantwortungsvoller Position tätig. Die Selbstständigkeit führt nicht immer zu Reichtum, dafür aber manchmal auf direktem Weg vor Gericht.

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