Ebersberg:Mehr Betreuung für Asylbewerber

Mit einem Kniff will der Landkreis der Regierung von Oberbayern Personal abtrotzen. Dazu sollen die Flüchtlingsunterkünfte in Grafing und Ebersberg zusammengelegt werden. Entlastung bringt das aber nur kurz.

Von Carolin Fries

Wenn es nach Stefanie Geisler geht, werden die Asylbewerber in ihren Unterkünften in Ebersberg und Grafing womöglich schon in wenigen Wochen nicht mehr vom Landratsamt betreut, sondern von der Regierung von Oberbayern. Der Landkreis plant, die Unterkünfte in beiden Städten als Gemeinschaftsunterkunft "zusammenzufassen", wie die Leiterin der Abteilung Soziale Angelegenheiten sagt. Als Gemeinschaftsunterkunft (GU) würde Grafing und Ebersberg dann Personal von der Regierung zur Seite gestellt. "Das entlastet ungemein", sagt Geisler. Sie organisiert die Betreuung der 387 Asylbewerber im Landkreis, die in 28 dezentralen Unterkünften im Landkreis untergebracht sind.

Aktuell stehen Geisler für die Betreuung aller Asylbewerber in der Verwaltung 2,5 Stellen und eine volle Hausmeisterstelle zur Verfügung. Für die Sozialberatung und Integration sind es zwei volle Stellen. Auf einem anderen Zettel steht die Betreuung der 27 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, für die der Landkreis mit einer Teilzeitkraft (50 Prozent) sorgt. Für die 16- und 17-Jährigen in Zorneding ist das Jugendamt der Stadt München zuständig.

In Grafing leben aktuell 104 Flüchtlinge, in Ebersberg 122. Durch die nachbarschaftliche Lage habe sich eine Art "Mittelzentrum" entwickelt, wie Ebersbergers Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) sagt. Er unterstützt die Idee, ebenso Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). "Wir brauchen unbedingt mehr Betreuung", sagt sie. "Die Stimmung ist gut, aber ich möchte nicht, dass das kippt." Stefanie Geisler und ihr Team würden durch eine anerkannte Gemeinschaftsunterkunft entlastet - wenn auch nur theoretisch: Bereits in den kommenden Tagen und Wochen rechnet man mit weiteren Flüchtlingen. Zudem bleibt die Verwaltung im Landratsamt, also die Organisation der Deutschkurse, die Mittelauszahlung oder Krankenscheinausgabe. Doch die soziale Betreuung würde unterstützt, wenn die Regierung etwa eine Hausleitung bereitstellt oder eine Pädagogin. Laut Geisler gelten 100 Personen als Richtwert, um eine Stelle finanziert zu bekommen. Es könnte darum auch sein, dass die Regierung zwei GUs anerkennt oder aber die Turnhallenquartiere als solche zusammenfasst. Am kommenden Montag, 20. Oktober, soll es erste konkrete Gespräch zwischen Landratsamt und Regierung von Oberbayern geben.

Erst registrieren, dann unterkommen

378 Flüchtlinge sind momentan im Landkreis Ebersberg untergebracht. Wann die nächsten Asylbewerber ankommen, ist laut Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin des Landratsamts, offen. Die Zustände in der vollkommen überfüllten Bayernkaserne, in der die Menschen sogar unter freiem Himmel und ohne Decken schlafen müssen, haben auf den Landkreis keine Auswirkungen - erst einmal. "Die Regierung von Oberbayern weist uns Asylbewerber zu. Der Landkreis muss reagieren, wenn jemand geschickt wird", erklärt Evelyn Schwaiger die Prozedur. In der Bayernkaserne als Erstaufnahme-Einrichtung werden die Flüchtlinge registriert, medizinisch untersucht - und erst danach von der Regierung von Oberbayern an die Landkreise verwiesen. Bevor der bürokratische Weg nicht gegangen ist, kann der Kreis also nicht eingreifen oder helfen. Das Einzige, was die Zustände in der Bayernkaserne lindern kann, sind Schwaiger zufolge Außenstellen wie in Fürstenfeldbruck und in Garmisch-Partenkirchen.

Im Landkreis Ebersberg wird mittlerweile die Turnhalle an der Seerosen-Förderschule in Poing als Notunterkunft hergerichtet; voraussichtlich werden hier aber erst mit dem nächsten Schwung Asylbewerber unterkommen. Die Benachrichtigung, wann die nächsten Flüchtlinge ankommen, erfolge oft sehr unmittelbar, sagt die Pressesprecherin des Landratsamts: ein, zwei Tage im Voraus, manchmal noch kurzfristiger. Um Wohnraum für Asylbewerber zu finden, sucht der Landkreis aktiv über Makler, startet Presseaufrufe, tritt mit Institutionen und Kirchengemeinden in Kontakt. Es gebe immer wieder Privatpersonen, die dem Kreis Wohnungen zur Verfügung stellen, "aber das reicht nicht aus". Dass wie in München Mitarbeiter des Landratsamtes durch den Landkreis fahren und leerstehende Gebäude suchen, sei personell nicht machbar. Außer der Seerosen-Förderschule in Poing ist die Turnhalle in Ebersberg in Beschlag genommen, in Grafing sind die Flüchtlinge am Gymnasium in Containern untergebracht. imei

Sollte die Regierung die Gemeinschaftsunterkunft anerkennen, würde sich für die Bewohner der Häuser in Ebersberg und Grafing laut Geisler kaum etwas ändern. Sicherlich gebe es neue Gesichter, doch "die Betreuung durch die Regierung soll sehr gut sein", sagt Geisler. Sie rechnet fest damit, dass die Gemeinschaftsunterkunft anerkannt wird, auch der Grafinger Landtagsabgeordnete Thomas Huber (CSU) hat ein "gutes Gefühl". Er hat sich zuletzt stark für dieses Modell eingesetzt, welches laut Huber auch im Landkreis Dachau geprüft wird. "Ich denke, dass dieses Modell noch Schule machen wird", sagt Huber - etwa wenn in Zorneding und Vaterstetten die Unterkünfte bezogen werden. Eine Möglichkeit, die auch Stefanie Geisler bereits im Auge hat. Sie lobt ihr Team, das gut funktioniere, auch weil es "stark zusammenhält". Dennoch sei es "sinnvoll, dass die Regierung einsteigt", wie sie sagt.

Zusätzliche Entlastung in der Betreuung erwartet man sich darüber hinaus durch die vom Landtag finanziell aufgestockte Asylsozialberatung. Diese übernehmen in Bayern die Träger der freien Wohlfahrtspflege, unter anderem die Caritas. Bei Kreisgeschäftsführer Andreas Bohnert liegt bereits ein Antrag an die Regierung dem Tisch. Er sieht "dringenden Bedarf" an Sozialarbeitern. So gelte es nicht nur, die Asylbewerber bei Alltagsproblemen, etwa bei Behördengängen oder bei der Arztsuche zu unterstützen, sondern auch um eine Koordination der Ehrenamtlichen. "Die hängen manchmal in der Luft", sagt Bohnert. Thomas Huber sagt, "man muss aufpassen, die Helfer nicht zu überfordern".

Von dem mit dem Landratsamt abgestimmten Antrag verspricht sich Bohnert zwei Sozialpädagogen, die gemessen an der Zahl der beherbergten Flüchtlinge den einzelnen Landkreisen zugeteilt werden. Aktuell ist davon auszugehen, dass pro 150 Asylbewerber eine Vollzeitkraft genehmigt wird. Die Sozialpädagogen, um die sich Bohnert "vorbereitend" bereits bemüht hat, würden dann zu 70 Prozent vom Freistaat bezahlt, 30 Prozent würde der Landkreis bezahlen. Noch in dieser Woche ist ein Gespräch zwischen Geisler und Bohnert geplant. Thomas Huber rechnet damit, dass die Pädagogen bereits "in wenigen Wochen" ihre Arbeit aufnehmen könnten.

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