Gewalt in Beziehungen:Unterdrückung per Brieftasche

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Silvia Bothe, Christiane Warnke und Tanja Hafner (von links) warnen davor, sich finanziell vom Partner abhängig zu machen. (Foto: Christian Endt)

Psychische und ökonomische Formen der Gewalt haben stark zugenommen. Ein Ehevertrag kann oft das Schlimmste verhindern.

Von Carolin Fries

Der Frauennotruf in Ebersberg ist alarmiert: Im Bereich der häuslichen Gewalt haben psychische und ökonomische Formen der Gewalt stark zugenommen. "Körperliche Gewalt gibt es nach wie vor, viel eher aber dreht der Mann heutzutage den Geldhahn zu", weiß Rechtsanwältin Christiane Warnke aus Zorneding. Sie bietet einmal im Monat eine kostenfreie Beratung für Hilfesuchende beim Frauennotruf an. Wie Frauen sich frühzeitig absichern können und was es darüber hinaus zu beachten gibt, erklärt sie im Interview zusammen mit den Sozialpädagoginnen Tanja Hafner und Silvia Bothe vom Frauennotruf anlässlich des "Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen" an diesem Mittwoch.

SZ: Sie sagen, die Zahlen seien alarmierend. Wie viele Frauen wenden sich an den Frauennotruf, weil sie psychische und ökonomische Gewalt erleben?

Tanja Hafner: Wir hatten im vergangenen Jahr 156 Fälle von häuslicher Gewalt, etwa zwei Drittel davon fallen in die genannten Kategorien.

Christiane Warnke: Das Emotionale ist das eine, das Rechtliche das andere. Oft bedingt das eine das andere.

Im Klartext: Frauen wird gedroht, im Falle einer Trennung mit leeren Händen dazustehen.

Warnke: Ja, weil auch der Gesetzgeber keine Lebensstandard-Garantie gibt! Seit der Unterhaltsreform im Jahr 2008 soll jeder für sich verantwortlich sein und seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften bestreiten. Bei der Erziehung gemeinsamer Kinder sollen die Unterhaltszahlungen nach drei Jahren für die Ehefrau enden.

Silvia Bothe: Steht dann eine Trennung im Raum, nutzen Männer die Situation aus. Sie machen gezielt Druck und drohen, ihre Frau fertig zu machen.

Geht das denn so einfach?

Bothe: Nach einer Statistik des Bundesverbandes der Frauennotrufe haben Männer nach einer Scheidung sieben Prozent weniger Einkommen als davor. Bei Frauen sind es im Schnitt 44 Prozent. Viele Frauen sind in der Ehe schon finanziell von ihren Männern abhängig. Mit einer Trennung sind sie existenziell bedroht.

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Weil sie in der Regel weniger Geld verdienen, in der Folge zu Hause bei den Kindern bleiben und womöglich nicht mehr zurück in den Job finden. Ein Teufelskreis.

Hafner: In den überraschenderweise gerade auch sehr gut ausgebildeten Frauen geraten. Weil sie aus Berufen kommen, in die der Wiedereinstieg schwerer fällt.

Wie kann man dieser Form von Gewalt vorbeugen?

Warnke: Nur mit einem Ehevertrag. Dort muss festgelegt sein, dass sich die Ehepartner im Falle einer Scheidung ausgleichend und länger zu Unterhaltszahlungen verpflichten, als es der Gesetzgeber vorsieht.

Hafner: Unsere Erfahrung zeigt, dass die Ausübung ökonomischer Gewalt gut funktioniert, wenn die Frauen nicht vorgesorgt haben.

Die meisten Ehen werden vermutlich ohne Vertrag geschlossen. Geht das auch nachträglich?

Warnke: Ein Ehevertrag ist jederzeit möglich. Eine Ehe schließt man für gute und schlechte Zeiten, da sollte es doch angebracht sein, für die schlechten Zeiten vorzusorgen. Eine Mandantin sagte mir einmal, es heiße Ehevertrag, weil dieser das Vertragen regelt. Der Ansatz gefällt mir.

Was ist mit Paaren, die nicht verheiratet sind?

Warnke: Da gibt es vergleichbare Partnerverträge. Grundsätzlich kann man sagen, dass Frauen aus einer Partnerschaft ohne einen Vertrag schlechter gestellt wären als Frauen aus einer Ehe.

Hafner: Das ist nicht das Monster Mann mit Bierflasche und Feinripp-Unterhemd, sondern der beruflich erfolgreiche Mann, der sich gerne über den Erfolg - auch den einer augenscheinlich guten Ehe - definiert. Gefährlich wird es oft, wenn sich solche Männer plötzlich unterlegen fühlen, weil sie etwa den Job verlieren oder aber die Frau einen Karriereschritt macht. Dann wird Gewalt zu einer Lösungsstrategie, den gewünschten Zustand der Überlegenheit wieder herzustellen.

Was kostet denn ein Ehe- oder Partnervertrag ?

Warnke: Es gibt keinen fixen Preis. Das Honorar richtet sich nach dem Gegenstandswert, das ist das Vermögen beider Ehepartner, und natürlich nach dem Umfang des Vertrags. Über die Kosten wird aber vorher gesprochen und in der Regel ein Betrag vereinbart. Grundsätzlich kann man sagen, umso jünger die Eheleute, umso billiger ist ein Vertrag.

Wie oft sind Kinder bei gewaltbelasteten Beziehungen im Spiel?

Hafner: Sehr oft und unserer Erfahrung nach wird der Umgang mit den Kindern auch benutzt, um weiterhin Druck auf die Expartnerin auszuüben

Warnke: Es ist immer wieder problematisch, wenn eine Trennung gerade einmal auf dem Papier vollzogen ist, aber noch nicht emotional, und das Gericht den Umgang mit den Kindern klären will. Gerade Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, zum Teil traumatisiert sind, bräuchten da länger Zeit. Da würde ich mir manchmal mehr Sensibilität von den Gerichten wünschen.

Hafner: Traumatisierte Frauen sind in der schwierigen Situation, dem Täter bei Gericht wieder gegenüber stehen zu müssen, was Ängste auslösen kann. Vor Gericht kann es sein, dass eine traumatisierte Frau kaum einen Ton rausbringt, während der Mann den treusorgenden Familienvater gibt und somit leichter Gehör findet.

Bothe: Die Frauen sind in einer dauerhaften Anspannung. Ist die Trennung geschafft, bleibt der gewalttätige Kontakt wegen der Kinder bestehen, das heißt die Möglichkeit, die Frau zu beleidigen, zu bedrohen und zu manipulieren. Da laufen dann eiskalt geplante Manöver der Täter.

Geld bleibt aber auch dann ein Druckmittel.

Hafner: Klar, der Papa nimmt die Kinder mit zum Ski fahren oder spendiert das Handy. Die Kinder stehen bei einer gewaltbelasteten Beziehung auch nach einer Trennung oft nicht im Mittelpunkt und das ist in meinen Augen unverständlich. Kinder brauchen besonders in einer Krise stabile Bezugspersonen, was durch Angriffe gegen die Mutter, wie etwa Geldentzug, unterlaufen wird.

Warnke: Es gibt auch genügend Männer, die zwar zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurden, aber nicht zahlen. Und die Frauen können dagegen kaum etwas tun.

Was raten Sie jungen Frauen und Mädchen vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen?

Hafner: Liebe Mädchen, passt auf! Sehr oft, das sehen wir in unseren Präventionskursen, herrscht eine sehr romantische Vorstellung von der Ehe bei jungen Mädchen vor.

Warnke: Romantik, die sie später teuer zu stehen kommt. Fakt ist, dass jede zweite Ehe im Großraum München geschieden wird. Beziehungen scheitern, das ist leider die Realität. Wer keinen Ehevertrag abschließt, schließt einen Vertrag mit dem Staat und den gesetzlichen Regelungen.

Am Mittwoch, 25. November, hält Rechtsanwältin Christiane Warnke im Mehrzweckraum im Familienzentrum in Ebersberg, Von-Feury-Straße 10, einen Vortrag über Trennungs- und Scheidungsverfahren und erklärt, wie man ökonomischer Gewalt vorbeugen kann. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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