Ebersberg:Lebst Du noch oder stirbst Du schon?

Ebersberg: Auch im sexy Leopardenkostüm erlebt man die Kabarettistin Sissi Perlinger, wie sie Alter und Tod den Stachel zu nehmen versucht.

Auch im sexy Leopardenkostüm erlebt man die Kabarettistin Sissi Perlinger, wie sie Alter und Tod den Stachel zu nehmen versucht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sissi Perlinger stellt an drei Abenden im Alten Kino Ebersberg ihr neues Programm "Ich bleib dann mal jung" vor. Ihre Pointen sind ein Vergnügen, ihre Figuren überzeugend

Von Peter Kees, Ebersberg

Sie ist präsent, schrill, witzig, theatralisch. Sie ist eine Meisterin des Kabaretts: Sissi Perlinger. An drei Abenden spielte sie die Premiere ihres neuen Programms "Die Neuen Alten" im Alten Kino in Ebersberg. Ums Älterwerden ging es, oder wie sie ihr Programm auch betitelt: "Ich bleib dann mal jung".

Die Bühne ist fast leer, lediglich ein Rollator im Halbdunkel gibt bereits vor Beginn einen Ahnung davon, worum es in den kommenden Stunden gehen wird. Als sie auftritt, die Diva, Entertainerin, Sängerin und Schauspielerin, hebt tosender Applaus an. "Herzlich willkommen zu meiner öffentlichen Probe", begrüßt sie das Publikum. Ihr Lampenfieber ist spürbar. Noch am Vorabend habe sie an den Texten gearbeitet, geändert, gekürzt und gestrichen.

Die großen Krisen ihres Lebens greift sie darin auf. Das Alter sei für sie keine Krise, vielmehr eine Vorwegnahme dessen, was noch vor ihr liege. Und tatsächlich spürt man auch Angst, die mitschwingt. Derb wird sie, schrill, frech, ironisch. Perlinger spricht von den heutigen, den neuen Alten, die eben gänzlich anders sind, als Alte es früher waren. Deren Selbstverständnis habe sich völlig geändert. Den typisch nörgelnden Alten von anno dazumal gäbe es so nicht mehr. Auch das Alter an sich sei anders, denn heute sei man nur so alt, wie man sich mache - und Lügen gehöre dabei unbedingt zum Handwerk. Mit sarkastischen Witzen, pointierten Kalauern, bitteren Späßen reitet sie durch den Abend, und es bereitet großes Vergnügen, mit ihr durchs Programm zu fliegen.

Auf der Bühne ist eine schwarze Wand aufgestellt, hinter der sich Perlinger immer wieder umzieht, um in andere Rollen zu schlüpfen. Und da ist sie wahrlich ganz groß, ob als Figur der alternden 68erin Marlene Schickedanz oder in kleinen Rollen bei einer fingierten TV-Liveschaltung mit Statements zum Thema Alter. Perlinger ist eine exzellente Schauspielerin. Ihre Figuren sind überzeugend gezeichnet, man sieht nicht mehr Sissi Perlinger, sondern diejenigen, die sie spielt. Das ist absolut gekonnt. Und plötzlich sitzt sie an Gitarre und Schlagzeug und singt. Auch in ihren Liedern ist sie brillant. Perlinger gilt nicht umsonst als Multitalent. Humor hat sie und unterhalten kann sie prächtig. Und sie traut sich auch an heikle Themen, spielt mit Krankheiten und Gebrechen und macht selbst vor dem Tod keinen Halt. Ja, das ist die Konsequenz aus dem Älterwerden: Jeder Kellner gibt irgendwann den Löffel ab und selbst die Pfarrer müssen irgendwann daran glauben, sagt sie. Dass die Beerdigung der teuerste Tag im Leben sei, das will ihr dann doch nicht in den Kopf. Lieber Party vorher, als Einladung zur eigenen Beerdigung, und dann feiern bis zum Abwinken - hinterher Bungee-Jumping mit dem Seil um den Hals.

Natürlich kommt sie auch auf das Gegenteil des Alters zu sprechen, auf den Jugendwahn. Auch andere weiblichen Themen wie Schönheits-OPs oder die Wechseljahre greift sie auf. Da steht sie im hautengen, sexy Leopardenkostüm, in das sie ihre Figuren kleidet. Eine poetische Antwort auf die Angst vorm Tod bietet sie dann doch noch an: die Reinkarnation. Und verwandelt sich in eine Flamencotänzerin, eine orientalische Bauchtänzerin, eine trommelnde Indianerin oder Schamanin - in die Hunderttausendjährige, die so oft aus dem Fenster stieg und verschwand. Die Alten heute, das sind die Hippies der 68-Generation, bald werden es Punks sein, und so geht es von Generation zu Generation immer weiter. Zum Ende ihres Programms bringt sie ihre Botschaft an: Weg von der Profitgier, hin zu mehr Mitgefühl.

Am Ende dankt sie ihrem Publikum für den Probenbesuch. Als Zuschauer fühlt man sich indes gar nicht in einer Probensituation, ganz im Gegenteil. Der Abend hat funktioniert, sehr gut sogar. Sissi Perlinger legt hier abermals ein Programm auf, in dem sie ihre Klasse beweist. In Ebersberg tobte das Publikum. Und noch eine Botschaft gibt sie den Zuschauern mit auf den Weg: Auch im Alter ist es möglich, das Leben aktiv zu gestalten, besser noch: nicht erst im Alter.

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