Nach Überfall auf Döner-Imbiss:Kritische Ermittlungen

Geht die Polizei zu lax mit rechtsradikalen Straftätern um? Nach dem Überfall in Ebersberg gibt es Stimmen, die das Vorgehen der Ordnungshüter hinterfragen.

Von Isabel Meixner und Christian Endt, Ebersberg

Nachdem am Freitagabend acht Rechtsradikale einen Döner-Imbiss am Ebersberger S-Bahnhof mit Hämmern, einer Stange und einem Messer überfallen und dabei zwei Afghanen verletzt haben, werfen die Tat und das Vorgehen von Staatsanwaltschaft, Staatsschutz und Polizei Fragen auf: Warum wurden die Angreifer wieder auf freien Fuß gesetzt? Warum wird nicht wegen versuchten Totschlags oder versuchten Mordes ermittelt, wenn die Angreifer doch ein Messer bei sich führten? Gibt es eine rechte, gewaltbereite Szene im Landkreis Ebersberg?

Die Polizei ermittelt derzeit gegen vier Angreifer wegen gefährlicher Körperverletzung, nicht aber wegen Landfriedensbruchs. Dieser Tatvorwurf könne nur bei einer Gruppengröße von mindestens zehn Personen gehalten werden, erklärt Max Ganser, der ermittelnde Beamte der Abteilung Staatsschutz der Kripo Erding. Das Döner-Lokal sollen - Ermittlungsstand am Montag - nur vier der Verdächtigen überfallen haben, die anderen vier standen vor der Tür, wie der Ermittler sagt.

Nach Überfall auf Döner-Imbiss: Große Solidarität zeigen die Ebersberger Bürger mit den Opfern des fremdenfeindlichen Angriffs auf den Döner-Imbiss am Bahnhof.

Große Solidarität zeigen die Ebersberger Bürger mit den Opfern des fremdenfeindlichen Angriffs auf den Döner-Imbiss am Bahnhof.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Tötungsabsicht verneinen Polizei und Staatsanwaltschaft. Zwar habe ein Angreifer einen der drei Anwesenden mit einem mitgebrachten Messer an der Hand verletzt, doch sei das offenbar bei einer "Abwehrreaktion" passiert, sagt Ken Heidenreich, Sprecher der Staatsanwaltschaft München II: "Nur wenn jemand ein Messer mitbringt, ist er noch kein versuchter Totschläger."

Nach Überfall auf Döner-Imbiss: Ein Anschlag an der Eingangstür des Imbisses erinnert an die im Grundgesetz verankerte Würde des Menschen.

Ein Anschlag an der Eingangstür des Imbisses erinnert an die im Grundgesetz verankerte Würde des Menschen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Gefahr, dass die Tatverdächtigen ihre Absagen absprechen, sieht er nicht: "Dafür braucht es Anhaltspunkte, dass es etwas zu verdunkeln gibt." Neben den Zeugenaussagen wertet die Polizei auch Videoaufnahmen vom Bahnhof aus. Die Tatverdächtigen sind noch nicht vernommen worden.

Die sieben Männer und eine Frau - alle wohnen im Landkreis Ebersberg - waren unmittelbar nach dem Überfall in einer Wohnung festgenommen worden. Alle Männer sollen unter anderem wegen Nötigung, Körperverletzung, Diebstahl und Drogendelikten vorbestraft sein, keiner allerdings wegen rechtsradikaler Straftaten. Als Gruppe hätten sie noch keine Straftaten begangen, sagt Staatsschützer Ganser. Weil alle acht einen festen Wohnsitz haben, sei nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft München II gegen sie kein Haftbefehl erlassen worden.

Nach Überfall auf Döner-Imbiss: Mehrere Fernsehsender schicken Drehteams in die Kreisstadt.

Mehrere Fernsehsender schicken Drehteams in die Kreisstadt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gibt es eine aufstrebende rechte Szene im Landkreis? Auf diese Frage antwortet Ganser mit einem entschiedenen Nein: "Es gibt überall welche, die zu stark rechts tendieren, genauso wie nach stark links." Allerdings räumt er ein, dass mit der Flüchtlingsthematik rechtes Gedankengut zugenommen habe.

Das hat auch Angela Warg-Portenlänger vom Bündnis "Bunt statt Braun" beobachtet: "Der Überfall ist Ausdruck dessen, was sich die Szene inzwischen traut." Die Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte würden Rechtsextremen Aufschub geben: "Da trau ich mich auch als kleiner, brauner Zwerg aus dem Loch." Dazu komme, dass die meisten Fälle, in denen der Staatsschutz wegen rechtsextremer Handlungen ermittelt, ohne Ergebnis enden. Etwa im Fall der Nazi-Schmierereien, die Anfang des Jahres in Grafing-Bahnhof gefunden wurden: Die Täter wurden bis heute nicht überführt.

Für Anna Bräsel von der in Ebersberg ansässigen Regionalen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus für Oberbayern und Schwaben gehört die Tat zu einem Trend: "Rassistische Äußerungen treten offener zu Tage, etwa auf Facebook. Auch Politiker äußern sich in der Asyldebatte schärfer. Dazu kommen sogenannte besorgte Bürger wie bei Pegida." In dieser Stimmung würde sich die extreme Rechte trauen, aggressiver aufzutreten: "Da wird ein Klima geschaffen."

Auch im Landkreis Ebersberg beobachtet Bräsel "einen starken Anstieg neonazistischer Vorfälle". Dazu zählen für sie Schmierereien und Aufkleber, Beleidigungen gegen Asylbewerber und rechtsradikale Parolen. Die Vorfälle würden teilweise nicht mal im Polizeibericht veröffentlicht. "Die Polizei könnte bei rassistisch motivierten Vorfällen engagierter ermitteln. Leider werden solche Vorfälle oft verharmlost und behauptet, es gäbe keine Szene vor Ort. Aber es gibt Neonazis im Landkreis. Das ist kein plötzliches Ereignis."

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist nach eigenen Angaben nicht über die Tat informiert worden. Zwar sei ihm am Rande einer Veranstaltung am Sonntag von einer Schlägerei am Bahnhof berichtet worden, das wahre Ausmaß habe er aber erst am Montagmorgen aus der Zeitung erfahren, heißt es in einer Pressemitteilung. Am Samstag wurde das Landratsamt von der Polizei lediglich per Fax benachrichtigt. Die Poststelle ist jedoch am Wochenende nicht besetzt.

"Dass so ein brutaler Übergriff mit ausländerfeindlichem Hintergrund bei uns stattfindet, bestürzt und betrifft mich sehr", so Niedergesäß in seiner Stellungnahme. "Ich spreche im Namen des Landkreises und des gesamten Kreistags meine tiefe Verachtung für eine Gesinnung aus, die zu so etwas führen kann." Er möchte mit der Polizei vereinbaren, in Zukunft über solche Vorfälle direkt auf dem Handy benachrichtigt zu werden.

Auch Ebersberg Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) zeigte sich entsetzt: "Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es am rechten Rand unserer Gesellschaft Menschen gibt, die mit sinnloser Gewalt andere gefährden und verletzen. Ihnen dürfen wir in unserer Stadt keinen Raum lassen."

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