Ebersberg:Krank und frustriert

Kreisklink - Warteraum der Ambulanz

In der Notaufnahme wissen Patienten selten, wie lange es dauert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Personal der Kreisklinik klagt über steigende Ansprüche von Patienten. In der Notaufnahme soll bald ein neuer Monitor dabei helfen, die Situation der Wartenden zu verbessern

Von Anja Blum, Ebersberg

"So schlimm wie in anderen Regionen Deutschlands, wo Kliniken bereits einen eigenen Wachschutz engagieren, ist es in Ebersberg noch nicht", sagt Peter Kreissl, Ärztlicher Direktor der Kreisklinik. Doch auch in Ebersberg zeige sich bei den Patienten durchaus eine Tendenz zu aggressiverem Verhalten. "Statistiken führen wir darüber natürlich nicht - aber das Anspruchsdenken nimmt zu." Darauf reagieren wird das Krankenhaus nun mit einem neuen Anzeigensystem in der Notaufnahme, das die Wartenden über die Auslastung der Ambulanz informiert.

In der Notaufnahme nämlich sei das Problem am deutlichsten zu beobachten, sagt Kreissl. Einerseits kommt es dort immer wieder vor, dass die Klinik Hilfe von der Polizei benötigt. Wenn Menschen "kognitiv eingeschränkt sind", wie es Pflegedienstleiter Peter Huber formuliert, "geht es schon manchmal in Richtung Randale". Sprich: Findet in der näheren Umgebung zum Beispiel ein Volksfest statt, ist die Chance relativ hoch, dass in der Notaufnahme der Kreisklinik Verletzte landen, deren Alkohol- und Stresspegel ziemlich hoch sind. "Aber da ist die Polizei ohnehin meist schon dabei - und wenn nicht, rufen wir sie an", so Huber. Die Beamten seien dann auch stets schnell vor Ort.

Andererseits mache sich im Wartezimmer der Notaufnahme bemerkbar, dass viele Menschen verlernt hätten, geduldig zu sein, sagt Kreissl. Das sei wohl ein Phänomen der Zeit: "Es muss immer alles schnell gehen: Man will sofort untersucht werden, gleich ein Ergebnis haben und am besten schon im nächsten Moment geheilt sein." Gingen diese Wünsche nicht in Erfüllung, komme es auch mal zu "unschönen Diskussionen" und verbalen Attacken. "Da heißt es dann, die Klinik sei ein Saftladen oder Schlimmeres." Auch an den Patienten sei eben der allgemeine Wertewandel zu beobachten, pflichtet Pflegedienstleiter Huber bei. "Man merkt einfach, dass der Ich-Bezug zunimmt."

Medizin aber brauche manchmal Zeit. Und gerade in der Notaufnahme ließen sich die Prozesse eben nicht so steuern und planen wie auf anderen Stationen. "Wann wie viele Patienten mit welchen Beschwerden hier behandelt werden müssen, ist schlicht unkalkulierbar", sagt der Ärztliche Direktor. Doch das mag nicht jeder hinnehmen: Manche Patienten versuchten sogar, die Abläufe in der Klinik mit speziellen Taktiken zu beschleunigen, berichtet Kreissl. "Wenn jemand um zwei Uhr morgens mit einem weniger dringlichen Befund in der Notaufnahme erscheint, nur weil er meint, dann schneller dran zu kommen, ist es auch für uns nicht ganz leicht, Contenance zu bewahren." Schließlich gehörten zum Bereitschaftsdienst der Ärzte und Pfleger auch gewisse Ruhephasen, die durch so unnötig gestört würden. Ebenfalls ärgerlich ist für den Ärztlichen Direktor die Erfahrung, dass das Verhalten von so manchem frustrierten Patienten von Hierarchien abhängt. "Die Krankenschwester wird beschimpft, aber wenn der Oberarzt kommt, ist ganz schnell wieder Ruhe."

Dabei ist es nicht so, dass das Personal der Kreisklinik kein Verständnis für die Nöte der Kranken und Verletzten hätte. "Selbstverständlich ist es ärgerlich, wenn man Schmerzen hat und warten muss", so Kreissl. "Man sitzt da in der Notaufnahme und fragt sich, wieso scheinbar nichts vorwärts geht." Dass die Ärzte hinter den Kulissen vielleicht gerade ein Unfallopfer behandelten, wisse ja keiner.

Dabei gibt es gegen diese Art Frust laut Kreissl ein sehr einfaches Mittel: Kommunikation. Daher werde das Personal für die Ambulanz speziell nach diesem Gesichtspunkt ausgewählt, sagt Huber, und lerne, sich in Konfliktsituationen deeskalierend zu verhalten. "Es ist einfach ganz wichtig, immer wieder ins Wartezimmer zu gehen und die Patienten auf den neuesten Stand zu bringen", so Kreissl.

Deshalb startet die Klinik nun eine Transparenz-Offensive: Demnächst werden sich die Wartenden auf einem großen Monitor über die Vorgänge in der Notaufnahme informieren können. "Man wird dort sehen, wenn ein Unfall reingekommen ist, und wo man selbst in der Warteliste steht", sagt Kreissl. Dank Ampelfarben für die verschiedenen Dringlichkeitsstufen, anonymen Kürzeln statt Namen und groben Zeitangaben sollen sich die Patienten selbst ein Bild von der Lage machen können. Wann das neue System installiert wird, ist noch ungewiss. "Wir hoffen, noch in diesem Halbjahr."

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