Ebersberg:Kraftvoll wieder aufgetaucht

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40 Jahre Schariwari: Zum Jubiläumskonzert im Alten Kino kommen viele alte Weggefährten und noch mehr Fans. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Jubiläumskonzert zum 40-Jährigen zeigt: Der mitreißende Sound von "Schariwari" kann gar nicht untergehen

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Zwei Akkorde, kollektives Seufzen. "Sommernacht", raunt es durchs Publikum und die meisten drücken sich noch etwas tiefer in ihre Stühle oder legen den Arm um ihren Schatz. Oben auf der Bühne ist die Band in warmes Licht getaucht, Schariwari küsst seinen unsterblichen Song wieder wach, die Herzen beginnen zu glühen, satte sechs Minuten lang. Die Jahre sind vergessen, die Vergangenheit wieder zum Greifen nah. Es ist wie die Begegnung mit einem verflossenen Schwarm, bei der man feststellt, dass es einem doch leidtut, dass man solange nicht mehr zusammen war. Sehr leid sogar.

Wie gut, dass sich Günther Lohmeier und die Seinen zu einem Jubiläumskonzert entschlossen haben, vierzig Jahre nach den ersten gemeinsamen Gigs. Wie gut, dass sie dafür mitten in ihrer Heimat das Alte Kino ausgesucht haben, wohin der Weg so kurz und wo die Atmosphäre so griabig ist. Und wie gut, dass sich alle noch gut, manche sogar sehr gut daran erinnern, wie die Schariwari-Songs das Leben begleitet, verändert, bereichert haben. Mit 24 davon hat die Band nun ihre Fans beschert, mit einem Adventskalender voll, und bei jedem Türchen gingen die Herzen über, bei manchen sogar die Augen.

Ein paar Mal hat die Band in den zurückliegenden Jahrzehnten die Besetzung gewechselt. Zu Lohmeier, Stevie Moises an den Drums, Franz Meier-Dini am Bass und Rudi Baumann an der Gitarre gesellen sich deshalb im Lauf des Abends einige weitere Legenden des bayerischen Bluesrock: "Wolfi, da Wuidling" Lohmeier dupliziert die Schlagzeugfraktion; am Piano übergibt zuerst "Keyboard Sepp" Bartl an den Filigran-Zauberer Bruno Renzi, der dann Martin Kälberer den Schemel überlässt, der wiederum artistisch die Quetsch'n tanzen lässt; Sigi Grasser legt noch mit grooviger Gelassenheit eine Bass-Partie mit drauf, von der Freunde der gepflegten Rockmusik in einsamen Nächten träumen. Das einzige, was die leicht angegrauten Lebenskünstler nicht herbeizaubern können, ist der sommerliche Nachthimmel über Banz, an dem einst ihre Melodien die Sterne so unglaublich intensiv strahlen ließen. Aber die innere Glut, sie ist nicht erloschen und verteilt sich mit jedem Takt im Raum.

Nicht einen Hauch ihrer poetischen Kraft haben die klugen Texte der Schariwaris verloren, die mit manchen ihrer Botschaften dem Heute ins Auge geschaut haben - und die dem Vergleich mit der nachgeborenen Kunst des Poetry-Slams leicht standhalten. Ähnlich den kölschen Zeitgenossen von BAP haben sie der gesungenen Mundart neue Kraft verliehen und dürfen zu Recht von diesem Ruhm zehren. Und ist es nicht gerecht, dass genau diese Mundart den Liedern zusätzliche Glaubwürdigkeit und Nahbarkeit verleiht? "Leit', schaugt's ma ins Gesicht. Seht's die Falten denn nicht?" Von Sehnsucht, Wind, Himmel und Flügeln singen sie und vom Straßencafé, Begriffe, die in den 1970er und 80er Jahren viele schöne Lieder zierten. Mit Chorsatz-Schleifen, Blues-Ritardando, glockenhellen Acoustic-Akkorden und intensiven Hall-Effekten fügen sie die stilistisch passenden Ingredienzien dazu und lassen damit genau jene Konzert-Atmosphäre wieder auferstehen, die Begleitmusik zu den einzig wahren Open-Air-Erinnerungen ist und zu den Autofahrten in langer Nacht, während der die Lautstärke bis kurz vorm Klirren aufgedreht wurde.

Was sich verändert hat? Der Blues, den die jungen Schariwaris in den Lenden hatten, ist nach oben gewandert, ins Herz. Die eine oder andere Nummer spielt sich live jetzt etwas weniger geschwind, das Verweilen im ausklingenden Ton nimmt genussvolle Züge an. Gleichzeitig ist die Spielweise direkter und kraftvoller geworden, die manchmal aggressiv wirkende Unsicherheit derer, die noch ihren Weg suchen, ist der abgeklärten Sturmfestigkeit jener gewichen, die ihn gefunden haben und gegangen sind. Genauso wie die Gleichaltrigen im Saal, die sich mit jedem Song weiter von den Lasten des Alltags lösen und sich ums konzertante Lagerfeuer scharen: "'s is Winter worn", "Wia i di brauch'", "Pfüade Sonna", "Der Mensch geht vor", "Lass die Drachen wieder steig'n". Es ist, als wäre es gestern gewesen und bei den "Kirchseeoner Fröschen" kommt der Refrain ohne Zögern und aus vollen Herzen: "Einmal ins Wasser und wiederum an Land." Jubelnder Applaus und drei Zugaben für die, die da wieder aufgetaucht sind.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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