Ebersberg:Klein und sicher

Viele Flüchtlinge ziehen in andere Bundesländer

In manchen Unterkünften geht es eng zu.

(Foto: dpa)

Je weniger Flüchtlinge in einer Unterkunft leben, desto wahrscheinlicher ist es, dass Helfer extremistische Entgleisungen bemerken. Ehrenamtlichen fordern mehr Psychologen und Sozialarbeiter.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Drei schwere Anschläge innerhalb einer Woche haben Bayern erschüttert - zwei davon begangen von Flüchtlingen. Nach dem Axt-Attentat von Würzburg und dem Selbstmordbomber von Ansbach scheint sich die Stimmung weiter zu verschlechtern. Die Vorurteile gegen Asylbewerber wachsen, genau wie jene gegen die Ehrenamtlichen, die sich für die Flüchtlinge engagieren. In Ansbach wurden Helfer nach dem Anschlag regelrecht bedroht. So schlimm ist es im Landkreis Ebersberg zwar nicht, dennoch haben die Ereignisse auch hier ihre Spuren hinterlassen.

Einen Stimmungsumschwung hat Martina Erfmann vom Organisationsteam des Ebersberger Helferkreises Asyl zwar nicht bemerkt. So hätten weder Ehrenamtliche noch Flüchtlinge über zunehmende Anfeindungen berichtet. Wohlgemerkt zunehmend: denn, dass es zu solchen Anfeindungen komme, "das ist nichts Neues." Dazu gehört laut Erfmann etwa verallgemeinernde Fundamentalkritik, indem man den Helfern vorwerfe, sie seien schuld, dass überhaupt Flüchtlinge kämen. Manche kreideten den Helfern auch an, sich für die falsche Sache oder die falschen Leute einzusetzen. Aber es gibt auch ganz konkrete Feindseligkeiten. Etwa wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr mit den Kindern ehrenamtlicher Asylhelfer spielen ließen.

Den direkten Kontakt sehen Mitglieder der Helferkreise als bestes Mittel zur Integration

"Es gibt sicher den einen oder anderen, der Ressentiments hat", sagt Götz Kirchhoff vom Poinger Helferkreis. Und gelegentlich werden diese auch gegenüber den Helfern geäußert. Von echten Anfeindungen gegen Ehrenamtliche oder Flüchtlinge in Form von Beleidigungen oder gar Bedrohungen will Kirchhoff aber nicht sprechen, dies gebe es in Poing nicht. Ähnlich äußert sich auch Josef Stettner, einer der Koordinatoren des Helferkreises Vaterstetten-Grasbrunn. Man werde als Helfer schon manchmal mit "kritischen Stimmen", aber nicht mit Anfeindungen konfrontiert.

Ein "Hintergrundrauschen" aus Ressentiments und Kritik kennt auch Tobias Vorburg, im Vorstand des Markt Schwabener Helferkreises. Mehr oder stärker sei die Kritik an den Helfern in den vergangenen Tagen aber nicht geworden. Wobei Vorburg durchaus einen Stimmungswechsel in der Bevölkerung beobachtet hat, allerdings sei dies bereits nach den Vorfällen in Köln in der Silvesternacht geschehen.

Eher die gegenteilige Erfahrung hat man in Zorneding gemacht, berichtet Angelika Burwick, Leiterin des dortigen Helferkreises. In den ersten Wochen nach dessen Gründung habe sie zahlreiche unfreundliche Briefe und E-Mails bekommen. Die Verfasser kritisierten teilweise ganz konkret das Engagement für Flüchtlinge. In jüngster Zeit "ist aber nichts mehr gewesen", sagt Burwick, es hätte sich sogar einer der Briefeschreiber bei ihr entschuldigt. "Wir haben in Zorneding ein kleines Paradies."

Dazu trage sicher auch bei, dass die Integration in Zorneding sichtbar gut verlaufe. Von den rund 50 Flüchtlingen in der Gemeinde ist etwa die Hälfte inzwischen anerkannt, die meisten gehen zur Schule oder einer Arbeit nach. Auch der enge Kontakt zwischen Helfern und Flüchtlingen sei sehr hilfreich - auch aus Gründen der Konflikt-Prävention: "Wir würden merken, wenn sich jemand zurückzieht", sagt Burwick, dann könne man rechtzeitig Hilfsangebote vermitteln.

Diesen direkten Kontakt sieht man auch in Vaterstetten als bestes Mittel zur Integration und um zu verhindern, dass jemand in Extremismus oder Depressionen abdriftet. So gebe es jeden Tag in jeder Unterkunft ein Gespräch mit den Bewohnern, in dem diese eventuelle Probleme ansprechen können. Dass aber wirklich jemand gewalttätig oder gar extremistisch wird, sagt Stettner, "das ist sehr unwahrscheinlich." Trotzdem: Seit dem Vorfall von Ansbach "hat man schon ein anderes Auge auf die Dinge", wobei "man" ausdrücklich die Flüchtlinge einschließt. Diese hätten die in den vergangenen Wochen zunehmend angespannte Stimmung durchaus mitbekommen und würden sich bemühen, gegen Vorurteile und Pauschalverurteilungen vorzugehen: "Sie schauen auch, ob ihnen bei den Mitbewohnern etwas komisch vorkommt."

Genau diese soziale Kontrolle sei wichtig, sagt auch Vorburg, gibt aber zu bedenken, dass dies in größeren Einheiten - wie etwa den Traglufthallen mit mehr als 200 Bewohnern - kaum möglich sei. "Je dezentraler und kleiner die Unterkünfte sind, desto eher erkennt man ein Problem." Gerade bei traumatisierten Flüchtlingen sei dieser persönliche Kontakt ganz besonders wichtig, sagt Kirchhoff, fordert aber auch mehr Hilfe von Experten. Nötig wären eigentlich psychologisch geschulte Muttersprachler. Auch bei der Asylsozialarbeit gebe es noch Bedarf. Und zwar sowohl für Flüchtlinge als auch für die Helfer, findet Erfmann, schließlich seien viele von ihnen seit Jahren im Dauereinsatz. Beim Kreisbildungswerk gibt es deshalb ein Supervisions-Angebot für die Ehrenamtlichen, eine spezielle Beratung, in der die Helfer über Probleme sprechen können.

Ein ganz wichtiger Punkt bei der Integration wie bei der Verhütung von Konflikten seien aber feste Alltagsstrukturen. "Das Schlimmste ist das Nichtstun", sagt Erfmann. Je nach Herkunftsland gebe es allerdings Arbeitsverbote für Asylbewerber, diese könnten dann nur noch die Ein-Euro-Jobs machen, von denen es aber viel zu wenige gebe. Bei diesen Menschen gebe es darum viel Frust und in der Folge auch Konflikte. Was eigentlich kein neues Phänomen sei, findet Kirchhoff, schließlich sei bei einheimischen Langzeitarbeitslosen oft Ähnliches zu beobachten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: