Ebersberg:Klagen auf hohem Niveau

Trotz guter Konjunktur gibt es viel Kritik im Ebersberger IHK-Gremium. Die Unternehmer fordern eine bessere Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und sind mit der Reform der Erbschaftssteuer unzufrieden

Von Anselm Schindler, Ebersberg

"Es herrscht etwas Unsicherheit", beurteilt Georg Reischl die wirtschaftliche Lage der Unternehmen im Landkreis, auch wenn man "im Großen und Ganzen zufrieden" sei. Der Projektor wirft den Konjunkturindex der bayerischen Industrie- und Handelskammer (IHK) an die Wand, die Mitglieder des Ebersberger IHK-Gremiums, allesamt Unternehmer aus dem Landkreis, verfolgen die Kurve der Grafik. Sei arbeitet sich nach einem starken Einbruch im Jahr 2008 wacker nach oben. Und verharrt in diesem Jahr auf hohem Niveau. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Umsätze und Profite relativ hoch. Am äußersten rechten Rand der Statistik aber zeigt die Kurve nach unten. Nicht stark, aber doch merklich. Was vor allem am Fachkräftemangel und an den sinkenden Investitionen der Verbraucher und der heimischen Wirtschaft liege, wie der IHK-Landkreisvorsitzende Reischl erklärt.

"Es gibt uns zu denken, dass mehr und mehr Investitionen im Ausland getätigt werden und nicht hier", so Reischl. Auch wenn die Zahlen jetzt noch stimmten, bewege sich die Wirtschaft auf größere Probleme zu, was vor allem mit fehlenden Fachkräften zu tun habe. Bayernweit fehlten bereits jetzt schon 132 000 Fachkräfte, bis 2030 soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln, so Georg Reischl. Und weil auch Kinder und damit potenzielle Auszubildende fehlen, komme es jetzt vor allem darauf an, Flüchtlinge und Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür setzt sich auch Florian Kaiser ein, der bei der Münchner IHK Fachmann im Thema Ausbildung ist. Fast die Hälfte der ankommenden Asylbewerber seien Jugendliche, in ihnen sieht Kaiser "eine große Chance" für die heimische Wirtschaft.

Alles hänge jetzt von den Rahmenbedingungen ab, die der Staat vorgebe. Und mit denen ist die IHK unzufrieden. Zwar habe es in Sachen Beschäftigung von Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen in diesem Jahr bereits Verbesserungen gegeben, doch die findet Kaiser nicht weitreichend genug. Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern hätten gar nicht die Möglichkeit zu arbeiten, moniert Kaiser - sie bekommen dazu keine Erlaubnis vom Jobcenter. Und Asylbewerber aus Staaten, in die derzeit zumeist nicht abgeschoben werden darf, müssten sich jährlich einer Prüfung unterziehen, in der das Aufenthaltsrecht - und damit das Recht zu arbeiten überprüft werde. "Massive Unsicherheit" löse das bei Unternehmen aus, die bereits Flüchtlinge ausbilden oder gerne Asylbewerber beschäftigen würden. Denn eine Investition in eine Arbeitskraft, die womöglich schon bald nicht mehr arbeiten darf, lohne sich aus wirtschaftlicher Sicht nicht, so Ausbildungs-Experte Florian Kaiser. Im Gremium der IHK-Mitglieder des Landkreises erntet er dafür zustimmendes Nicken. "Ausbilden statt Abschieben" - so ist die Präsentation Kaisers betitelt. Eine Formulierung, die viele Unternehmer wohl unterschreiben würden.

Und es gibt noch weitere Bereiche, bei denen einige Unternehmer im Landkreis unzufrieden mit dem Gesetzgeber sind: Die Kreditinstitute, also Sparkassen und Volksbanken- Raiffeisenbanken haben an der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu knabbern, doch andere Unternehmen profitieren von den guten Konditionen, wenn sie billig Kredite aufnehmen wollen. Die Forderungen an die Politik gehen da freilich auseinander.

In einem anderen Punkt sind sich die Chefs des IHK-Gremiums aber einig: Die Reform der Erbschaftssteuer hätte so nicht sein müssen. Bisher müssen Unternehmensnachfolger kaum Steuern auf das Betriebserbe zahlen - zumindest wenn sie die Firma weiterführen und die Belegschaft halten. Doch das Bundesverfassungsgericht kippte diese Regelung im Dezember vergangenen Jahres. Der Grund: Die Begünstigung des Privatvermögens bei der Errechnung der Steuerabgaben. Und zu hohe Steuerrabatte bei Weiterführung des Unternehmens.

Bundesrat und Bundestag haben sich bereits mit der Reform des Gesetzes beschäftigt, künftig soll auch privates Vermögen bei der Besteuerung des Betriebsvermögens eine Rolle spielen. Zudem gelten viele Regelungen des Erbschaftssteuergesetzes nun auch für kleinere Unternehmen. Spätestens im Juli kommenden Jahres soll der Gesetzgebungsprozess beendet sein, dann kann es in Kraft treten. Vor allem kleinere Unternehmen hätte die IHK bei der neuen Gesetzesvorlage gerne ausgespart: Denn sonst, so argumentiert Jörg Rummel, Steuer- und Finanzexperte der Münchner IHK, gefährde die neue Erbschaftssteuer den Mittelstand. Er empfiehlt Firmen daher, die Unternehmensnachfolge noch vor Inkrafttreten der Neuregelung zu bestimmen.

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