Benefiz-Abend in Ebersberg:Juwelen aus der Wortschatzkiste

Axel Hacke begeistert im Alten Speicher mit dem "Kolumnistischen Manifest". Der Erlös der Veranstaltung kommt dem SZ-Adventskalender zugute

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Lachen und Glucksen, als er die Bühne betritt. Auf Axel Hacke könnte zutreffen, was der Königssohn Leonce in dem Stück "Leonce und Lena" von Georg Büchner zu seinem Diener Valerio sagt: "Du hast weder Vater noch Mutter, sondern die fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt." Nicht zu reden von Konsonanten, Silben und den Sprachschöpfungen, die der Journalist und Autor des SZ-Magazins in seinen Kolumnen verarbeitet. Mehr als 2000 hat er in den vergangenen 25 Jahren geschrieben. Am Mittwoch las er bei der zweiten Benefizveranstaltung im Landkreis zugunsten des "Adventskalenders für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" im Alten Speicher hinreißende Passagen aus seinem "Kolumnistischen Manifest". Auf Honorar hat Axel Hacke verzichtet.

Mit gut 400 verkauften Karten ist der Saal bis zum letzten Platz besetzt. Hacke, mit ausdrucksstarker Gestik und geschulter, facettenreicher Stimme begabt, beschränkt sich nicht aufs Vorlesen; er erzählt seinem vergnügten Publikum auch, wie er seine Kolumne vom "Kleinen Erziehungsberater" über einige Texte zum Thema "Abnehmen" hin zu der Rubrik "Das Beste aus meinem Leben" und schließlich "Das Beste aus aller Welt" entwickelt hat.

Auch an seinen langjährigen Begleiter, einen Kühlschrank, erinner Axel Hacke

Auch an seine treuen Begleiter auf diesem Weg, Paola, Luis und seinen alten Freund, den Kühlschrank Bosch, erinnert der Autor. Nach zehn Jahren jedoch, erklärt er, sei ihm zu seinem eigenen Leben nichts mehr eingefallen. Er beschloss daher zu suchen, "was noch niemandem aufgefallen ist, weil es komplett unwichtig ist". Bis heute üben das Unwichtige, das Nebensächliche, das Kleine und Kuriose auf ihn einen unwiderstehlichen Reiz aus. Zum Fundus, aus dem der Autor schöpft, gehören Sprachschlampereien und -entgleisungen, Dummdeutsch und Fachchinesisch, Alltägliches und aus dem Leben Gegriffenes. Schwer Verdauliches klingt bei ihm federleicht, seine Ironie ist ein Florett, kein Schwert. Böse wird er nie, er liebt seine Wortschätze, auch die krummen.

In seinem Kolumnistischen Manifest - laut Hacke auch schon mal als "kolumbianisches oder komisches Manifest" bezeichnet - hat er sie gesammelt, die leichten und schweren Themen, die abseitigen und die über Wochen die Schlagzeilen beherrschenden. Von der neuerdings als lebensgefährlich eingestuften Wurst - "wird es bald Nichtwurstesser-Flüge geben?" - bis zum Turnierpferd Totilas und den nur wenigen Fachleuten bekannten Terminus technicus "Frischspermaeinsatz" sowie den Autobauern von Volkswagen, deren Ingenieurskunst zukunftsfähig sei.

Stichwort schlaues Auto, das sich selbständig aus dem Staub macht, wenn der Behördenvertreter um die Ecke biegt. Offenbar hat Hacke eine anarchische Freude am Um-die-Ecke-Denken, am Verwursten und Weiterspinnen absurder Nachrichten. Wenn es glaubhaft sei, dass Neutrinos schneller sind als Licht, dann sei es auch möglich, dass die Stadt Wolfsburg gelegentlich in der Erdkruste Richtung Gran Sasso-Massiv verschwinde.

Inzwischen, so Hacke, begnügten sich die Leser nicht mehr damit, ihrer Pflicht nachzukommen und ihn auf Fehler hinzuweisen, sondern sammelten eifrig mit. Seit Axel Hacke herausgefunden hat, dass deutsche Liedtexte nie richtig verstanden werden, erhält er Berge von Mails, die diesen Verdacht bestätigen. Landesweit bekannt wurde "der weiße Neger Wumbaba", der im schönen Lied "Der Mond ist aufgegangen" verborgen war.

Fruchtzwerge im Bauch

In die Hitliste missverständlicher Texte gehört Hacke zufolge auch Herbert Grönemeyer. Der, so der Autor, singe eigentlich keine Texte, sondern gebe lediglich grobe Anhaltspunkte. Bei Grönemeyer also heißt es an einer Stelle "hab Flugzeuge im Bauch, kann nichts mehr essen", verstanden wurde "Hab Fruchtzwerge im Bauch!" "Ist viel sinnvoller als das Original", findet er. Auch Roland Kaiser ist mit der Redewendung "schön wie ein erwachender Morgen" in die "Verhör"-Sammlung eingegangen. Und zwar mit der aufgeschnappten Version "schön wie eine Wachtel am Morgen".

Ob Liedtexte, Speisekartenprosa oder Missverständnisse aus Kindermund: Jede Geschichte erzeugt Lachsalven. Auch die Kirche liefert Preziosen, etwa wenn der Pfarrer vom "Heilsplan Gottes" predigt, der Bub aber "Heizplan Gottes" versteht und sich wundert, warum es so kalt ist in der Kirche.

Schließlich hat Hacke den "Wortstoffhof" eröffnet. "Hier kann man Sprache abgeben, die nicht mehr gebraucht wird", sagt er. Aber was heißt schon "nicht mehr gebraucht"? Als Sammler des geschriebenen, gesprochenen und gesungenen Wortes verschafft er abgelegten, aus der Mode gekommenen Redewendungen Charme und Schliff. Für den tosenden Applaus des Publikums bedankt der Autor sich mit einer Zugabe, bei der man unter anderem erfährt, was unter dem Begriff "Partnerschaftspassiv" zu verstehen ist.

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