Ebersberg:Ins Schwarze getroffen

Rose Stach und Adidal Abou-Chamat zeigen beim Ebersberger Kunstverein multimediale Werke, die sich schonungslos mit Gewalt und Krieg auseinandersetzen. Eröffnung ist am Freitag

Von Peter Kees

Es gibt Ausstellungen, die inspirieren, andere sind eher belanglos. Das, was die Künstlerinnen Rose Stach und Adidal Abou-Chamat gerade in der Galerie Alte Brennerei des Kunstvereins Ebersberg aufbauen, gehört eindeutig in die erste Kategorie. Fotoarbeiten, Objekte, Installationen und Multimedia-Arbeiten zeigen die beiden in ihrer Ausstellung "Intrusion", die am Freitag, 8. Juli, um 19 Uhr eröffnet wird. Der Titel bedeutet so viel wie "Erinnerung an traumatische Erlebnisse".

KVE - neue Ausstellung Stach/Abou-Chamat

Trotz allem können sie lachen: Rose Stach (links) und Adidal Abou-Chamat in der Alten Brennerei in Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Panzer stechen dem Betrachter beim Betreten der Galerie als erstes ins Auge. Und zwar Panzer mit Teppichmustern, denn Rose Stach übermalt Orientteppiche mit schwarzer Temperafarbe. Übrig bleiben so genannte "Cut Outs", Stellen, die nicht übermalt sind: das Abbild eines Kettenfahrzeuges auf dem Muster wird sichtbar. Schaurig mutet das an. Auf einem anderen Teppich ist ein Kriegshubschrauber zu sehen. Seit 2010 beschäftigt sich die Münchner Künstlerin mit dieser Thematik. Als ob die Ereignisse in einer zunehmend unruhiger werdenden Welt nach Mahnungen verlangen. Ja, sie tuen es. Und es ist auch Aufgabe der Kunst, solche auszurufen. Stach trifft also ins Schwarze.

KVE - neue Ausstellung Stach/Abou-Chamat

Der Titel "Intrusion" bedeutet so viel wie "Erinnerung an traumatische Erlebnisse".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Nebenraum hängen gewissermaßen die Negative der orientalischen Textilien: Weiß übermalte Fotografien, die nach ihrer Einfärbung wieder abfotografiert und als C-Print sauber auf Büttenpapier ausgedruckt werden. Hier geht Stach genau umgekehrt vor: Sie übermalt Fotos rollender Panzer im Einsatz - Bilder aus dem Internet - mit Deckweiß. An den freien Stellen bleiben Rauchschwaden in scheinbar neutraler Papierlandschaft übrig. Eher romantisch wirken diese Fotografien - doch dahinter steht rohe Gewalt. Als ob man nicht wahrhaben wollte, was in der Welt passiert, es verdecken müsse. Doch gerade dadurch wird es schreiend präsent. Für solche Arbeiten das Internet als Ausgangsmaterialspielkasten zu verwenden, ergibt absolut Sinn. Denn wo sonst kommen die weltweiten Informationen als abstrakt gebündelte Datenberge zusammen, fein säuberlich in schöne Bildschirme eingerahmt, aus denen selbstredend kein Blut tropft.

KVE - neue Ausstellung Stach/Abou-Chamat

Gewalt und Krieg sind die vorherrschenden Themen der Ausstellung.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass Stach in einem der Räume Sandsäcke schichtet, anderswo einen "Brandverstärker" - eine Gasflasche, zwei Benzinkanister sowie zwei selbst gebaute Molotowcocktails - vor ihren Teppichen installiert, macht die Dringlichkeit ihres Anliegens nur noch deutlicher. Schonungslos ist sie, nur insoweit harmlos, als all das behütet in musealen Räumen präsentiert wird.

Auch ihre Kollegin Adidal Abou-Chamat macht Themen unserer Gegenwart sichtbar. Drei großformatige Fotografien gleich am Eingang verkünden politische Brisanz. Auf einem ist ein junger Mann vor blauem Hintergrund abgelichtet. Scheinbar schön. Um seinen Hals eine Tattoo-artig gestrichelte Linie, in die die Worte "cut here" eingefügt sind. Um Enthauptung geht es. Ein Verweis auf den Islamischen Staat. Daneben ein Foto, das eine Schweinehaut zeigt, in die die Karte des Nahen Ostens eingekratzt ist. Auf dem dritten Bild eine junge Frau, an deren Kleid Taschen wie für Sprengstoff angenäht sind. Daneben läuft ein Video, in dem sich zwei Mütter unterhalten. Ihre Stimmen kommen aus dem Off, eine spricht Arabisch, die andere Hebräisch. Ums Täter-Opfer-Verhältnis geht es, um Verlust, Verarbeitung, um Traumatisierung. Die arabische Welt hat ohnehin einen starken Platz in den Arbeiten von Abou-Chamat. Immerhin, ihr Vater ist Syrier, ihre Mutter Deutsche. Auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Identität spielt hier also eine Rolle. In einem ihrer Videos zertanzt eine in Militärcamouflage gekleidete Frau zu Klängen von Bauchtanzmusik einen Fleischteppich. In einem weiteren Film sieht man eine Frau, die mit einem Tuch verschiedene, zum Teil erfundene Kopfbedeckungen bindet. Erst ganz am Schluss sitzt das Tuch wie man es bei vielen arabischen Frauen kennt.

Ja, auch um die Auseinandersetzung mit dem Frauenbild in der arabischen Welt geht es Abou-Chamat. Zwölf Fotografien beispielsweise zeigen eine Balletttänzerin in eine Abaya gehüllt, einer Variante der Burka. "Dreaming of" ist der ironische Titel dazu. Ob die Künstlerin nun Stadtszenen in Aleppo-Seife schnitzt oder Menschen kleine Puppen aus dem political-correctness-Versandhandel Amerikas wie Nelson Mandela, Frieda Kahlo, die Barbie-Puppe Ken als Bodybuilder, einen Palästinenser, Marx, eine Brautpuppe oder Che Guevara in die Hand drückt - immer stehen hier Fragen nach Identität im Raum. Es lohnt, diese Ausstellung zu sehen.

"Intrusion": Ausstellung von Rose Stach und Adidal Abou-Chamat in der Alten Brennerei Ebersberg, Vernissage am Freitag, 8. Juli, um 19 Uhr, zu sehen bis 31. Juli. Öffnungszeiten: freitags von 18 bis 20 sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr, während des Kulturfeuers (13. bis 24.Juli) zusätzlich an Wochentagen von 18 bis 20 Uhr.

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