Ebersberg:Im Tränental der Teutonen

Ebersberg: "Wer war schon mal in der Schweiz?", fragt Michael Elsener im Alten Kino. Und vor allem: "Warum?"

"Wer war schon mal in der Schweiz?", fragt Michael Elsener im Alten Kino. Und vor allem: "Warum?"

(Foto: Christian Endt)

Michael Elsener hält Schweizern und Deutschen den Spiegel vor

Von Peter Kees, Ebersberg

Parodien sind ein Markenzeichen des 1985 in Zug geborenen Schweizer Kabarettisten Michael Elsener. Da betritt ein junger, smart und dynamisch wirkender Mann die Bühne, strahlt Power aus und es wird schon gelacht, wenn er nur den Mund aufmacht. Denn selbst das Hochdeutsch der Schweizer klingt noch völlig anders. Da gibt es ein gegen "o" tendierendes dunkles "a", ein "e", das wie ein "ä" klingt und natürlich das prägnante schweizer "ch". Und man denkt gleich an Emil, das Urbild des Schweizer Kabarettisten.

"Schlaraffenland - Da kann ja jeder kommen" heißt das Programm, dass Michael Elsener im voll besetzten Saal des Alten Kinos zum Besten gibt. Elsener fragt sein Publikum, wer schon mal in der Schweiz war. Einige melden sich. "Warum", lautet die nächste Frage. Und schon ist er beim Schwarzgeld, seinem Lieblingsthema, das sich durchs Programm zieht. Natürlich, er will die Schweiz parodieren. Dazu bedient er sich eines Tricks, des Vergleiches zum Nachbarland Deutschland - auch das eine motivische Konstante der Dramaturgie.

Stoff hat er reichlich. So erzählt er, dass er im Grunde beim Einkaufen in Deutschland mehr verdiene als wenn er in der Schweiz arbeiten ginge, spielt mit dem Einkaufstourismus der Schweizer ebenso wie mit dem Verhältnis von Euro und Franken. Er dreht den Spieß aber auch um: Die größte Gruppe an Ausländern in der Schweiz seien die Deutschen. Die Abwanderung vieler Deutscher ins Schlaraffenland Schweiz finde eben nicht nur in Briefkastenfirmen statt. Elsener nennt den Zuzug neue deutsche Welle oder, wenig schmeichelhaft, einen teutonischem Tsunami. Natürlich, auch die Neutralität seiner Heimat ist ein großes Thema. Da passt der Witz, den er im Lauf des Abends in der Figur des "Röbi" erzählt: "Was ist die Kreuzung aus der Schweiz und Amerika? Ein Land, das gerne neutral Kriege führt."

Die Schweiz wird auf die Schippe genommen, aber auch das, was er unter "deutsch" subsumiert. Da geht es beispielsweise um den unterschiedlichen Umgang mit Emotionen. Gegenüber den Schweizern seien die Deutschen in diesem Punkt wie Brasilianer. Auch die deutsche Seele und ihr Hang zum Philosophieren wird angesprochen. Dass etwa ein Drittel der Bevölkerung depressiv ist, wie in Deutschland, das gäbe es in der Schweiz so gar nicht. Philosophie sei eben etwas, das zwangsläufig zur Depression führe. Kein Wunder in einem Staat, in dem eine schöne Landschaft "Schwarz"-Wald genannt werde. Schon die deutsche Literatur zeige in Werken wie den "Leiden des jungen Werther", dem "Schimmelreiter" oder dem "Erlkönig" das teutonische Tränental. So plaudert er, schlüpft in verschiedene Figuren, mimt einen Schweizer Zöllner, der beim Einkauf in Deutschland auch noch einen Teil der Mehrwertsteuer zurückgibt, wird zum kaputten Röbi oder zum proletarischen Bostic aus Kosovo - das Thema Integration ist damit auch auf dem Tisch.

Mehr oder weniger geht es den ganzen Abend um Identitätssuche, um das kleine Land Schweiz und seine Befindlichkeiten. So ambitioniert Michael Elsener alle typisch schweizerischen Themen intelligent abdeckt - witzig auch, wie er die "Sendung mit der Maus" parodiert -, so fehlt ihm doch etwas an schneidender Schärfe. Er könnte auch tiefer gehen. Gelacht wird dennoch viel im Alten Kino.

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