Gruselig:Hexensabbat an der Weiherkette

Fackelwanderung Weiherkette

Wenn die Dunkelheit über dem Egglburger See hereinbricht und der Wind durch das Schilf streicht, sind die Geschichten von Stadtführer Wolfgang Oppler gleich doppelt schaurig.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Schaurig schöne Geschichten, zusammengemischt aus dem Reich der Fakten und Halbwahrheiten, können sich Ebersberger bei einer Gruseltour rund um den Egglburger See erzählen lassen

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Mit der Dunkelheit kommt der Wind auf. Der Schilf am Egglburger See rauscht unter einem glasklaren Sternenhimmel, während das Fackellicht gespenstische Schatten auf den Weg wirft. "Ich wundere mich, dass ihr euch alle getraut habt, heute nacht hier zu sein", raunt der Ebersberger Stadtführer Wolfgang Oppler und lässt seinen Blick über die Menschengruppe um ihn herum gleiten.

"In der Freinacht - besser bekannt als Walpurgisnacht - ist das schließlich nicht selbstverständlich", fügt er hinzu. Freinacht, Walpurgisnacht, Beltane, Hexenbrennen - zahlreiche Namen, die sich regional stark unterscheiden, haben sich für die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai eingebürgert. Doch unabhängig von den Namen übt die Walpurgisnacht eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen aus. Zirka 50 Interessierte sind der Einladung der Volkshochschule gefolgt und finden sich eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit auf dem Parkplatz des Klostersees ein.

Vier Stadtführer leiten die Gruppen - zunächst jedoch in die eher romantisch als gruselig anmutende Abendstimmung. Das Geplauder von Familien und Freunden wird von Vogelgezwitscher unterbrochen, der Langweiher liegt in zarte Pastelltöne getaucht still da. "Die Weiherkette gibt es zwar schon sehr lange, aber sie ist von Menschenhand entstanden", erklärt Wolfgang - wer gemeinsam auf Geistersuche ist, braucht keine Nachnamen.

Nie wurde ein größerer Waller gesehen als im Egglburger See.

Während das Tageslicht langsam abnimmt, erzählt er von den Staudämmen in der Ebrach, die bereits im elften Jahrhundert von Ebersberger Mönchen errichtet wurden. "Früher gab es in Bayern noch 151 Fastentage", fährt er fort, "da musste man die Fische irgendwo herbekommen." Zwischen der Ortsgrenze von Ebersberg und dem Egglburger See erfährt man auch von den Wallern, die im Langweiher ansässig und "für so a kloins Zamperl" nicht ungefährlich sind. "Aber nie wurde ein größerer Waller gesehen, als der im Egglburger See", erzählt Wolfgang. Der Überlieferung nach war der Fisch so groß, dass er das Pferdegespann, das ein erschrockener Bauer nach ihm warf, für den Rest seines Lebens mit sicher herumschleppte.

"Ob das jetzt so ganz stimmt, na, das werdet ihr euch heute Abend noch oft genug fragen", kündigt der Stadtführer mit leuchtenden Augen an. "Das ist mal etwas anderes", sagt eine junge Frau aus Anzing, die mit ihrem Ehemann an der Führung teilnimmt. "Die geschichtlichen Fakten kennt man ja mehr oder weniger, aber der Gruselfaktor macht das persönlicher", fügt sie hinzu.

Während sich die vier Gruppen am Ufer des Egglburger Sees positionieren, wird es zusehends dunkel. Der Mond formt eine scharf umrissene Sichel - und die Stimmung verändert sich. Das Geplänkel der Teilnehmer erstirbt, und während die Fackeln angezündet werden und ein scharfer Wind aufkommt, rücken die Gruppen enger zusammen. "Ihr wollt also etwas über die Hexen erfahren", beginnt Wolfgang und erzählt von der sogenannten kleinen Eiszeit im 16. Jahrhundert, die den Bauern die Ernte zerstörte, die den Weinanbau in Bayern unmöglich machte, das Vieh erfrieren und die Menschen hungern ließ.

"Die Vorwürfe, die den vermeintlichen Hexen gemacht wurden, waren sehr konkret: Beischlaf mit Satanas, mit dem sie sich zum Hexensabbat auf einem Berg trafen", berichtet er, "aber auch die Verarbeitung von Babyleichen zu einer Hexencreme, die den Teufelsanbeterinnen das Fliegen ermöglichte, gehörte zu den Anschuldigungen." Dass die letzte vermeintliche Hexe in Bayern erst im Jahr 1721 verbrannt wurde, trägt keinesfalls dazu bei, dass man sich mit der Geschichte wohler fühlt.

Wer dem kopflosen Reiter die Hand reicht, dem verdorrt der Arm

Doch auch praktische Tipps für den Umgang mit Geisterwesen hat der Stadtführer zur Hand: Trifft man beispielsweise in dunkler Nacht auf einen kopflosen Reiter, büßt dieser vermutlich für zu Lebzeiten begangene Untaten. Befreit werden kann er, indem ein Lebender Gebete für ihn spricht - doch: "Achtung, wenn er danach die Hand zum Gruß anbietet, darf man diese auf keinen Fall ergreifen, sondern muss ihm einen Stock reichen", ruft der Stadtführer, "sonst verdorrt einem der ganze Arm."

Auch die paranatürlichen Aktivitäten im Forst kommen in der Walpurgisnacht-Führung zur Sprache. "In der Nähe von Anzing werden immer wieder Lichtblitze auf dem Boden gesehen, teilweise auch Nebelschwaden, die ganz plötzlich auftauchen", so Wolfgang. Stöbert man ein wenig im Internet, stößt man auf eine Vielzahl von Erfahrungsberichten selbsternannter Geisterjäger, die sich auf die Suche nach dem Phänomen machen.

"Man findet immer wieder Berichte von Leuten, die eine Präsenz gespürt oder sogar Fotos gemacht haben, auf denen weiße Flecken zu sehen sind", sagt der Stadtführer. Spätestens jetzt, wo es endgültig dunkel ist und die meisten Fackeln durch den starken Wind weitgehend heruntergebrannt sind, ist die Gänsehautstimmung nicht mehr zu leugnen und die ein oder andere kleine Hand, schiebt sich in die Sicherheit der elterlichen Jackentaschen.

Am Ende der Führung sind dennoch alle Gruppen vollzählig und bis auf ein wenig Gänsehaut unbeschadet. Ob auf dem Heimweg jemand die Weiße Frau im Forst mitgenommen hat, ist bisher noch unbekannt.

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