Unbegleitete Minderjährige:Ein Vormund braucht Fachkenntnisse

Vormund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu sein, ist eine große Herausforderung. Diese möchte das Jugendamt nicht unbedingt an Ehrenamtliche abgeben.

Von Jessica Morof, Ebersberg

Sie sind eigentlich noch zu jung, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen; trotzdem sind einige monatelang allein unterwegs. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge lernen auf dem Weg aus ihrer Heimat nach Deutschland, allein zurechtzukommen. Doch wenn sie hier sind, benötigen sie unter anderem speziellen Schutz und Begleitung durch einen Vormund.

Asylanträge stellen, Finanzen sichern, die richtige Schulbildung wählen - das sind Aufgaben, die Jugendliche selbst nicht bewerkstelligen können - und dürfen. Da aber auch nicht jeder erwachsene Deutsche das nötige Spezialwissen hat, übernehmen im Landkreis in den meisten Fällen das Kreisjugendamt Ebersberg und die Katholische Jugendfürsorge der Erzdiözese München und Freising e.V. (KJF) diese Aufgabe. Und das soll auch so bleiben.

Das Gericht entscheidet, wer Vormund wird

Insgesamt 111 jugendliche Flüchtlinge leben aktuell in Einrichtungen ohne ihre Eltern im Kreis Ebersberg. Die Entscheidung, wer die Vormundschaft für sie übernimmt, fällt das Familiengericht. Das Jugendamt nimmt sie direkt nach der Ankunft in Obhut und beantragt ein Ruhen der elterlichen Sorge. Es wird auch geprüft, ob ein Verwandter als Vormund infrage kommt - falls Angehörige wie Onkel, Bruder, Cousine bereits in Deutschland sind. Manchmal sei dies schwer festzustellen erklärt Florian Robida, der stellvertretende Leiter des Kreisjugendamts, der sich um die Einrichtungen kümmert: "Die Flüchtlinge haben ja keinen Stammbaum dabei."

Schließlich stellt das Jugendamt beim Familiengericht den Antrag auf Bestellung eines Vormunds und schlägt eine passende Person vor. Wenn Jugendamt oder KJF die Fürsorge übernehmen, handelt es sich um sogenannte Amtsvormundschaften beziehungsweise Vereinsvormundschaften. Zusätzlich könnten auch Privatpersonen Vormunde sein, Angehörige sowie Ehrenamtliche. "Im Prinzip kann jeder eine Vormundschaft übernehmen", erklärt Ulrike Jans, die Teamleiterin des Bereichs Amtsvormundschaft im Jugendamt. Man müsse aber unter anderem geregelte Einkommensverhältnisse und ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen.

Ein Vormund trägt eine große Verantwortung

Trotzdem kommt es eher selten vor, dass Ehrenamtliche die elterliche Sorge übernehmen. Denn Vormund zu sein, sei eine wichtige Funktion, die auch mit darüber entscheide, wie es für die unbegleiteten Minderjährigen weitergeht, erläutert Jans. Es reiche nicht, ein Mal im Monat sein Mündel zu sehen; man müsse immer auf dem Laufenden sein und Entscheidungen treffen: Welche Schule soll es sein? Welche Lebensperspektive soll entwickelt werden? Der Vormund ist der persönliche Ansprechpartner des minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings. Alle Dinge, die ihn bewegen, sollte er mit seinem Vormund besprechen.

Nur bestimmte Rechte und Pflichten könne der Vormund an die Einrichtung, in welcher der Schützling lebt, abgeben - wie die Zustimmung zur Vereinsmitgliedschaft oder den Antrag für Nachhilfe. Vor allem aber müsse der Vormund den Asylantrag stellen und den Jugendlichen bei Anhörungen begleiten. Wer sich mit den Gesetzen nicht auskennt, kann also einige Fehler machen. Deshalb kämen als Vormund für minderjährige Flüchtlinge vor allem Juristen und Sozialpädagogen infrage, aber kaum andere Berufsgruppen.

Im Fokus steht das Wohl des Kindes

Auch Angehörigen, die diese Aufgabe übernehmen, fehlt manchmal das spezielle Wissen. Allerdings besteht hier eine soziale Bindung zu den Jugendlichen, was ebenfalls positiv gewertet wird. "Es ist immer eine Abwägungsfrage, was das Wohl des Kindes ist", betont Jans. "Es ist immer eine Einzelfallentscheidung." Die Entscheidung, wer als Vormund eingesetzt wird, trifft am Ende das Familiengericht. Und ein Großteil der Jugendlichen, die nach Ebersberg kommen, haben bereits einen Vormund in München - wo sie registriert wurden.

Erst mit dauerhaftem Verbleib im Landkreis wechselt auch die Vormundschaft nach Ebersberg. "Zur Zeit kommen wir gut klar", sagt Jans. Denn der externe Träger federe Spitzen ab. "Gerade haben wir eine eher ruhige Phase", stimmt Robida zu. Auf mehr ehrenamtliches Engagement bei Vormundschaften hofft man im Jugendamt nicht.

"Die Welle der Hilfsbereitschaft ist schön", sagt Robida. "Aber unsere Aufgabe als Jugendamt ist es auch, allen Jugendlichen die gleichen Chancen in Deutschland zu ermöglichen und sie entsprechend zu fördern." Und das sei mit ehrenamtlichen Vormunden ohne die erforderliche Fachkenntnis nur schwer zu gewährleisten. Hinzu komme, dass das Jugendamt die Arbeit ehrenamtlicher Vormunde kontrollieren muss - und auch das koste Zeit. Wer glaubt, trotzdem geeignet zu sein, könne sich bei externen Trägern bewerben und speziell qualifizieren lassen.

"Wir wissen, was für eine Verantwortung das ist", sagt der stellvertretende Leiter des Kreisjugendamts, der sich um den Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert. "Und wir werden sie bestmöglich ausführen."

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