Ebersberg:Halleluja, harter Tobak

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Simon & Jan scheuen nicht die klaren Worte - zwar mit Humor, manchem Zuschauer bleibt das Lachen allerdings im Halse stecken. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Simon & Jan halten im Alten Kino eine humorvolle wie derbe Moralpredigt

Von Friedhelm Buchenhorst, Ebersberg

Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschen die Besucher den mit virtuos gespielten Gitarren begleiteten Wort- und Sinnkaskaden des "Liedermaching"-Duos Simon & Jan. Schließlich möchte man nichts verpassen von all den wunderbar kreativen Leckereien, den vielen Anspielungen und Überraschungen vom Rummelplatz der kulturellen Umwelt. Nach einem ersten Auftritt in der Ebersberger Volksfesthalle 2014 erfreute das mittlerweile vielfach ausgezeichnete Duo sein Publikum am Samstag im Alten Kino mit seinem aktuellen Programm "Halleluja", also ein "Lobet den Herrn".

Es beginnt mit dem "Halleluja!" aus Händels "Messias", und wer jetzt etwa enttäuscht ist, dass Simon & Jan nicht wie aufgrund der Vorankündigung zu vermuten in einem Engelskostüm auftreten, der wird gefragt: "Wer von euch glaubt denn heute noch an den Weihnachtsmann? Ohnehin ist doch alles verlogen, wir werden von vorne bis hinten betrogen - Halleluja!" Im Himmel gibt es auch keine Jungfrauen, und wenn, dann wollen sie es auch bleiben - Halleluja! Ein Mann sucht in einer Zeitungsannonce eine Frau, die ihm die Betten und das Frühstück macht, eine "eierleckende Honigsau" - Halleluja! An der Volkshochschule wird "Batiken für Nazis" angeboten - Halleluja!

So geht es weiter mit zum guten Teil derbem Sprachwitz, aber immer auch ernstem Hintergrund, dass einem, weil man ja schließlich auch selbst mittendrin sitzt in diesem ganzen Wahnsinnskarussell, das Lachen im Halse stecken bleiben will. Das Publikum wird kommunikativ integriert, man spürt eine gewisse Vertrautheit zwischen Bühne und Zuschauerraum, es wird mitgesungen bis hin zu einem lustigen "Jippi, Jippi yeah": Krawall und Remmidemmi mit geschickt inszeniertem Halleffekt. "Wir kommen", so Textvirtuose Jan mit schelmischem Grinsen, "um euch zu helfen, in eurem Leben aufzuräumen. Die Welt ist heut' so schön, lass uns Emus kitzeln gehen. Wir fahren nach Ramstein und packen den Feuerlöscher ein, und Terroristen zeigen wir Katzenvideos - Halleluja!"

Simon & Jan sind aber keine Oberlehrer, die unmittelbar mit dem moralischen Zeigefinger auf uns deuten. Sie transportieren auch eine gewisse Gelassenheit und Demut. "Die Erde", so lassen sie uns wissen, "dreht sich auch ohne dich weiter, tu' nicht so, als wärst du perfekt, jeder hat im Keller eine Leiche. Ach Mensch! - am Ende bleibst du nur ein Häuflein Dreck!"

Das dichte Programm endet zunächst mit dem anmutigen "Halleluja" des im letzten Herbst verstorbenen Leonard Cohen, und so manchem werden dabei tatsächlich die Augen feucht. Es folgt anhaltender Applaus, und in der Zugabe spielt Simon, der Musikvirtuose, Mozarts "Alla Turca" so flink, dass man fast meinen möchte, es handele sich hier um eine Trickaufnahme.

Simon & Jan belustigen nicht nur, sie wollen ihr Publikum zum Nachdenken bringen, vielleicht auch zur Selbstreflexion. So viel Halleluja und so viel Wirklichkeit, da stellt sich die Frage nach der Theodizee. Wer zum Teufel hat das Böse geschaffen? Und warum hat Gott das zugelassen? Dem Duo gelingt es, dem Publikum mit Humor die Conditio humana, die Natur des Menschen, näherzubringen. Am Ende können alle mit einem echten Gewinn im Kopf nach Hause gehen.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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