Ebersberg:Gift im Körper

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Dieses Foto von einem Feld am Egglburger See bei Ebersberg wurde vom Bund Naturschutz im Mai 2015 aufgenommen. (Foto: privat)

Der Bund Naturschutz lässt den Urin von 15 Personen aus zehn Kommunen im Landkreis auf die Belastung mit Glyphosat testen. Alle Proben sind positiv, obwohl keiner der Teilnehmer in der Landwirtschaft arbeitet

Von Anja Blum, Ebersberg

Es war die Ekel-Meldung der Woche: Das bayerischste aller Grundnahrungsmittel, das Bier, ist mit dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat belastet. Für Umwelt- und Verbraucherschützer, die schon länger vor dem Herbizid warnen, kommt diese Nachricht wenig überraschend. Der Bund Naturschutz (BN) hat kürzlich bei einem Test die Belastung von Menschen mit Glyphosat untersucht, bei allen Teilnehmern ließen sich Rückstände des Totalherbizids Glyphosat feststellen.

15 Menschen aus zehn Kommunen des Landkreises haben sich an einer Aktion des BN beteiligt und ihren Urin auf Rückstände untersuchen lassen. Das Ergebnis: Alle Proben sind positiv, die Werte liegen zwischen 0,4 und 2,2 Mikrogramm pro Liter. Und das, obwohl die Teilnehmer weder in der Landwirtschaft arbeiten, noch im privaten Bereich glyphosathaltige Spritzmittel verwenden, also keinem besonders gefährdeten Personenkreis angehören. Für die Kreisgruppe des BN ist das ein alarmierender Befund: Eine gewisse Belastung durch das Herbizid scheine inzwischen eher die Regel als die Ausnahme zu sein, sagt Klaus Schöffel aus Kirchseeon, Sprecher des Arbeitskreises Gentechnik des BN. "Ein solches Gift hat im Körper aber nichts zu suchen."

Glyphosat ist ein Breitbandherbizid, ein Gift, das prinzipiell zum Tod aller grünen Pflanzen führt, die mit ihm in Kontakt kommen. Nur gentechnisch veränderte sowie auf natürlichem Weg resistent gewordene Gewächse widerstehen der Chemikalie. Glyphosat ist das weltweit am meisten verkaufte Spritzmittel, der größte Produzent ist Monsanto mit seinen "Roundup"-Produkten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft, laut BN zeigt eine ganz neue Studie ebenfalls alarmierende Ergebnisse: Rückstände in der Nahrung, im Wasser oder in Tierprodukten könnten das menschliche Erbgut verändern, Schäden an der Leber sowie eine verstärkte Tumorbildung verursachen. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hingegen sieht bislang kein gesundheitlichen Gefahren und daher keinen Grund, Glyphosat zu verbieten. Kritiker werfen dem BfR jedoch vor, sich auf Analysen der Industrie zu verlassen.

Um diese Auseinandersetzung weiß freilich auch der Ebersberger BN. "Das Problem ist einfach, dass es noch viel zu große Lücken in der Bewertung und zu viele offene Fragen gibt", sagt Schöffel. Daher könne derzeit niemand mit Sicherheit sagen, ab welcher Konzentration Glyphosat für den Menschen schädlich sei. "Aber was zum Beispiel eine Störung des Hormonhaushalt angeht: Da können schon geringste Mengen genügen." Auch sei davon auszugehen, dass die Konzentration von Glyphosat im Körper weitaus höher sei als die im Urin. Hinzu komme, dass dieses Mittel nie allein verwendet werde, sondern immer als Cocktail mit weiteren Stoffen, die ebenfalls sehr toxisch seien. Auf derlei Rückstände wurden die Proben aus dem Landkreis allerdings nicht untersucht.

Doch wie gelangt das Ackergift überhaupt in den menschlichen Körper? Glyphosat kann sowohl über die Nahrung als auch über die Atmung aufgenommen werden. Wer also in der Nähe entsprechend behandelter Ackerflächen wohnt, ist besonders gefährdet. Getreideprodukte können laut BN ebenfalls kontaminiert sein, wenn die Pflanzen mit Glyphosat gespritzt wurden. Auch tierische Produkte könnten das Mittel enthalten, wenn die Tiere mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert wurden. "Dies trifft vor allem für Billigprodukte von Fleisch und Milch zu", so der BN.

Die Naturschützer bemühen sich seit geraumer Zeit, im Landkreis Aufklärungsarbeit zu leisten und vor den Gefahren des Herbizids zu warnen. Dabei appellieren sie vor allem an Privatpersonen, keine glyphosathaltigen Mittel einzusetzen: "Im Garten oder auf dem Friedhof gibt es doch überhaupt keinen zwingenden Grund dafür", sagt Schöffel. Im Gegenteil: Dadurch steige nur das Risiko einer höheren persönlichen Belastung. Über diesen Zusammenhang plant der Arbeitskreis Gentechnik im Frühjahr speziell die Gartenbauvereine und die Eigentümervereinigungen zu informieren. Wirkung zeigt auch ein Appell an die Rathäuser im Landkreis, in den Gärtnereien auf glyphosathaltige Mittel zu verzichten: Gerade hat sich die Stadt Ebersberg als letzte der Landkreiskommunen dazu bereit erklärt. Voraus gegangen war dem ein entsprechender Antrag der Grünen.

BN und Grüne sind freilich nicht die einzigen Organisationen, die versuchen, Licht ins Dunkel rund um Glyphosat zu bringen, und auch die Urintests waren kein Alleingang: Sie fanden im Rahmen der Aktion "Urinale" der Initiative "Ackergifte? Nein danke!" statt: eine breit angelegte Datenerhebung, die wissenschaftlich einwandfrei belegen soll, wie viele Menschen in Deutschland mit Glyphosat belastet sind. Die Idee, sich daran zu beteiligen, hatte Rosemarie Will, Leiterin der Geschäftsstelle des BN in Ebersberg. "Mit einer generellen Auswertung der Ergebnisse ist allerdings frühestens Ostern zu rechnen", weiß Schöffel. Die Kosten von 45 Euro pro Probe habe die Kreisgruppe des BN übernommen. Dass Glyphosat hierzulande verboten wird, wagt Schöffel nicht zu hoffen: "Wie sagt man so schön? Dieses Gift ist ,too big to fail'. Da hängt einfach viel zu viel Macht und Geld dran."

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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