SZ-Talentiade:Mit fliegenden Pferden durch den Wald

SZ-Talentiade: Christina Wagner und ihre Haflinger lassen es selten so gemütlich angehen.

Christina Wagner und ihre Haflinger lassen es selten so gemütlich angehen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die 16-jährige Christina Wagner aus Glonn ist Jugendeuropameisterin im Gespannfahren. Mit ihren Haflingern ist sie extrem rasant unterwegs - bei Turnieren genauso wie im Training.

Von Anja Blum

Wer bei einer Kutschfahrt an gemächlich klappernde Hufe, langsam vorbeiziehende Landschaften und sanftes Geschaukel denkt, ist auf dem Wagen von Christina Wagner fehl am Platz. Die Glonnerin nämlich ist mit ihrer Kutsche teils recht rasant unterwegs. Wenn die 16-Jährige es richtig wissen will, fegen ihre beiden Haflinger im Galopp durch den Wald, dass die Erdbatzen nur so durch die Luft fliegen und der Wagen fast abhebt. Da sollte man sich schon besser ein bisschen festhalten.

Christina Wagner selbst aber beeindruckt das Geschaukel kein bisschen, denn sie hat schon viele Situationen erlebt, in denen die Kutsche tatsächlich beinahe umgefallen wäre. Dass es noch nie so weit gekommen ist, hat sie ihrer Mutter Andrea zu verdanken, denn diese sorgt als stehende Beifahrerin auf dem hinteren Teil des Gefährts für den nötigen Gewichtsausgleich. "Da muss man sich aber schon manchmal richtig ins Zeug legen, dass das gut geht", sagt sie und lacht.

Christina Wagner Glonn Jugend-Europameisterin im Gespannfahren August 2014 - Turnier in Höselhurst / Schwaben - Zweispänner im Gelände

Auf Turnieren ist Christina Wagner so rasant wie erfolgreich unterwegs.

(Foto: privat)

Doch wieso kommt es überhaupt zu derart riskanten Manövern? Bei Wettkämpfen im Gespannfahren - einer Randsportart, die generell darin besteht, Pferde und Kutsche bestmöglich unter Kontrolle zu haben. Und Christina kann das besonders gut, sie hat seit ihrem ersten Turnier 2010 schon zahllose Titel eingefahren. Vergangenes Jahr wurde die 16-Jährige Jugendeuropameisterin, heuer konnte sie bereits ihren ersten Platz bei der Bayerischen Jugendmeisterschaft verteidigen.

Bei Turnieren tritt Christina in drei Disziplinen an

Christina Wagner Glonn Jugend-Europameisterin im Gespannfahren Mai 2015 - mit Santos auf den Bayer. Juniorenmeisterschaften in Remlingen/Würzburg im Gelände

Christina Wagner hat zwei Meistertitel erkämpft.

(Foto: privat)

Antreten kann man bei diesen Turnieren mit einem Ein-, einem Zwei- oder einem Vierspänner, unter Beweis stellen müssen die Teilnehmer ihr Können jeweils in drei Disziplinen: bei einer Dressur, in einem mit Hindernissen versehenen Gelände und in einem speziellen Parcours.

Bei der Dressur geht es vor allem ums Optische. Es muss eine vorgegebene Abfolge von Lektionen gezeigt werden - verschiedene Gangarten und Tempowechsel, im Kreis oder rückwärts fahrend - wobei die Jury Aspekte wie die Haltung der Pferde, die Kommunikation zwischen Kutscher und Tieren sowie das Aussehen des ganzen Gespanns beurteilt. "Perfekt ist es, wenn man von der Seite nur ein Pferd statt zweien sieht", erklärt Christina. Für diesen Teil hat sie eine besonders schöne Dressurkutsche, außerdem darf hier Papa Norbert auf der Rückbank Platz nehmen. "Der macht mehr her", sagt Mama Andrea.

Eher knifflig ist dann der zweite Turniertag: Hier gilt es, zunächst zu Fuß ein Gelände mit Hindernissen - Wassergräben, Labyrinthe oder Tore - und den besten Weg hindurch zu erkunden. "Denn da geht es auf Zeit", erklärt Christina, "das fahre ich alles im Trab". Ebenfalls schnell sein muss das Gespann im letzten Turnierteil, dem Parcours. Im Galopp geht es hier durch Pylonen, sind die Kurven eng, kann es schon einmal vorkommen, dass die Kutsche, ein extra tiefer gelegtes Geländemodell, zu kippen droht. Doch dann kommt eben Mama Andrea ins Spiel. . . Auf den Pylonen liegen zudem kleine Bälle. Fällt einer runter, gibt es Strafpunkte, genauso wie für ein Überschreiten der knapp bemessenen Zeit.

Bis zu 36 Stundenkilometer werden die Haflinger schnell

Besonders schwer hat es Christina, wenn die Strecken sehr eng und schmal sind, denn ihre Haflinger müssen in der Kategorie Pony antreten - gehören dort aber zu den größten Exemplaren. "Die kleinen Shettys sind natürlich viel wendiger", erklärt Christina. Dafür könnten ihre Tiere auf geraden Strecken punkten. Auf 36 Kilometer pro Stunde hat es der Zweispänner der Wagners im Wald bei Glonn schon einmal gebracht. "Da werden die Pferde richtig lang", schwärmt sie. An diesem Nachmittag aber gibt Christina beileibe nicht Vollgas: Die beiden Pferde sollen sich erst einmal an die erste Hitze im Jahr gewöhnen. Außerdem steht am Wochenende schon wieder der nächste Wettkampf an.

Ihren Anfang genommen hat Christinas Leidenschaft vor acht Jahren auf dem Rücken von Aranka. Die Eltern, die das Gasthaus "Schießstätte" oberhalb von Glonn betreiben, hatten ihrer Tochter den Traum eines Reitpferds erfüllt. Womit niemand rechnen konnte, war, dass auch Mutter Andrea Feuer fing - und mit dem "Wagerlfahr'n" begann. Das wiederum bereitete auch der Tochter so viel Freude, dass daraus langsam aber sicher ein Familiensport wurde. Heute helfen alle mit, denn der finanzielle wie organisatorische Aufwand ist enorm. "Wenn wir zum Turnier fahren, ist das immer ein halber Auszug aus Ägypten", sagt Vater Norbert. Und fürs Sponsoring sei außer Oma und Opa leider niemand gewinnen.

Für Christina, die derzeit die zehnte Klasse am Kirchseeoner Gymnasium besucht, ist das Gespannfahren ein Vollzeithobby: "Ab und zu reite ich noch, aber alles andere, zum Beispiel das Klavierspielen, ist auf der Strecke geblieben." Bekümmert wirkt die 16-Jährige deswegen aber nicht, ganz im Gegenteil. Auf dem Kutscherbock scheint das eher introvertierte Mädchen mit dem langen blonden Zopf ganz in seinem Element.

Hoch konzentriert und dabei doch locker lenkt Christina ihre Pferde durchs Glonner Umland, und beweist dabei, dass sie eine Meisterin der nonverbalen Kommunikation ist: Ein kleiner Streichler mit der Peitsche hier, ein wenig Zug auf die Leine dort, und schon wissen die Tiere genau, was sie zu tun haben. Besonders schön hört sich Christinas Kommando fürs Antraben an: Es gleicht einem lang gezogenen Küsschen. Auf die Fähigkeiten eines Gespannfahrers angesprochen, sagt Christina bescheiden: "Ein bisschen Kraft in den Armen sollte man schon haben." Dass sie außerdem extrem nervenstark sei und sich neue Parcours sehr schnell einprägen könne, fügt die stolze Mama hinzu.

Das beste Pferd im Stall der Wagners ist der 13-jährige Attila. "Im Training würde der sich zwar nie verausgaben, aber wenn es beim Turnier klingelt, dann geht ein Ruck durch ihn - und er ist da", sagt Andrea. Attilas bessere Hälfte ist die 18-jährige Aranka, ein "Kampfpferd - die würde einen nie im Stich lassen". Zusammen hat das Traumpaar mit den blonden Mähnen schon jede Menge Preise abgeräumt. Neu im team ist der sechsjährige Santos, an dessen Aufbau Christina heuer verstärkt arbeiten wird.

Das einzige Problem dabei ist, dass die Wagners trotz der vielen Wiesen um ihr Haus herum bis jetzt keinen Dressurplatz haben. "Es gibt einfach keine geeigneten Flächen zu pachten", klagt die Mutter, "das ist alles so buckelig hier". Also muss Christina ihren Pferden alles auf ihren Fahrten durch die Felder und Wälder beibringen. Das nächste Ziel der jungen Kutscherin ist, einen Vierspänner zu fahren. Fehlt also nur noch ein weiterer Haflinger. Aber dann traut sich wahrscheinlich wirklich keiner mehr, bei Christina mitzufahren. Bis auf die Mama.

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