Ebersberg:Faustschläge ins Gesicht

Ebersberger Amtsgericht verurteilt 26-Jährigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe

Von Alexandra Leuthner

Der Angeklagte kam ohne Anwalt ins Amtsgericht, weshalb ihn Richterin Vera Hörauf erst einmal darüber belehrte, dass er vor Gericht nichts sagen müsse. Er tat es aber trotzdem, und so schilderte der 26-jährige Heimwerksmeister, der im Rhein-Neckar-Kreis zu Hause ist, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr jene Nacht im Juli 2014, die ihm mehrere Strafanträge wegen Körperverletzung eingebracht hatte. Der Fall war im Sommer bereits verhandelt worden, aber zu keinem Abschluss gekommen, weil ein Zeuge nicht erschienen war. Weil nun eine andere Staatsanwältin damit befasst war, mussten alle Aussagen wiederholt werden.

Das Angelbrechtinger Weinfest war nach übereinstimmenden Schilderungen des Angeklagten und mehrerer Zeugen, von denen drei den 26-Jährigen verklagt hatten, Ausgangspunkt der Geschichte gewesen. Auf dem Weg zur S-Bahn waren sie am Poinger Marktplatz aneinander geraten. Dann aber gingen die Darstellungen weit auseinander.

Er habe sich nach der Feier, auf der ordentlich Alkohol getrunken wurde, auf den Weg zur S-Bahn gemacht, die ihn zu seinen Eltern nach Vaterstetten bringen sollte, erzählte der Angeklagte. Vor einer Pizzeria habe er sich auf einen Stuhl gesetzt, etwas abseits von den zwei Bekannten, mit denen er unterwegs war. Dann hörte er, wie sich eine Gruppe grölend und pöbelnd näherte. Von seiner Position aus habe er mitbekommen, wie die jungen Männer Fahrräder umgeworfen und Beleidigungen gerufen hätten. Dann sei er zu ihnen hin, um sie zur Rede zu stellen. "Ich hatte nicht vor, jemanden zu verletzen", beteuerte er, auch wenn er nun mal gern diskutiere, wenn er getrunken habe. Ob er denn auch beleidigt worden sei, wollte Richterin Hörauf von ihm wissen. "Ich bin davon ausgegangen", sagte er, und erklärte auf weitere Nachfrage der Richterin, was das für Beleidigungen gewesen seien: "Schwuchtel und so, weiß nicht mehr so genau."

Er habe dann einen Schlag aufs Knie bekommen mit einem Schirm, und von da an wisse er nicht mehr viel zu sagen. Nur noch, dass seine beiden Begleiter erst später dazu kamen, und dass irgendwann drei Leute auf ihn eingeredet hätten. Wieso einer der jungen Männer plötzlich auf dem Boden lag, wisse er nicht mehr, auch nicht, dass er einen anderen, auf ihm sitzend, mit Faustschlägen traktiert habe. Er habe sich nur selbst schützen wollen, sagte er, zeigte auf seine rechte Wange, und erklärte, er habe bereits zwei Jahre vor dem verhandelten Geschehen einen Masskrug ins Gesicht bekommen. Zwei Narben habe er zurück behalten, unter und über dem Auge, "zwei Zentimeter weiter und ich wäre blind gewesen." Wenn man so was schon einmal erlebt habe, kriege man es schnell mit der Angst zu tun.

Staatsanwältin Astrid Matern zeigte sich von den Ausführungen ganz offenkundig wenig überzeugt, vor allem seine Gedächtnislücken brachten sie ins Grübeln. "An manche Sachen können Sie sich ja gut erinnern", erklärte sie. Die Aussagen der sieben Zeugen brachten denn auch deutlich mehr Licht ins Geschehen an diesem Abend - zumal sich das, was die sechs jungen Männer zu Protokoll gaben, die miteinander unterwegs waren, in wesentlichen Teilen mit den Erinnerungen eines der beiden Begleiter des Angeklagten deckte. Weder hätten sie Fahrräder umgeworfen oder etwas davon mitbekommen, dass es andere getan hätten, noch hätten sie den Angeklagten wissentlich beleidigt. "Wir waren ganz lustig drauf", erzählte einer, "vielleicht sind wir auch ein bisschen grölend durch den Ort gegangen." Doch dann sei der 26-Jährige relativ unvermittelt hinter ihnen aufgetaucht, habe einen von ihnen niedergeschlagen, einen zweiten in die Leiste getreten. Einen Schirm, mit dem der erste Schlag gegen den Angeklagten nach seiner Version geführt worden sei, habe keiner von ihnen zu diesem Zeitpunkt gesehen. Ein Dritter, ein jetzt 23-jähriger Student, hatte dann versucht, den scheinbar völlig außer sich geratenen Mann zu beruhigen, es kam zu einer Rangelei, bei der beide zu Boden gingen. "Glücklicherweise saß ich auf ihm drauf", erzählte er, "ich wusste aber, dass ich keine Chance hatte, also hab ich ihn losgelassen." Der Angeklagte habe auch zugestimmt und erklärt, dass alles nun "okay" sei, ergänzte ein anderer Zeuge. Daran aber hielt sich der Angeklagte nicht, drehte stattdessen den Spieß um, kniete wohl auf den Armen des Studenten und hieb ihm die Faust ins Gesicht. Wie oft, daran konnte sich nicht mal der Geschlagene erinnern. Es war wohl ein vierter Student, der den Angreifer dazu brachte, von dem am Boden Liegenden abzulassen. Anschließend riss er aber noch einem anderen, der nun erst dazu kam, dessen Regenschirm aus der Hand, fuchtelte damit im Stil von "so einem chinesischen Kämpfer" herum traf einen der jungen Männer damit an der Stirn, bevor er das Weite suchte.

Dass er dabei keinen größeren Schaden anrichtete, war ebenso Glück für alle Beteiligten, wie die Tatsache, dass der 23-Jährige mit einer Jochbeinprellung davon kam, wie die Richterin in ihrer Stellungnahme ausführte. Eine ernsthafte Verletzung mit dem Regenschirm hätte als gefährliche Körperverletzung mindestens ein halbes Jahr Haft für den Angeklagten bedeutet. So wurde ihm nur vorsätzliche Körperverletzung sowie versuchte gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Von 180 Tagessätzen, wie die Staatsanwältin gefordert hatte, setzte die Richterin das Strafmaß auf 150 herunter - kein kleiner Brocken für den Heimwerksmeister mit befristetem Anstellungsvertrag, der nur deshalb ohne Anwalt erschienen war, weil er sich die Fahrtspesen für den Vertreter vor Gericht nicht leisten konnte. "Das muss aber sein", so die Richterin, schließlich habe der Angeklagte mit erheblicher Aggression gehandelt. Dass niemand schwerer verletzt wurde und er ein Teilgeständnis abgelegt hatte, "das ist im Rabatt schon mit drin".

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