Ebersberg:Fanfaren aus einer anderen Welt

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Musikalisches Ereignis: Die Formation KLARO! (von links): Drori Mondlak, Karolina Strassmayer, Thomas Stabenow und Stefan Bauer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Altsaxofonistin Karolina Strassmeyer und ihre Band präsentieren im Alten Kino Ebersberg Jazz mit improvisatorischer Gestaltungskraft und poetischen Ideen

Von Claus Regnault, Ebersberg

Jazz kann immer wieder anders sein, neu, eigenwillig, beispiellos. Solche im besten Sinne unerhörte Musik durfte das Publikum im Alten Kino beim Konzert der Formation KLARO! unter ihrer fulminanten Leaderin Karolina Strassmayer erleben. Ein Konzert, in welchem alle mitwirkenden Musiker, der Deutsch-New Yorker Vibrafonist Stefan Bauer, der Bassist Thomas Stabenow und der echte New Yorker Schlagzeuger Drori Mondlak das musikalische Geschehen gleichrangig mit der Chefin mitgestalteten. Natürlich ist unter ihnen die aus der Steiermark stammende Altsaxofonistin Karolina Strassmeyer, festes Mitglied der Big Band des WDR in Köln, der Star und - da der Abend im Wesentlichen aus ihren eigenwilligen Kompositionen bestand - die maßgebliche und stilprägende Stimme. Schon ihre Themen sind so angelegt, dass sich aus ihnen völlig natürlich ihre improvisatorische Gestaltung ergibt. Es war ein Konzert, für welches man neue Ohren brauchte und im Laufe des Abends auch bekam.

Das Ereignishafte an Strassmayers Spiel ist der ganz und gar eigene Charakter ihrer Improvisationskunst, die sich auf abwechslungsreich gestalteter modaler Struktur entfaltet und die sich überraschend neu und frei von den sonst bei Jazzern hörbaren Vorbildern entwickelt. Strassmayer hat durch einen Zufall zum Jazz und zu ihrem Instrument, dem Altsaxofon, gefunden: Sie bekam von einer Schulfreundin eine Kassette mit dem Klassiker "Kind of Blue" von Miles Davis in die Hand, hörte ein paar Takte Altsaxofon von Cannonball Adderly und war für alle Zeiten fasziniert; nach ihrem Musikstudium in Graz führte ein Stipendium sie nach New York und brachte sie zusammen mit Musikern und Klangkulturen aus der ganzen Welt. In diesem Sammelbecken von Kreativität und Talent einen eigenen Weg und einen Platz zu finden, war für die junge Musikerin harte Arbeit, prägte aber auch ihre Eigenständigkeit. Ihr jetziges Spiel hat sich von den Vorbildern gelöst, ist ganz und gar eigene Stimme, kraftvoll und ideenreich. Ihr ist es ein eminent wichtiges Anliegen, einen eigenen musikalischen Ort zu bestimmen und auszudrücken, wobei sie, wie sie in einem Interview erklärte, keineswegs den Jazz neu definieren und Grenzen überschreiten wolle, sondern gerade auch bei Komposition und Improvisation den melodiösen Faden suche.

Kein Wunder, oder doch ein Wunder, dass von Strassmayers Stimme auch das Spiel der drei anderen inspiriert wurde, so vor allem das Vibrafon Stefan Bauers, der Gary Burton-nahe, wahre Klangkaskaden entfaltete; Stabenow als diskreter "Fundamentalist" und Mondlak, der sein Schlagwerk ungemein farbenreich und subtil einbrachte.

Um die Stimmung dieses außergewöhnlich reichen Abends zu charakterisieren, mögen einige Titel von Karolina Strassmayers Kompositionen genannt werden, in denen auch ihre Neigung zu poetischen, mystiknahen, aber dennoch nicht gänzlich unvertrauten Welten zum Ausdruck kommt: "Of Mystery and Beauty" - dies ist auch der Titel des Konzerts -, "Postcard From a Quiet Place", "Of Space and Rest" und "Gently Spoke the Mermaid". Die stärkste Nummer war das Uptempo-Stück "Fanfare from Another World", ein musikalisch mitreißender Aufruf zur Entdeckung von Jazzwelten der anderen Art.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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