Ebersberg: "Es ging wahnsinnig schnell"

Der Abschnitt der B304, der bei Wiesham unter der Bahnstrecke durchführt, ist am Donnerstag noch immer überflutet. Das THW hat alle Hände voll zu tun, um die Wassermassen abzupumpen. Am Mittwochabend regnete es über Ebersberg zeitweise bis zu 60 Liter pro Stunde.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Nach erneut starken Regenfällen werden am Mittwochabend Teile von Ebersberg und Grafing überflutet. Mehrere Straßen sind zeitweise gesperrt, mit am heftigsten erwischt es ein Neubaugebiet in der Kreisstadt.

Kaum zu glauben, dieses Wetter. Stahlblauer Himmel, ein paar Wölkchen, strahlender Sonnenschein. Die Menschen am Ebersberger Marktplatz sitzen im Freien, eine Schülergruppe steht vor der Eisdiele an. Es ist ein Bild, als wäre nichts gewesen. Dabei ist es erst wenige Stunden her, dass der Himmel sich über der Stadt ergoss und der Regen gegen die Fenster peitschte. Diesmal staute sich das Wasser in Ebersberg und Grafing, flutete dort Straßen, Felder, Keller und Ställe.

Nachdem in dieser Woche bereits Frauenneuharting, Jakobneuharting, Aßling und Hohenlinden überschwemmt wurden, musste die Feuerwehren im Landkreis am Mittwochabend innerhalb von vier Tagen zum dritten Mal ausrücken. Feuerwehrler aus der ganzen Region waren an insgesamt 60 Orten im Einsatz, wie Ebersbergs Kreisbrandrat Andreas Heiß mitteilt. Zwischen 20 Uhr abends und zwei Uhr früh waren 260 Feuerwehrleute ausgerückt, so viele wie in den Vortagen zusammengerechnet.

Zwischen 20 Uhr abends und zwei Uhr früh waren im Landkreis insgsamt 260 Feuerwehrleute ausgerückt, so viele wie bei den beiden Hochwassern in den Vortagen zusammengerechnet.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Wegen der schweren Gewitter hatte sich die B 304 auf Höhe Ebersberg innerhalb kürzester Zeit zu einem reißenden Fluss verwandelt. Mehrere Unterführungen liefen mit Wasser voll, vier Autos blieben stecken, darunter ein Kleinlaster, dessen Fahrer an der Unterführung zwischen Ebersberg und Gsprait von der Feuerwehr befreit werden musste.

Ein 46-jähriger Helfer wurde vom Sog mitgerissen

In Wiesham, wo das THW Einsatzkräfte zur Unterstützung hinschickte, stürzte ein freiwilliger Helfer in einen Bach. Durch den Sog wurde der 46-Jährige durch ein Abwasserrohr gedrückt. "Wenn das Rohr blockiert gewesen wäre, hätten wir ein echtes Problem bekommen", sagt Ebersbergs Polizeichef Hendrik Polte. Am Ende sei es glimpflich verlaufen, der Helfer sei ansprechbar gewesen, wurde aber zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht.

Im Neubaugebiet Doktorbankerl pumpt die Feuerwehr noch bis spät in die Nacht Keller aus. Der letzte von 60 Einsätzen endet um zwei Uhr früh.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Donnerstagnachmittag, die B304 ist von der Abfahrt nach Grafing Bahnhof bis zur Gabelung nach Steinhöring noch immer gesperrt, erst am Abend wird die Feuerwehr die Wassermassen abgepumpt haben und die Straße wieder freigeben. Stadteinwärts rattern ebenfalls noch die Wasserpumpen, etwa in der Neubausiedlung "Beim Doktorbankerl", wo die Feuerwehr am Mittwoch bis spät in die Nacht im Einsatz war. "Allein bei mir haben sie drei Stunden lang den Keller ausgepumpt", sagt Sepp Peis, der zwischen Schläuchen und Wasserpfützen durch die Einfahrt stapft.

Er sei dankbar für jede Hilfe, sagt er, das Haus seiner Familie hat es mit am schwersten erwischt. "Ich haben gerade die Kinder ins Bett gebracht, als der Regen anfing", sagt Peis, "es ging wahnsinnig schnell". Wenige Minuten später sei das Wasser durchs Kellerfenster gelaufen. Jetzt stapeln sich vor der Eingangstür Ordner, Stühle, Polstermöbel und ein durchnässter Drucker. "Am bittersten sind die kaputten Hochzeitserinnerungen", sagt Peis. Die durchnässten Fotoalben hat er zusammen mit Abfallkartons auf einer Schubkarre gestapelt.

Der Architekt warnte beim Einzug vor dem Hochwasserproblem

Die meisten sind hier vor eineinhalb Jahren hingezogen, so auch Thomas Meier, 43, der gerade mithilft, den übergelaufenen Gullischacht abzupumpen. Er hatte mehr Glück als die meisten Familien. Die Kellerfenster hielten soweit dicht, dass er und seine Frau das Wasser mit Handtüchern auffangen konnten. "Der Architekt hat schon beim Einzug gesagt, dass es hier im Extremfall Probleme gegeben könnte", sagt er. Für ihn und viele andere sei das Wasser aber dennoch stets eine abstrakte Gefahr gewesen. "Ich glaube dass niemand wirklich daran geglaubt hat, dass es schon so schnell Wirklichkeit werden könnte", sagt er.

Wenn eine Straße zum Kanal wird: Wiesham am Donnerstagnachmiitag.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Neubaugebiet Doktorbankerl befindet sich auf einer Anhöhe zwischen Maisfeldern. Hier leben hauptsächlich junge Familien, zwischen den Fugen wächst noch kein Unkraut, und manche Häuser sind noch nicht ganz fertig. Hört man sich in der Siedlung um, sind fast die meisten vom Hochwasserbetroffen gewesen.

Einige sagen, dass der Regenwasserkanal tiefer sein müsste, also dass der Hochwasserschutz im Neubaugebiet nicht ausreichend ist. Die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Ebersberg macht den intensiven Maisanbau in der Region mitverantwortlich für das Hochwasserproblem, und gibt den Ebersberger Landwirten damit eine Mitschuld.

Kreisbrandrat Heiß ist mit Anschuldigungen vorsichtig. Eindeutig sei, so Heiß, dass der Boden Wassermassen von 40 bis 60 Liter pro Quadratmeter, wie der Wetterdienst meldete, nicht fassen könne. Auffällig sei im Vergleich mit andern Hochwassern, dass die Probleme örtlich begrenzt seien, sagt Heiß: "Früher hat sich das Hochwasser über größere Gebiete ausgedehnt."