Ebersberg:Elfen tanzen aus der Reihe

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Die Formation "Tango Transit" spielt beim Ebersberger Jazzfestival ihr aktuelles Album "Akrobat"

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Einst ist das Akkordeon aus dem deutschen Sprachraum in die Welt gezogen, fuhr, auf Bauch oder Buckel geschnallt, über Straßen und Meere, gelangte auf weit entfernte Erdteile und in die Kneipen und Kaschemmen der Hafenstädte. Und dann hat sich die Welt mit ihren Klangkulturen des Akkordeons bemächtigt. Das Akkordeon, das Instrument der Seeleute und Auswanderer, trug ein Stück Heimat in die Ferne - heute bringt es ein wenig Ferne zurück in die Heimat, so wie bei der Formation Tango Transit, die beim Jazz Festival Ebersberg im Oktober ihre eigene Art Weltmusik präsentiert.

Auch zu Martin Wagner, 48 Jahre alt, ist das Schifferklavier gekommen. Das war, als er ein kleiner Bub von sieben Jahren und bei seinem Großvater zu Besuch war, wo er das Instrument entdeckte. Und er lernte, was man auf dem Akkordeon eben anfangs so lernt: Volkslieder, Polka, Walzer. "Das hab ich gern gespielt", sagt Wagner, "aber dann kam schnell der Tango ins Spiel."

Martin Wagner ist Mitglied des 2008 gegründeten Trios, das sich am 15. Oktober die Bühne im Alten Speicher mit dem Chris Potter Trio teilen wird. "Wir kennen Chris Potter nicht persönlich, aber wir freuen uns, dass wir ein Doppelkonzert mit ihm spielen werden", sagt Wagner. Einen gemeinsamen Auftritt mit dem Starsaxofonisten werde es aber nicht geben.

Das Trio "Tango Transit" ist berühmt für seine Bearbeitungen, für filigrane melancholische Musik sowie für Energie und Ausdruckskraft. (Foto: privat)

Obwohl sich die Mitglieder von Tango Transit - neben Wagner sind das Schlagzeuger Andreas Neubauer und Bassist Hanns Höhn - als gleichberechtigte Stimmen sehen, ist Wagner wohl derjenige, der zum Programm inhaltlich den Löwenanteil beiträgt. Eigentlich seien ja Schlagzeug und Kontrabass diejenigen Instrumente, die näher dran seien an Rock, Pop und Jazz, findet Wagner. "Das Akkordeon ist ein Außenseiterinstrument." Das merke man schon daran, dass er etliche Leute aus der Szene, mit denen seine Musikerkollegen schon gespielt hätten, gar nicht kenne, sagt Wagner und lacht. Aber weil das Akkordeon in einer Jazzcombo irgendwie ein Exot sei, spiele es auch eine besondere Rolle: als Melodieinstrument.

In vielen Musiktraditionen der Welt ist das Akkordeon heimisch geworden - in Cajun und Zydeco, der französischen Musette, in der Musik Afrikas, Brasilien, Kolumbiens, im Klezmer. Sogar amerikanische Swingbands hätten das Akkordeon ins Ensemble geholt. "Da kann man sich schön austoben, aber ich interessiere mich mehr für den Jazz." Der Tango klinge bei seinen Stücken zwar an, bei einem Akkordeon sei das irgendwie unvermeidlich. Tango aber werde auf dem Bandoneon gespielt. Da er Bandoneon nicht spiele, sei seine Musik auch kein echter Tango.

"Unser Ansatz ist es, eigene Musik zu machen, wir betreiben keine Traditionspflege", erklärt Martin Wagner, der mit seinen Musikern lieber neue Wege geht, neue Ausdrucksformen findet. Auf der aktuellen CD "Akrobat" beispielsweise, die die Band auch in Ebersberg vorstellen wird, gibt es drei Stücke, die dokumentieren, welche Art musikalischer Übergänge mit "Transit", diesem zweiten Wort des Bandnamens, gemeint sind. So wird die Band Astor Piazollas bekannte Komposition "Libertango" mit einem verzerrenden Effekt wiedergeben, "das klingt ungefähr wie bei einer E-Gitarre", sagt Wagner. "Uns hat das gut gefallen, also haben wir es so aufgenommen."

Auch die Elfen in Mendelssohn-Bartholdys Musik zum Sommernachtstraum tanzen hübsch aus der Reihe bei ihrem "Elfentango". Diese Aufnahme kam zustande, als der Schauspieler Rufus Beck mit der Band seinen Sommernachtstraum auf die Bühne brachte. "Bei dem Elfentanz hatte ich das Bild kleiner flinker Wesen, die Tango tanzen, im Kopf", erzählt Wagner. "Dem mit flirrenden Akkorden beginnenden Satz wurde eine Bassfigur unterlegt, konterkariert von einer Schlagzeugfigur. Und den ersten acht Takten des Themas stehen acht tangotypische Takte entgegen. Live kommt das sehr gut an." In den Bearbeitungen wolle man aber weder auf Abstraktion noch auf Destruktion des Originals setzen. "Unsere Musik soll gefallen. Und egal, um welches Stück es geht: Wir haben prinzipiell Respekt vor jeder Komposition."

Das Trio Tango Transit spielt am Donnerstag, 15. Oktober, von 19 Uhr an im Alten Speicher Ebersberg vor dem Chris-Potter-Trio. Das Konzert wird vom BR aufgezeichnet. Karten zu 16 bis 28 Euro im Vorverkauf gibt es von Montag an, 7. September, im Foyer des Alten Speichers unter Telefon (08092) 255 92 05 und online unter www.okticket.de. Der Festivalpass kostet 95 Euro.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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