Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander; eine Gesellschaft befindet sich im Umbruch: Im Frühjahr 1984 sollen in Großbritannien landesweit Kohlebergwerke geschlossen werden. Doch nicht, wenn es nach den Kumpel der fiktiven "Umbrage-Zeche" in Nordengland geht: Ihr Anführer, James Thornton, möchte sie zu einem Generalstreik anführen: um die Stärke der Gewerkschaften zu zeigen und ein Mitspracherecht der Arbeiter einzufordern. "Die Regierung hat vor, zwanzigtausend von euch zu entlassen, warf James in die Menge. ,Steht auf, wehrt euch dagegen.'"
Mit ihrem neuen Roman "Cold Britannia" führt die Ebersberger Autorin Ira Ebner ihre Leser diesmal ins Großbritannien der 1980er Jahre und in die Zeit der Bergarbeiterstreiks. Nach fast zwei Jahren Arbeit an dem Roman wird sie bei einer Lesung am Dienstag, 2. Februar, einen Einblick in die Geschichte vermitteln. Diese spielt in einem Jahr, in dem sich die Gewerkschaften einen erbitterten Kampf mit der britischen Regierung unter der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher lieferten. Das Ziel: die Schließung und Privatisierung der Zechen zu verhindern. Doch dagegen ging die Regierung mit harter Hand und unter Einsatz von Polizeitruppen vor.
"Mich hat die Frage beschäftigt, wie es sein kann, dass so ein ungerechtes System hingenommen wird", erklärt die Autorin die Motivation für ihr inzwischen drittes Buch. Dass Ebner sich in ihren Romanen gern mit den Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft auseinandersetzt, hat sie bereits in den vorangegangenen historischen Romanen "Schwalben" oder "Himmel, Erde, Schnee" gezeigt. Doch zum ersten Mal spielt die Handlung nicht in Estland, sondern in Nordengland - einer Region, welche die Schriftstellerin in den 1980er Jahren mehrmals besucht hat.
Besonders wichtig sei es der 38-Jährigen, ihrem Publikum die historischen Fakten aufzuzeigen, dabei aber das soziale Gefüge und die Gefühle ihrer Protagonisten nicht außen vor zu lassen. Deshalb stellt sie nicht nur den Kampf für die Rechte der Arbeiter und Gewerkschaften dar, sondern spiegelt auch die ganz persönlichen Motive der Protagonisten wider: Zum einen muss sich der unglücklich verheiratete James Thornton auch seiner Gefühle für die engagierte Mitarbeiterin Hester Simmons bewusst werden. Kann er seine Familie für diese Beziehung verlassen? Gleichzeitig versucht Hester, ihrer Rolle als gute Tochter und Mitglied der Gemeinschaft gerecht zu werden, ohne ihren Beruf als Gewerkschaftssekretärin und den eigenen Willen aufzugeben. "Ich bin nicht egoistisch, Mum", widerspricht sie ihrer Mutter, als diese sie zu einer Ehe drängen möchte. "Ich bin eine Frau der Achtzigerjahre."
In der Wahl ihrer Figuren und deren Charaktereigenschaften zeigt Ira Ebner, wie sich der Streik nicht nur auf den wirtschaftlichen Kurs Großbritanniens auswirkt, sondern auch auf die Stellung der Frau und der Kultur Nordenglands insgesamt. Und auch die Gegner des Streiks, vertreten von der Journalistin Phyllis Bundle, dem Wirtschaftsboss Alan Delaney sowie der Polizei, erhält in "Cold Britannia" eine Stimme. Auf diese Weise gestaltet die Autorin den Plot äußerst abwechslungsreich. Allein die Sprache des Romans - mit kurzen Sätzen, oft beinahe abgehackten Passagen - macht es dem Leser zuweilen schwer, der Geschichte zu folgen. "Jedes Buch hat seine eigene Melodie", erklärt Ebner. "Ich wollte der Sprache einen industriellen Klang geben." Das gelingt der Autorin zwar durchweg, aber allen Lesern wird der wenig eingängige Satzbau des Roman vermutlich nicht liegen. Doch vielleicht gelingt es Ira Ebner selbst, bei der Lesung den richtigen Ton zu finden.
Die Lesung aus "Cold Britannia", AAVAA-Verlag, findet statt am Dienstag, 2. Februar, um 19 Uhr im Restaurant Akropolis in Ebersberg. Der Eintritt ist frei.