Ebersberg:Ein Friedhof für alle

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Bis vor einigen Jahren war es in den meisten Gemeinde-Friedhöfen im Landkreis nicht erlaubt, Muslime oder ungetaufte Kinder zu beerdigen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lange grenzten die bayerischen Friedhofsverordnungen bestimmte Bevölkerungsgruppen aus. Mittlerweile haben viele Landkreis-Gemeinden ihre Bestimmungen für Beerdigungen gelockert

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

Der Friedhof ist ein Ort der ewigen Ruhe, grüne Wiesen, auf denen in geraden und parallelen Reihen die Gräber angelegt sind. Dazwischen stehen vereinzelt Bäume, Schotterwege ziehen sich über das Areal. Niemand rennt, niemand schreit, die Zeit scheint still zu stehen, auf einem Friedhof geht es friedlich zu, gerade an Allerheiligen, an diesem Dienstag werden wieder viele Landkreisbürger an den Gräbern stehen und den Toten gedenken. Doch hinter den Kulissen ist viel rechtlicher und verwalterischer Aufwand notwendig: So gilt im ganzen Freistaat das Bayerische Bestattungsgesetz, in dem die Regeln für Beerdigungen festgelegt sind. Darauf aufbauend kann jede Stadt oder Gemeinde eigenständig festlegen, wie sie ihren Bürgern die letzte Ruhe gewähren möchte.

Abgesehen von den verschiedenen Bestattungsformen bestimmen die Gemeinden in erster Linie, welche Personen auf ihren Ruhestätten beerdigt werden dürfen. "Der Gemeindefriedhof dient zunächst einmal der Bestattung der eigenen Gemeindebürger und deren Angehörigen", sagte Beate Käser. Sie ist in Markt Schwaben für das Friedhofswesen zuständig und hat so einige Entwicklungen miterlebt. Die Verordnungen seien offener geworden und man habe sich dem Zeitgeschehen angepasst. In Markt Schwaben ereignete sich etwa vor einigen Monaten ein komplizierter Fall: Ein Markt Schwabener war aus der Gemeinde weggezogen und zwei Jahre nach seinem Umzug verstorben. Weil er seinen Hauptwohnsitz geändert hatte, durfte er jetzt nicht mehr im Familiengrab auf dem Markt Schwabener Friedhof beerdigt werden. Der Gemeinderat hielt das für Unfug und lockerte kürzlich die Satzung.

Damit ist Markt Schwaben kein Einzelfall. Inzwischen sind viele Friedhöfe liberaler geworden. "Wir lösen das sehr pragmatisch", sagt auch Erna Junkersfeld, die den Waldfriedhof in Forstinning betreut. Wichtig sei nur, dass eine erkennbare Verbindung zwischen dem Verstorbenen und der jeweiligen Gemeinde besteht. So reicht es aus, selbst lange in der Gemeinde gewohnt zu haben oder dass die Kinder dort noch ansässig sind.

Auch in Bezug auf die Zusammensetzung der Familiengräber sind die Behörden und Kirchen in den vergangenen Jahren kulanter geworden. Früher durften unverheiratete Paare nicht zusammen beerdigt werden, ungetaufte Kinder musste man auf kirchlichen Friedhöfen separat bestatten. Heute sei das anders, sagte Pfarrer Bernhard Waldherr aus der katholischen Pfarrkirche Mariä Geburt in Anzing: "Wir halten uns natürlich an christliche Traditionen, aber es obliegt der Familie, wen sie dort bestatten möchte."

Was auf den gemeindlichen Friedhöfen schon immer erlaubt war, ist nun auch auf vielen Pfarrfriedhöfen zulässig: Die Beisetzung von Mitbürgern einer nicht-christlichen Glaubensrichtung, etwa in Pliening. "Nehmen wir an, die Frau ist Christin und der Mann ein Muslim oder auch religionslos, dann können natürlich beide im Familiengrab beerdigt werden", erklärt Plienings Pfarrer Norbert Joschko. Voraussetzung sei nur, dass die Frau die Eigentümerin der Grabstätte ist.

Gemeindefriedhöfe stehen natürlich grundsätzlich Bürgern aller Konfessionen offen. Soweit zumindest die Theorie, denn Fälle wie vom Plieninger Pfarrer skizziert, kommen nur selten vor. Gerade Muslime sind auf fast keinem Friedhof im Landkreis beerdigt, obwohl sie nach den Katholiken und Evangelen die größte Religionsgemeinschaft im Landkreis bilden. "Andersgläubige sind bei uns die völlige Ausnahme, deswegen waren auch nie Gedanken nötig, wie man mit der Situation umgehen soll", sagte Karin Bodinet, die den Friedhof in Vaterstetten verwaltet. Sogar in den Gemeinden Markt Schwaben und Kirchseeon, in denen die beiden Moscheen im Landkreis stehen, hatten bisher nur eine Anfrage zur Beerdigungen von Muslimen.

Das sei aber keine böse Absicht oder eine Abneigung der muslimischen Gemeinde, versichert Abdullah Yavuz, Jugendleiter der Ditib-Moschee in Kirchseeon, vielmehr gebe es traditionelle Gründe: "Die meisten Muslime lassen sich zu Hause im Kreis der Familie beerdigen, dafür wird der Leichnam in das Heimatland geflogen." In Bayern muss der Leichnam bei einer Erdbestattung in einen Sarg gelegt werden, damit "keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit" zu befürchten sind, wie es im Gesetz steht. Muslimischer Brauch ist es allerdings, den Leichnam nur in Leinentücher einzuwickeln und so direkt unter die Erde zu legen. "Es könnte mit der Sargpflicht zusammenhängen, es gibt aber noch viele weitere Gründe, warum Muslime in ihrer früheren Heimat beerdigt werden wollen, sagt Yavuz. Einen muslimischer Friedhof oder sogar eine Abschaffung der Sargpflicht hält er in der Gemeinde Kirchseeon nicht für sinnvoll, da die Nachfrage danach viel zu gering sei. Ob mit oder ohne Sarg, die meisten Muslime wollen - genau wie Christen, Juden oder Atheisten - ihre letzte Ruhe im Kreise der Familie finden.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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