Ebersberg:Die letzte Reise

Ebersberg: Im Landkreis Ebersberg kann man sich wahlweise mit Namen oder anonym beerdigen lassen, wie hier in Vaterstetten zum Beispiel in einer Urnenwand.

Im Landkreis Ebersberg kann man sich wahlweise mit Namen oder anonym beerdigen lassen, wie hier in Vaterstetten zum Beispiel in einer Urnenwand.

(Foto: Christian Endt)

Im Landkreis Ebersberg werden neben Sarg- und Urnenbestattung auch Sonderwünsche erfüllt. Eine Auswahl

Von Max Nahrhaft

Zwischen Feuer und Erde

Ein durchschnittliches Doppelgrab im Landkreis ist 1,80 Meter lang und einen Meter breit. Zwei Leichname haben dort Platz. Mehrere Dutzend solcher Gräber sind auf vielen Friedhöfen im Landkreis zu finden. Zusätzlich dazu finden sich inzwischen auch immer mehr Örtlichkeiten für Urnen - etwa Stelen, Nischen oder eigene Urnengräber. Erde oder Feuer, Grab oder Urne? Dieser Frage muss man sich vor seinem Tod stellen, wenn man später einmal beerdigt werden will. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es im Landkreis diese beiden Möglichkeiten, sich bestatten zu lassen.

Während in den letzten Jahrhunderten im Christentum die Erdbestattung dominierte, wollen sich heutzutage immer mehr Menschen einäschern lassen. "Der Trend geht eindeutig zur Urne", sagte Erna Junkersfeld, in deren Zuständigkeitsbereich Gemeindefriedhof in Forstinning liegt. Das sei eher ein gesellschaftlicher Prozess, als eine eindeutige Entwicklung, die spezielle Gründe kennt. Trotzdem lässt sich festhalten, dass der große Vorteil der Aschekapsel in ihrer geringe Größe liegt. Gerade auf Ruhestätten mit Platzmangel, wie auf den Pfarrfriedhöfen Anzing oder Forstinning, sind die Urnen eine platzsparende Alternative zu den Erdgräbern. Kosten spart man bei einem Urnenbegräbnis allerdings kaum ein. Während nämlich ein Einzelgrab für zwölf Jahre durchschnittlich 500 Euro kostet, zahlt man für einen Urnenstellplatz im selben Zeitraum nur 100 Euro weniger.

Anonymer Abgang

Den Wunsch nach Anonymität gibt es nicht nur im Internet, sondern auch auf dem Friedhof, wobei dort die Gründe für die Nicht-Öffentlichkeit andere sein dürften. Besonders Alleinstehende ohne Verwandte oder Senioren, deren Kinder sehr weit entfernt wohnen, äußern häufig den Wunsch nach anonymen Bestattungen. Die Gründe dafür seien ganz unterschiedlich, sagte Karin Bodinet, die den Gemeindefriedhof in Vaterstetten leitet: "Viele Menschen haben niemanden in der Nähe, der sich regelmäßig um das Grab kümmern kann", sagt sie. Andere möchten schlichtweg auf die aufwendige Gräberkultur verzichten und lassen sich deswegen namenlos begraben oder in einer Urne bestatten.

Anonym ist der Begrabene nur für Friedhofsbesucher, die Gemeinde weiß natürlich trotzdem immer Bescheid, welche Person in welchem Grab beigesetzt wurde. Diese Daten werden auf Wunsch des Toten nur nicht veröffentlicht, so Bodinet. Diese Entwicklung sei im Moment ganz stark im Gespräch. So bieten neben Vaterstetten zum Beispiel auch die Gemeinde Markt Schwaben und Kirchseeon eine anonyme Bestattung an. Ob der Leichnam dann begraben oder verbrannt wird, spielt für die Anonymität keine Roll. Zwar können die Angehörigen vor der Beisetzung in der Aussegnungshalle noch Abschied von dem Toten nehmen, doch danach verschwinden seine körperlichen Überreste unter der Erde. "Für unsere anonymen Urnengräber haben wir einfach eine Wiese. Dort sind begrünte Betonringe eingelassen, unter denen die Urnen verschwinden", sagt Sabine Koepp aus der Gemeindeverwaltung Kirchseeon.

Die Wurzeln der Existenz

In der Bibel wird der Baum des Lebens thematisiert, und auch die Gebrüder Grimm haben sich in ihren Märchen mit diesem mythischen Naturwunder befasst. Seine Wurzeln reichen bis tief ins Erdreich hinunter und seine Ästen überragen den Himmel. Solche Bäume finden sich nun auch im Landkreis, wenn auch in einer etwas kleineren Form. Auf den städtischen Friedhöfen in Grafing und Ebersberg stehen solche Sinnbilder, die Leben nehmen, es aber auch schenken. Unter alten Bäumen mit ausladenden Ästen sind etliche Urnen begraben. In der Wiese daneben oder am Baum selbst, sind kleine Namensschilder angebracht. Das Prinzip der Baumbestattung klingt einfach.

Immer mehr Anfragen gingen ein von Menschen, die ihre letzte Ruhe in der Natur finden wollten. "Als der Wunsch nach dieser Art von Beisetzung größer wurde, haben wir ein eigenes Areal auf dem Waldfriedhof dafür geschaffen", sagte Markus Weißmüller, der den Grafinger Friedhof verwaltet. Die Urnen werden direkt ins Erdreich in die Nähe der Bäume gelegt und können dort verrotten - und zwar, weil sie biologisch abbaubar sind. Obwohl das auch weniger nüchtern und sachlich gesehen werden kann: Der Mythos besagt nämlich, dass die Asche in der zersetzenden Urne von den Wurzeln des Baums aufgenommen wird. Von dort, so heißt es, können die Überreste des Verstorbenen durch den Stamm in die Äste des Baumes wandern. Diese geben dann den Geist wieder frei und erschaffen Leben. So zumindest besagt es die Literatur. Jeder habe aber individuell verschiedene Gründe, warum er die Baumbestattung bevorzugt, versicherte Weißmüller.

Zum Begräbnis in die Heimat

"Muslime? Bei uns auf dem Friedhof? Nein, davon habe ich noch nie gehört", so die häufigste Antwort auf die Fragen, wo denn Andersgläubige im Landkreis bestattet seien. Dieser Eindruck wird auch mit Zahlen belegt, denn eine Mehrheit der gläubigen Muslime lässt sich in ihrem Herkunftsland - meistens ist das die Türkei - beerdigen. "Ich schätze, dass ungefähr 90 Prozent unserer Verstorbenen zurück in die Heimat geflogen werden. Dort findet dann die Bestattung im Kreis der Angehörigen statt", sagt Hasan Yavuz, Vorsitzender der Ditib-Moschee in Kirchseeon. Er kennt aus seinem persönlichem Umfeld niemanden, der hier im Landkreis beigesetzt wurde. Ähnlich wie die deutschen Christen besitzen viele türkische Muslime schon seit Generationen Familiengräber, in denen sie beerdigt werden wollen. "Das hängt eher mit der Tradition und nicht der Religion zusammen", erklärte der Abdullah Yavuz. Er ist der Jugendleiter der Moschee und der in Deutschland geborene Sohn von Hasan. Religiös, gemäß der islamischen Bräuche könne man sich fast überall bestatten lassen.

Der erste Schritt ist die Waschung, das "gusül", der ganze Leichnam wird also zunächst gereinigt, offene Körperstellen wie Nase oder Ohren werden mit Watte verstopft. Dann folgt das "kefen": Der Tote wird in zwei Leinentücher eingewickelt und dann beerdigt. "Wichtig ist nur, dass das Grab richtig ausgerichtet ist. Das Gesicht des Leichnams muss Richtung Mekka schauen", sagt Abdullah Yavuz. Andere Formen der letzten Ruhe, wie zum Beispiel die Feuerbestattung, würden allerdings nicht den religiösen Vorschriften entsprechen.

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