Ebersberg:Die Anarchie des Menschlichen

Menno Fahl aus Berlin zeigt im Ebersberger Grundbuchamt beim Verein "Die Sonntagsidee" außergewöhnliche Bilder und Skulpturen, die viele Gegensätze in sich vereinen

Von Anja Blum, Ebersberg

Vorneweg: Der Speicher des Grundbuchamtes in Ebersberg ist - wie die Alte Brennerei auch - eine ganz besondere Galerie. Denn dieser Schauplatz bietet Kunst nicht nur einfach Raum, sondern bildet mit seinem historischen Gemäuer, seinen Holzbalken und halbrunden Fenstern auch einen ansprechenden architektonischen Rahmen, der mit den jeweiligen Exponaten in spannende Beziehungen tritt. Besonders prädestiniert ist der Speicher, da er außer Wänden viel Fläche und diverse bemerkenswerte Sichtachsen bereit hält für Ausstellungen, die sowohl Bilder als auch Objekte zeigen. Insofern war es ein Glücksgriff des Veranstalters, des Vereins "Die Sonntagsidee", Menno Fahl einzuladen: Der Berliner ist Maler und zugleich Bildhauer.

Als "tief greifendes Erlebnis" bezeichnet Architekt Manfred Jena von der Sonntagsidee denn auch die Hängung. "Wir haben uns sehr viel Zeit genommen, um Raum und Kunst in Einklang zu bringen." Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Schau ist eine wohl komponierte, überzeugende Präsentation eines - im doppelten Wortsinne - ausgezeichneten Künstlers. Wie entrückt wandeln die etwa 30 Besucher der Vernissage zwischen Gemälden und Skulpturen umher, ihr Verweilen und die knisternde Ruhe im Raum lassen jedenfalls auf viele Momente der Inspiration schließen.

Fahl selbst ist ganz entspannt. Mit leisem, fast verlegenem Lächeln lässt der Künstler die Lobeshymne, die Jena auf ihn hält, über sich ergehen. Danach steht er geduldig Rede und Antwort, ohne Allüren, ohne große Gesten. Menno Fahl wirkt gelassen und bescheiden - obwohl Vita und Werke von seiner Größe zeugen. "Er ist wirklich ein sehr gefragter und hervorragender Künstler", sagt Jena, "und das geht mir hier ganz leicht von den Lippen". Fahl selbst hingegen betont, dass er beileibe kein Solitär am Kunsthimmel sei - sondern einer Tradition verpflichtet.

1967 in Hannover geboren, verschlug es Fahl nach dem Studium der Malerei in Kiel nach Berlin, wo er sich an der Hochschule der Bildhauerei widmete - und seinen Künstlervater fand: Professor Lothar Fischer, Gründungsmitglied der legendären Münchner Künstlergruppe "Spur". "Dieser fühle ich mich bis heute verbunden", sagt Fahl, ihr "Bekenntnis zur Ursprünglichkeit von Form und Farbe, zur freien Figuration, ihre Nähe zum Primitiven" gelte auch für ihn.

In diesem Bewusstsein schafft Fahl außergewöhnliche, vielsagende Werke, die mehrere Gegensätze in sich vereinen: Sie kommen kantig und ernst daher, zeugen zugleich aber auch von einer spielerischen Leichtigkeit. Hier waltet eine Anarchie der Fantasie, die nicht bedrohlich wirkt. Dem ersten, flüchtigen Blick präsentieren sich Fahls Arbeiten als suggestive Abstraktionen, doch sogleich formen sich vor dem innerern Auge durchaus Reminiszenzen an die Wirklichkeit, nämlich organische Strukturen, vornehmlich menschlicher Art. Auch mit der Kraft von Farbe spielt Fahl gekonnt, er setzt deutliche Effekte - und übt sich doch in Zurückhaltung: Seine Palette ist vor allem dunkel getüncht, nie krachend oder gar grell.

Sowohl Fahls Bilder als auch seine Skulpturen sind gekennzeichnet von einem ruppigen Gestus. Oftmals sind deutlich grobe Pinselfahrer zu erkennen, die Farbe ist teils bis zum Aufplatzen pastos aufgetragen, anderswo hat der Künstler klaffende Kratzer hinterlassen. Überhaupt ragen viele seiner zweidimensionalen Arbeiten in den Raum hinein: Neben dicken Collagen aus zahllosen Papierschichten schafft der Berliner gerne Materialbilder, indem er den Spuren seines Pinsels reliefartig diverse Fragmente unterlegt. Noch stärker ausgeprägt ist dieser Spieltrieb freilich bei den Skulpturen: Hier zimmert Fahl allerlei Fundsachen, Holzreste, Eisenteile, Rohre oder Geflechte etwa, zusammen - und erschafft so ein Gegenüber.

Letztendlich ist es hier nämlich so, dass der Kunstbetrachter immer irgendwie in den Spiegel blickt, und sei es ein verzerrter: Fahls Arbeiten offenbaren stets etwas Figürliches, allenthalben entdeckt man Gesichter, Roboter, Paare gar. Und die Titel zeigen, dass dieser Aspekt auch für den Künstler wesentlich ist: Vermutlich nennt er seine Arbeiten nicht zufällig "Tänzerin", "Bischof", "Denker" oder "Nachtfigur". Diesen Kunstwesen und ihren Geschichten nachzuspüren, das macht diese Schau so spannend.

Die Ausstellung von Menno Fahl bei der "Sonntagsidee" im Speicher des Grundbuchamts ist geöffnet an den Sonntagen 14., 21., und 28. Mai jeweils von 11 bis 17 Uhr. Ein Künstlergespräch findet statt zur Finissage um 14 Uhr.

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