Ebersberg:Detektivgeschichten mit Format

Acht Autoren beleuchten im neuen Jahrbuch des Historischen Vereins diverse Themen aus dem Landkreis - und korrigieren damit teils den bisherigen Forschungsstand.

Von Anja Blum

Ihr Sujet sind längst vergangene Zeiten. Und doch schaffen es die Ebersberger Historiker immer wieder, nicht nur bereits Bekanntes auf interessante Weise zu beschreiben, sondern tatsächlich neue Erkenntnisse ans Tageslicht zu befördern. Das beweist ein ums andere Mal das Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis, dessen 17. Band nun erschienen ist.

Acht Autoren, ihres Zeichens ausgezeichnete Fährtenleser, stellen darin ihre Arbeit vor - von Ortsgeschichten bis hin zu kunsthistorischen Untersuchungen. Sie alle haben Detektivarbeit geleistet, sich durch Archive und Bücher gewühlt, alte Urkunden entziffert, Stammbäume durchforstet oder Kunstwerke analysiert.

Wie viel Arbeit hinter den Texten steckt, kann erahnen, wer die zahllosen Anmerkungen und Quellenangaben betrachtet. "Die Autoren wollen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden", sagte der Grafinger Historiker Georg Weilnböck bei seiner Präsentation des Jahrbuchs im Landratsamt, und das sorge für eine noch breitere Akzeptanz des Werks über die Grenzen des Landkreises hinaus.

Genauso wie die Tatsache, dass es mehrere neue Thesen, teils gegen weit verbreitete Meinungen, biete - und so die Diskussion unter Historikern befeuere. "Das ist Qualität, die sich sehen lassen kann", lobte Weilnböck.

Jahrbuch Historischer Verein Landkreis Ebersberg

Vor den Geschichtsforschern im Landkreis ist nichts sicher.

(Foto: privat)

Doch nicht nur für Geschichtsinteressierte sei dieses Büchlein ein wertvoller Schatz, sondern für alle Ebersberger: "Das Wissen um eine gemeinsame Geschichte ist identitätsstiftend und hat daher eine enorme gesellschaftliche Bedeutung." Apropos Büchlein: Der diesjährige Band zählt 267 Seiten und ist damit der umfangreichste in der Geschichte der Reihe.

Gleich drei Aufsätze stammen von Gottfried Mayr, Historiker aus Bad Aibling, laut Weilnböck ein wandelndes Adressbuch des Mittelalters. Und aus diesem immensen Wissen heraus gelinge es Mayr immer wieder, "handfeste historische Fakten" zu destillieren.

Im ersten Text legt er dar, dass der Inn im frühen Mittelalter keineswegs eine strukturelle Grenze zwischen den Bistümern Salzburg und Freising war, in den beiden anderen zeigt er, wie schwierig es ist, Ortsnamen in historischen Urkunden korrekt zu verorten.

Als Beispiele dienen Mayr das Holzen aus den Freisinger Traditionen, das seinen Recherchen nach nicht bei Aßling, sondern bei Indersdorf gelegen hat, sowie ein im Jahre 815 erwähntes Moosach, das er als jenes im Landkreis Ebersberg identifiziert - und auch damit die bisherige Forschung widerlegt. "Da müssen wohl so einige Bücher umgeschrieben werden", feixte Weilnböck.

Jahrbuch Historischer Verein Landkreis Ebersberg

Eine Urkunde.

(Foto: privat)

Nicht unumstritten ist der Beitrag des Ebersberger Geschichtsforschers Rudolf Scharl, der in markanten Böschungen bei Haselbach eine Wehranlage aus der Zeit der Ungarneinfälle entdeckt haben will. Weilnböck bescheinigt dem Autor zwar, seine These mit analytischen Schritten, zahlreichen Vergleichen und dem historischen Kontext untermauert zu haben, doch das Landesamt für Denkmalschutz sowie Kreisheimatpfleger Markus Krammer hatten bereits vor einiger Zeit Zweifel angemeldet.

"Aber nur, weil es Bedenken gibt, ist die Sache noch lange nicht widerlegt - und so etwas befördert doch die Diskussion", rechtfertigt Bernhard Schäfer, Chef des Vereins, die Aufnahme von Scharls Beitrag in das Jahrbuch. Außerdem habe man Krammer die Möglichkeit einer "Gegendarstellung" im selben Heft durchaus eingeräumt. "Aber er hat die Gelegenheit leider nicht wahrgenommen."

Ebenfalls drei Beiträge hat der Plieninger Heimatforscher Willi Kneißl beigesteuert, sie alle widmen sich Markt Schwaben. Er unterzieht die beiden Urkunden, in denen der Ort erstmals erwähnt ist, einer gründlichen Analyse und berichtet, wie die Gemeinde zum Spielball der Mächte wurde - samt Belagerung und Brandschatzung - und 1394 als "Trostpflaster" ihr Wappen erhielt.

Ebersberg: Ein Wappen.

Ein Wappen.

(Foto: Hinz-Rosin)

Eine ausführliche Chronik Falkenbergs, ein einst bedeutsamer Ort mit bewegter Geschichte, hat der Zornedinger Peter Maicher verfasst. Der Rosenheimer Kreisheimatpfleger beleuchtet das ehemalige Stadthaus der Höhenkircher von Tegernau und Eichbichl in Wasserburg.

Drei anonymen Kunstwerken in der Kirche Mariae Heimsuchung in Hohenlinden gilt das Interesse der Vaterstettener Kunsthistorikerin Brigitte Schliewen, während sich die Grafinger Historikerin Eva Niederreiter-Egerer mit einer Kirche beschäftigt, die es nicht mehr gibt: die evangelische Heilandskirche Grafing. Fast in der Gegenwart an kommt der Leser schließlich mit Ebersbergs Stadtarchivarin Antje Berberich, die sich einer Plastik des Künstlers Ferdinand Wörle aus den 80er Jahren widmet.

"Ganz besondere Freude" aber bereitet dem Historischen Verein ein Beitrag, der unter "Mitteilungen und Notizen" firmiert: Darin berichten Kirchseeoner Abiturienten von ihrem preisgekrönten P-Seminar, in dem sie alte lateinische Schriften entziffert hatten und so tief in die Geschichte des Ebersberger Raumes eingetaucht waren. "Wenn die Begeisterung auf junge Menschen überspringt, ist das einfach nur schön", sagte Weilnböck.

Jahrbuch des Historischen Vereins, Band 17, ISBN 978-3-926163-88-2, für 19,90 Euro bei den Buchhandlungen Otter in Ebersberg, Slawik und Brauer in Grafing sowie bei AP Buch in Baldham

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