Brandbrief an Horst Seehofer:Landrat erwägt, Busse mit Flüchtlingen abzuweisen

Ende Januar könnten die Plätze für Asylbewerber im Landkreis Ebersberg erschöpft sein. Dann könnte es zum "Worst Case" kommen: dass das Landratsamt Flüchtlinge nach München zurückschickt.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Wie geht man mit einem Landrat um, der sagt, es geht nicht mehr? Der ankündigt, in einigen Wochen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen zu können und die weiße Flagge zu hissen? Wenn die bayerische Staatsregierung für diesen Fall einen Plan hat, dann hält sie sich dazu jedenfalls recht gut bedeckt. Welche Sanktionen dem Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ob seiner angekündigten Weigerung drohen könnten und auf welcher Rechtsgrundlage, dazu äußert sich jedenfalls weder die Regierung von Oberbayern noch das Sozialministerium auf Anfrage.

In der Staatskanzlei erfährt man, dass ein entsprechender Brandbrief des Ebersberger Landrats an Ministerpräsident Horst Seehofer selbstverständlich beantwortet werde, "das braucht ein bisschen Zeit", so eine Sprecherin. Doch besonders viel Zeit bleibt wohl nicht. Möglicherweise könnten bereits Ende Januar die Kapazitäten im Landkreis erschöpft sein.

Brandbrief an Horst Seehofer: Nachdenklicher Landrat: Robert Niedergesäß weiß nicht mehr, wo er die Flüchtlinge im Landkreis unterbringen soll.

Nachdenklicher Landrat: Robert Niedergesäß weiß nicht mehr, wo er die Flüchtlinge im Landkreis unterbringen soll.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In München gilt aber wohl zuvorderst die Hoffnung, dass der Landrat nicht ernst macht mit seinen Ankündigungen. "Die Herausforderung, derzeit jede Woche in Oberbayern bis zu 2000 Personen unterzubringen, muss auf alle Schultern gleichermaßen verteilt werden; nur mit gemeinsamem Zusammenhelfen kann man zum Ziel zu kommen", heißt es etwa aus der Regierung von Oberbayern.

Man sei in engem Kontakt mit den oberbayerischen Kreisverwaltungsbehörden, was die wöchentlichen Zuweisungen angehe. "Wie in vergleichbaren Phasen einer Plätzeknappheit anderer Kreisverwaltungsbehörden wird auch hier die Regierung von Oberbayern im engen Austausch mit Landrat Niedergesäß alle Optionen prüfen." Welche Optionen das sind? Dazu erfährt man nicht mehr.

Niedergesäß ist nicht der einzige revoltierende Landrat in Bayern, seine Ankündigung ist nur wenig später in der Staatskanzlei eingegangen als die Berichte von der missglückten Kampagne des Landshuter Landrats, der mit einem Bus voller Flüchtlinge nach Berlin gefahren war, um auf die Notlage aufmerksam zu machen.

Ob diese Kampagne nun richtig gewesen sei oder nicht, so Niedergesäß in seinem Brief an Seehofer, darüber gebe es unterschiedliche Meinungen: "Sie hat aber die zunehmende Notlage und die am Boden befindliche Stimmung in unserem Land beschrieben, ein Hilfeschrei, der zumindest Aufmerksamkeit erweckt hat."

Ob auch der Brief aus Ebersberg zumindest beim Adressaten Aufmerksamkeit erweckt hat, ist indes unklar. Landrat Robert Niedergesäß hatte in der Zwischenzeit immerhin mit Regierungspräsident Christoph Hillenbrand telefonischen Kontakt, heißt es aus dem Landratsamt. Ein Termin für ein persönliches Gespräch sei vereinbart. Aus der Bevölkerung erreichten den Landrat "durchweg positive Reaktionen".

Niedergesäß hat sich auch schon etwas konkreter überlegt, wie er nun weiter vorgehen wird: Wenn der Landkreis keine freien Unterbringungsmöglichkeiten mehr habe, werde er die Regierung von Oberbayern und gegebenenfalls auch die Staatsregierung zunächst konkret auf diese Tatsache hinweisen.

Es könnte im "Worst Case" auch der Fall eintreten, dass ein Bus mit Asylbewerbern wieder nach München zurückgeschickt werden müsse oder ein eigener Bus dort hinfahre. Der Eintritt dieses Szenarios ist gerade in dieser Woche noch ein Stück näher gerückt: Anders als geplant kann der Kreis nicht von Februar an eine Arbeiterunterkunft in Poing für die Flüchtlingsunterbringung nutzen, 135 Plätze waren hier eigentlich geplant.

Man versuche, andere Lösungen aufzutun, könne aber freilich nicht garantieren, dass das gelinge, heißt es aus dem Landratsamt. In einem Gespräch mit den Landräten im Oktober hat der Ministerpräsident seinerseits offenbar bereits angedeutet, was in einem solchen Fall passieren könnte - die "Rechtskeule" könnte gezogen werden, wie man es im Landratsamt beschreibt.

Die Staatsregierung könnte in diesem Fall selbst öffentliche Liegenschaften für die Unterbringung von Flüchtlingen zwangsweise in Beschlag nehmen. Landrat Robert Niedergesäß betont, dass das Schreiben auch ein "lauter Hilferuf" sei, um "insbesondere die noch sehr zögerliche Bundesregierung auf die Probleme vor Ort in den Landkreisen und die zu Neige gehenden Kapazitäten aufmerksam zu machen".

Vor allem aufgrund der Tatsache, dass derzeit bereits sechs von zehn landkreiseigenen Schulturnhallen als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden, gerät der Landrat zunehmend unter Druck. Eltern, Vertreter von Sportvereinen und Politiker aus den betroffenen Gemeinden machen immer lauter deutlich, dass sie ihre Sporthallen bald wieder für sich haben wollen. Andererseits hat der Kreis wenig Spielräume, derzeit ist er wöchentlich für die Unterbringung von 61 weiteren Asylbewerbern verantwortlich. In diesem Tempo aber können neue Herbergen gar nicht geschaffen werden.

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