Ebersberg:Der Schatz der Hoffnung

Pippo Pollina im Alten Speicher

Leise und gefühlvolle, raue und kämpferische Töne schlägt der sizilianische Liedermacher und Poet Pippo Pollina bei seinem Konzert im voll besetzten Alten Speicher in Ebersberg an.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Pippo Pollina versetzt das Publikum im Alten Speicher mit gefühlvollen Liedern seiner neuen CD, mit Geschichten, poetischen Texten und rockigen Rhythmen in Tanzlaune

Von Rita Baedeker, Ebersberg

"Und es wird der Tag kommen. . .Wer weiß, vielleicht lachen wir dann oder rennen zusammen. Lassen einen Drachen steigen unten in der Stadt und transportieren so den Himmel in ein Zimmer. . . " Wer weiß! Das Lied "Il Sole che verra", zu deutsch: "Die Sonne, die wieder kommt", ist nicht nur eine Metapher für die Hoffnung, es ist auch der Titel von Pippo Pollinas neuer CD.

Der weite Himmel, der ist im Saal, als der charismatische Cantautore aus Sizilien mit charmantem Zürcher Akzent die CD seinen alten und neuen Fans im ausverkauften Alten Speicher in Ebersberg vorstellt, anfangs vielleicht mit ein wenig zu viel "Saft". Er lässt poetische Balladen, Erinnerungen, Geschichten, und das alles in seiner melodischen Sprache, auf das Auditorium herabregnen, das sich am Ende wohl wie jene Marie fühlt, der Märchengestalt, die mit Golddukaten überschüttet wird. Pollinas Dukaten, das sind Gefühle, kluge Gedanken, ein wacher kritischer Geist. Geboren 1963 in Palermo, studierte der heute 53-Jährige Jura, mit dem Ziel, sich als Journalist gegen die Mafia zu engagieren. Er wurde dann aber doch Musiker. Er lebt in Zürich, was man unter anderem hört, wenn er Worte wie "Krankenkassekärtli" intonationssicher ausspricht.

Am Ende, als die Zugaben beginnen und der lyrische Charakter der Musik sich in ein sizilianisches Feuerwerk mit Hits wie "Caminando" und das alte Partisanenlied "Bella Ciao" verwandelt, tanzen die Zuschauer wie selbstvergessen. Pippo Pollina spielt auf der Klaviatur der Emotionen. Was ihn von anderen, die das auch versuchen, unterscheidet: Er wirkt authentisch, aufrichtig. Zu seinen stärksten Songs gehört "Andarsene d'estate" ("Im Sommer gehen"), gehört das Lied, das er "il nibbio", dem Roten Milan, gewidmet hat und das aus einem familiären Spiel heraus entstanden ist, dazu gehört auch "E laggiù le lampare" ("Da unten die Schiffsleuchten"), ein Lied über das Meer, das er zusammen mit der norwegischen Sängerin Rebekka Bakken aufgenommen hat. Weil sie nicht selbst da ist, läuft auf der Bühnenleinwand ein Video mit ihrer Stimme. Das Meer, es ist im Norden anders als im Süden. Dort weiter Himmel, Einsamkeit, hier tiefes Blau, liebkosende Winde, sprühendes Leben. Pollina kreiert eine Fülle von Bildern, Farben, Landschaften, sinnlichen Eindrücken. Er berührt, ohne rührselig zu werden, er ist weich und romantisch, aber niemals schmalzig und überspannt. Packend auch sein Lied - er nennt es Gebet - über verzweifelte Migranten, die es in Italien schon seit Jahrzehnten gibt. Im Refrain des Songs fragt ein Bub den Vater, wie es wohl sein werde in den Städten der Weißen und ob "wir eines Tages zurückkehren". Die Hoffnung des Kindes ist sein einziger Schatz in Stunden der Angst und Ungewissheit, Hoffnung, die man jeden Tag aufs Neue erobern muss, ist ein Grundnahrungsmittel der Seele, ist Rettung, Auftrag. Mit dieser Botschaft füllt Pollina die Arena di Verona, den Gasteig und andere Säle.

Pollina ist Weltbürger und Europäer, friedliebend, viel gereist, aber auch heimatliebend. Er spricht mehrere Sprachen, darunter ein paar Brocken Bairisch. Er kennt den Schmerz des Vaters, dessen erwachsen gewordene Tochter daheim auszieht, den Schmerz über den Verlust des Freundes, er kennt das menschliche Herz. Und weiß, dass es im Grunde überall gleich schlägt. Sogar im Ring. Und so lässt er eines seiner Vorbilder, den ehemaligen Boxweltmeister Muhammad Ali, damals noch Cassius Clay, zu Wort kommen. Auf der Leinwand läuft ein Film mit Szenen des legendären Kampfes Clay gegen Foreman 1974 sowie Clays Statement von 1967, in dem er den Wehrdienst in Vietnam verweigerte. Lustig, wie Pollina pantomimisch den Stil Clays, der mehr Tanz als Kampf ist, beschreibt und sagt, dass es in Sport und Politik mehr solche Vorbilder geben sollte, ehrliche, empfindsame Menschen, die zu ihren Überzeugungen stehen.

In Ebersberg wird Pollina vom Palermo Acoustic Quintett, einer Band hervorragender Musiker aus verschiedenen Regionen Italiens, begleitet. Neben Bassist Filipo Pdol sind das Drummer Fabrizio Giambanco, Gitarrist Michele Ascolese, Tastenkünstler Gianvito di Maio und der Saxofonist und Klarinettist Roberto Petroli, ein in Jazz und Klassik versierter Virtuose voll lässigen Temperaments, der Pollinas Liedern Schmelz und etwas körnige Schroffheit verleiht.

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