Ebersberg:Demontage eines Heilands

Ebersberg: "Niveau wirkt nur von unten wie Arroganz." Der ehemalige Unternehmensberater Timo Wopp zelebriert sich selbst - als Ekelpaket.

"Niveau wirkt nur von unten wie Arroganz." Der ehemalige Unternehmensberater Timo Wopp zelebriert sich selbst - als Ekelpaket.

(Foto: Christian Endt)

Er ist hier vielen unbekannt, doch seinen Namen sollte man sich unbedingt merken: Timo Wopp. Der Kabarettist entlarvt im Alten Speicher das Gesellschaftsphänomen der Selbstoptimierung als unsympathischen, hohlen Nonsens.

Von Anja Blum

Polt, Pelzig, Schwarzmann, Schleich - das Kulturfeuer in Ebersberg, das an diesem Sonntag zu Ende gegangen ist, hatte einige der ganz Großen im Programm. Fast wie hineingemogelt wirkte da der hierzulande praktisch unbekannte Kabarettist des Samstagabends, Timo Wopp. Seit gerade einmal drei Jahren steht der 37-Jährige mit seinem ersten Wurf, einem Programm namens "Passion", auf der Bühne. Zwar hat es der Wahlberliner bereits auf Münchner Bühnen geschafft, doch weit ist ihm sein Ruf offenbar noch nicht vorausgeeilt. "Das ist mein erster Auftritt in Oberbayern", gesteht er in Ebersberg und meint, von Seiten des Publikums noch eine gewisse kritische Distanz zu spüren. Davon lässt sich Wopp jedoch kein bisschen beirren. Sein Selbstbewusstsein nämlich ist groß, so groß, dass er das ganze Programm um seine Person kreisen lässt. Im Hintergrund prangt das Konterfei des Kabarettisten in Großformat, daneben zwei Fahnen mit seinem Namen. Denn der ehemalige Unternehmensberater lässt das Publikum in den Genuss eines Coachings kommen, dessen zentrales Element die WWTT-Strategie ist: "Was würde Timo tun? - Das müsst ihr euch immer fragen." Er sei der neue Heiland, der Weltenretter, so die selbstherrliche Botschaft, "und ihr könnt alle ein Stück weit werden wie ich".

Wie das bitteschön gelingen soll? Dadurch, dass man beim Gegenüber "kognitive Dissonanz" hervorruft, zum Beispiel. "Ihr müsst darauf achten, eure Aussagen immer durch die Körpersprache zu relativieren, damit keiner weiß, was ihr wirklich meint." Oder durch "asoziale Kompetenz", die man bereits morgens beim Bäcker trainieren könne. "Gehen Sie einfach an der Schlange vorbei und fragen erst nachdem Sie eingekauft haben ganz überrascht: Stehen Sie auch alle hier an?" Aber auch in der Verwendung "kommunikationsunterstützender Tools" schult Wopp sein Publikum: Mittels handelsüblicher Seifenblasen oder einer Packung Hakle Feucht ließen sich im Büro jede Menge unangenehmer Situationen vermeiden, genauso wie mit ordinärem Nachäffen oder einem sorgsam einstudierten "Angewidert-Blick".

Unbeirrbar treibt Wopp sein Coaching auf die Spitze - und führt es so ad absurdum. Anhand einschlägigen Vokabulars, das in atemberaubender Geschwindigkeit über seine Lippen kommt - von "Greift nach den Sternen!" über "Bildet euch zu allem eine Meinung, egal wie schwachsinnig sie ist" bis hin zu "Entschleunigung, aber schnell!" - entlarvt er das Gesellschaftsphänomen der Selbstoptimierung als unsympathischen, hohlen Nonsens. Eine Augenweide ist dabei seine "haptische Powerpoint": eine Jonglage in Korrelation zu einem verbalen Feuerwerk, das den komplexen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt gewidmet ist. Mit nur ein paar weißen Bällen stellt Wopp Chaos, Zeitdruck, fehlenden Durchblick und noch viele Unannehmlichkeiten mehr dar - und das Publikum kommt aus dem Staunen schier nicht mehr heraus.

Ebersberg: "Niveau wirkt nur von unten wie Arroganz." Der ehemalige Unternehmensberater Timo Wopp zelebriert sich selbst - als Ekelpaket.

"Niveau wirkt nur von unten wie Arroganz." Der ehemalige Unternehmensberater Timo Wopp zelebriert sich selbst - als Ekelpaket.

(Foto: Christian Endt)

Allerdings demontiert Wopp sich auch selbst. Mit überschäumender Arroganz blickt er auf sein Publikum hinab und teilt auch ansonsten kräftig aus. Vorzugsweise über Randgruppen macht er sich lustig, seien es Homosexuelle, Zwerge, Dicke oder Ausländer. Am laufenden Band offenbart Wopp Ansichten fernab jeder political correctness - "Man muss Kinder formen, solange ihre Knochen noch weich sind" - und fordert so sein Publikum heraus: Soll man lachen, oder sich empören?

Aufgelöst wird dieser Widerspruch erst im zweiten Teil des Abends, als Wopp zunächst mitleidsheischend von seiner "schweren Jugend" unter Hippie-Eltern erzählt - "Im Fasching dufte ich aus pazifistischen Gründen kein Cowboy sein, sondern musste als Elefant gehen" - nur um anschließend wüst seinen Techniker zu beschimpfen. Da läuft das Fass, absichtlich freilich, endgültig über und die Stimmung kippt. Ein "billiger Zigarettentrick" soll sie wieder heben, doch das ist zum Scheitern verurteilt. Also kommt es im Finale zu einem grandiosen Frust-Tanz im viel zu engen, absolut lächerlichen Elefantenkostüm. Dazu jongliert Wopp wie der Teufel, wuchtet am Ende sogar drei Bowlingkugeln durch die Luft, bis der Schweiß in Strömen fließt. "Ich will doch auch nur geliebt werden", gesteht der geläuterte Messias, und die Absolution des Publikums ist ihm gewiss. Denn was Timo Wopp da macht, das ist neu, das hat Dynamik, Niveau und Relevanz. Diesen Namen sollte man sich unbedingt merken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: