Ebersberg:Chattend helfen

Ebersberg: Innerhalb von 48 Stunden beantwortet Caritas-Therapeutin Heidi Fischer die eingegangen Fragen.

Innerhalb von 48 Stunden beantwortet Caritas-Therapeutin Heidi Fischer die eingegangen Fragen.

(Foto: Endt)

Die Grafinger Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen berät jetzt auch online - kostenlos und anonym

Von Thorsten Rienth

"Ich habe wirklich keine Ahnung, mit wem ich da zu tun habe." Es klingt, als würde etwas gewaltig falsch laufen bei Heidi Fischer aus der Grafinger Fachambulanz für Suchterkrankungen. Doch es ist kein normales Gespräch, von dem die Sozialtherapeutin da spricht. Es ist eines von Tastatur zu Bildschirm und zurück. Seit Oktober bietet die Caritas eine Sucht-Onlineberatung an. Heidi Fischer gehört zu denjenigen, die auf der anderen Seite sitzen und versuchen zu helfen. Genaue Zahlen habe sie noch nicht. "Aber man merkt, dass diese Art der Kontaktaufnahme häufiger wird."

Das Prinzip ist vergleichbar mit einem Chat, der auf einer Online-Plattform basiert. Zum Log-in geht es über die Internetadresse www.caritas.de/onlineberatung. Der Benutzername ist frei wählbar, das Passwort ebenso. Wer auf "Frage stellen" klickt, muss noch die ersten beiden Ziffern der Postleitzahl eingeben, damit alles an eine Beratungsstelle in der Nähe weitergeleitet werden kann. Pseudonym und Passwort sind nötig, um die Antwort später wieder abzuholen.

So geht es hin und her. Von Montag bis Freitag würden die Anfragen innerhalb von 48 Stunden beantwortet, heißt es auf der Caritas-Seite. Der Wohlfahrtsverband will damit Menschen erreichen, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht in eine Beratungsstelle gehen würden. "Alles ist vollkommen anonym und SSL-verschlüsselt", stellt Heidi Fischer klar. SSL steht für Secure Sockets Layer und ist ein hybrides Verschlüsselungsprotokoll zur sicheren Datenübertragung im Internet. Eingesetzt wird es zum Beispiel beim Online-Banking. Nicht einmal eine E-Mail-Adresse ist für die Anmeldung nötig. "Keine Krankenkasse, kein Arbeitgeber bekommt von der Korrespondenz irgendetwas mit", versichert sie. "Auch der Datenschutz ist ausnahmslos gewährleistet." Nach Ansicht der Therapeutin ist eben dies auch der Hauptgrund, warum die neue Beratung ankommt. "Die absolute Anonymität ist aus der Perspektive eines Betroffenen echt attraktiv", sagt sie. "Sich auf den Weg in eine Beratungsstelle zu machen, ist ja auch oft mit Scham verbunden."

Niederschwelliges Angebot nennen Therapeuten das. Es soll die Hemmschwelle senken, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weil - im Falle der Onlineberatung - nichts weiter nötig ist als der Zugang zum Internet. Längst profitieren davon nicht nur die Betroffenen. Sondern auch die Berater. "Je mehr jemand über seine konkrete Situation preisgibt, desto besser kann ich ihn auch beraten." Auch dazu trage die Anonymität schließlich bei. Die Online-Beratung als Beratung der Zukunft? Wie so oft ist die Antwort differenzierter. Ein Nachteil sei beispielsweise, dass die Berater den Ratsuchenden nicht mehr gegenüber sitzen. "Aus Dingen wie Mimik oder Gestik lässt sich viel herauslesen." Dass der neue Kommunikationsweg Beratungen in der Fachambulanz ersetzt, kann sie sich deshalb kaum vorstellen. "Es ergänzt das bisherige Angebot. Wir haben uns sozusagen ans digitale Zeitalter angepasst."

Konkrete Beratungsbeispiele erzählt die Therapeutin, die seit über zehn Jahren in der Suchthilfe tätig ist, freilich nicht. "Auf jeden Fall sind die Fälle deutlich vielschichtiger, als man so glaubt." Suchtprobleme haben eben nicht nur die, bei denen es zum Frühstück Haschisch aus der Wasserpfeife gibt. Sondern auch die, die irgendwann ein Zeugnis voller Sechser oder die Abmahnung aus der Arbeit in den Händen halten. Sucht ist eben nicht nur stoffgebunden. Spielsucht, Kaufsucht oder die Sucht nach dem Smartphone nennt sie als Beispiele.

Genauso wenig wurde die Online-Beratung nur für persönlich direkt Betroffene geschaffen. "Wo es Suchtprobleme gibt, existiert immer auch einen Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis", weiß Heidi Fischer. "Für die sind wir hier natürlich ganz genauso da."

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