Ebersberg:Jazz-Festival: Bilder der Leidenschaft

Jazzkomponist Franz Dannerbauer (mit E-Bass) und sein Sohn Regisseur Valentin Winhart auf dem Balkon des Hauses von Franz Dannerbauer

Regisseur Valentin Winhart hat bei den Dreharbeiten einen neuen Zugang zur Musik seines Vaters Franz Dannerbauer (mit Bass) gewonnen.

(Foto: Florian Peljak)

Die Filme "Whiplash" und "Der getrennte Weg" loten Höhen und Tiefen eines Lebens für den Jazz aus

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Für ein paar grausame Sekunden, ganz am Anfang des Films, sieht es so aus, als gäbe es Schwarz und Weiß in der Musik. Die Farbe der T-Shirts von Schlagzeugschüler Andrew (weiß) einerseits sowie von Lehrer und Schulband-Leader Fletcher (schwarz) andererseits senden derart intensive Signale von der Leinwand, dass einem angst und bange wird. Der kaltschnäuzige Auftritt Fletchers, die Niedergeschlagenheit Andrews tun ihr Übriges, um erste Vorahnungen zu wecken, wie das gemeint ist mit dem Titel "Whiplash" - Peitschenhieb. Die Vorahnungen erfüllen sich. Auch wenn Profimusiker wissen, dass ihre Lehrjahre theoretisch ein Fall für die Menschenrechtskommission wären: Regisseur Damien Chazelle spitzt in dem heuer dreifach oscargekrönten Film das Geschehen derart zu, dass der obsessive Missbrauch einer gequälten Seele schier nicht mehr zu ertragen scheint, selbst mit aller Liebe zur Musik nicht.

Dass der Schein trügt, dass die Leiden(!)schaft des Schülers in ihm so große Kräfte entfaltet, dass er die Ketten sprengen und sich aus der Knechtschaft des Lehrers befreien kann, dass "all that Jazz" letztlich nur so zu erklären und zu verstehen ist - das sind dann allerdings die späteren Bilder der Geschichte, die sich viel tiefer im Gedächtnis des Zuschauers einnisten als der verstörende Beginn. Wie schon lange kein anderer Musikfilm mehr vermittelt "Whiplash" glaubwürdig und aufwühlend, dass Musik das Leben, dass Jazz das wahre Leben und dass Virtuosität die Emanzipation vom Zwang(haften) ist. Weshalb sich Musikfreunde wie Cineasten die Chance nicht entgehen lassen sollten, sich auf diesen Film mit seinem grandiosen Soundtrack einzulassen, eingebettet in das internationale Festival "EBE-JAZZ 15".

Das gilt nicht minder für die Dokumentation "Der getrennte Weg" über das Leben des Jazzmusikers Franz Dannerbauer, der gleich am zweiten Festivaltag zu sehen ist. Auch hier gibt es Berührungspunkte der Musik mit dem wirklichen Leben, nicht zuletzt deshalb, weil es sich um einen Mann aus der Gegend handelt, keine fiktive Filmfigur. Auch hier geht es um Emanzipation, um Qualen, um Entfernung und Annäherung. Auch hier geht es darum, dass es kein Schwarz und kein Weiß gibt, wenn einer eine Biografie erzählt. In diesem Fall hat der Sohn den Vater betrachtet, den Gründer der "Music Liberation Unit", jenes großartigen und geliebten Jazz-Ensembles, das dem leidenschaftlichen Musiker verlockender erschien als die Familie, die gesellschaftliche, bürgerliche Konvention.

Es ist spannend anzusehen, wie kunstvoll Sohn Valentin Winhart, dessen Musen Fotografie und Film heißen, in diesem hochemotionalen Feld die richtigen Bilder findet, um ein tiefenscharfes Porträt aus etwas zu machen, was auch eine Abrechnung hätte werden können. In den Passagen, die sich der Musik und den Auftritten Dannerbauers widmen, spiegelt sich der Respekt des Künstlers für den Künstler. Zwei, die einander lange, aber nicht zu lange auf getrennten Wegen begleitet haben, ohne jedoch die Wirkung einer universellen Sprache zu vergessen, wie sie der Musik innewohnt - und dem Film auch.

"Der getrennte Weg" wird am Mittwoch, 14. Oktober, "Whiplash" am Mittwoch, 21. Oktober, jeweils um 20 Uhr im Alten Kino Ebersberg gezeigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: