Ebersberg:Bello ist zurück

Die Spedition Reischl lässt ihr Firmengebäude mit nostalgischen Graffiti-Motiven verzieren

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Bello bellte selten, im Hauptsitz der Ebersberger Speditions- und Logistik-Firma Reischl war er zwar offiziell der Wachhund, "eigentlich war er aber vor allem die gute Seele des Betriebs", sagt Geschäftsleiterin Christine Reischl. Wenn die Tochter des Speditionsinhabers Georg Reischl von Firmenhund Bello erzählt, schwingt in ihrer Stimme Nostalgie mit - was daran liegt, dass Bello vor etwas mehr als einem Jahr gestorben ist. "Für mich war das emotional schwierig", sagt sie - nach zehn Jahren, in denen Bello am Hof Knochen zerkaute und fast täglich in Reischls Van mitfuhr. "Es hat echt lange gedauert", sagt Reischl, "Mittlerweile kann ich aber wieder normal darüber sprechen."

Die Geschichte eines der größten Betriebe im Landkreis, der seinen geliebten Wachhund verloren hat, wäre wahrscheinlich nichts Außergewöhnliches. Bei der Firma Reischl am Stadtrand von Ebersberg liegt Bello jedoch seit wenigen Tagen wieder wie gewohnt auf seinem Kanapee. Der Mischling aus Leonberger und Berner Sennenhund ist zwar weder von den Toten auferstanden noch hat die Firma einen Doppelgänger gefunden. Stattdessen hat eine Graffiti-Agentur Bello in einem zehn Meter hohen Porträt auf der Betonfassade des neuen Firmengebäudes verewigt. Wer künftig aus Forstinning kommend in den Ort fährt, sieht schon von weitem die treuen Augen eines Hundes, der auf einem Biedermeier-Sofa ruht. Wachhund Bello ist zurück, zumindest ein bisschen.

Ein sonniger Nachmittag am Stadtrand von Ebersberg, auf dem Gelände des Reischl-Neubaus riecht es nach frischer Farbe. David Kammerer, 49, steht mit Latzhose und Mundschutz auf einer Hebebühne und besprüht eine Betonwand. "Wenn wir bei Dunkelheit mit Beamer die Linien auftragen, kommt eigentlich immer die Polizei vorbei und kontrolliert uns", sagt Kammerer, der in der Szene besser unter dem Namen "Cemnoz" bekannt ist. Eine Strafe droht Melander Holzapfel ("Lando"), 42, der das Projekt organisiert hat, und seinen Kollegen für die Graffiti am Stadtrand freilich nicht. Zusammen mit Werner Walossek ("Scout"), 46, bilden Holzapfel und Kammerer das hauptberufliche Künstlertrio der Münchner Graffiti-Agentur "Funky-Fresh". Christine Reischl hat die drei im Netz entdeckt und schließlich im Namen der Firma beauftragt, um den grauen Betonwänden mehr Charme zu verleihen. Vergleichbare Projekte kosten bei Funky-Fresh inklusive Konzeption und Vorbereitung zwischen 20 000 und 40 000 Euro. Drei Künstler, 30 Jahre Erfahrung im Graffiti-Handwerk haben ihren Preis.

"Wir wollten die Halle auf witzige Weise umgestalten", sagt Reischl. "Es soll dabei rauskommen, was sich hinter den Mauern befindet und was dort gemacht wird." Damit die wuchtigen Betonflächen eine transparente Illusion erzeugen, hat Reischl zusammen mit den Münchner Künstlern ein Design entwickelt, das sich durch alle Motive durchzieht. Demnach erzeugen die gemalten Rahmen die Illusion, als wäre dort die Wand aufgebrochen, sodass man in das Gebäude hineinschauen kann. Stilistisch sind die Formen im Cartoon-Stil gehalten, sodass sich niemand ernsthaft vor dem überdimensionalen Hund fürchten dürfte. "Uns ist klar, dass es auch Leute geben wird, die vielleicht einen anderen Kunstgeschmack haben", sagt Holzapfel.

Die Wölkchen sind verschwunden, Holzapfel hat Perlen auf der Stirn. Kurz rein ins kühle Gebäude, wo die Künstler ihre Farbdosen, Sprühköpfe, Spachteln und Klebebandrollen lagern. Bis Ende kommender Woche sollen alle vier Motive fertig sein, darunter ein Eber als Symbol für die Stadt und ein Bus, mit dem die Firma von 1961 an Möbel transportierte. Mittlerweile steht der Bus im Deutschen Museum, es braucht deutlich mehr Stauraum als noch zu Gründungszeiten vor 86 Jahren. Deshalb wurde e auch das neue Gebäude gebaut, das Ende April fertig wurde. Demnächst soll auf drei Stockwerken ein Archiv eingerichtet werden. Hinter Bellos Schnauze lagern dann Bücher, Akten und archäologische Fundstücke. Ob sich darunter zerkaute Knochen befinden, bleibt Betriebsgeheimnis.

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