Ebersberg:Wenn aus hundert Helfern zehn werden

Ebersberg: Ein Kreis ohne Helfer (Symbolbild).

Ein Kreis ohne Helfer (Symbolbild).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Den Asyl-Helferkreisen im Landkreis gehen die Freiwilligen aus. Die Anforderungen sind gestiegen, vielen ist es zu kompliziert - und manche werden wegen ihres Ehrenamts bedroht.

Von Korbinian Eisenberger

Im Container-Dorf in Markt Schwaben liegt eine Liste; sie ist etwas mehr als ein Jahr alt, umfasst mehrere Seiten und etwa hundert Namen. Wer hier unterzeichnet hat, wird als Mitglied des örtlichen Asylhelfer-Vereins geführt, dem "Aktivkreis Flüchtlinge Markt Schwaben".

Vor einem Jahr, da halfen sie alle zusammen: Der eine besorgte Fahrräder, der andere organisierte Kleidung, die Lehrer gaben Deutschkurse, die Juristen halfen bei den Asylanträgen. "Fast jeder auf der Liste hat seinen Teil beigetragen", sagt Tobias Vorburg, der Vorsitzende. Mit der Zeit wurde die Zahl der Helfer dann überschaubar - die Flüchtlinge blieben, doch von den Mitgliedern des Aktivkreises machten immer weniger aktiv mit. "Von den hundert sind jetzt noch zehn bis 15 übrig", sagt Vorburg.

Den Flüchtlings-Helferkreisen gehen die Helfer aus, nicht nur in Markt Schwaben. Im Landkreis Ebersberg berichten fast alle Helferkreise der größeren Gemeinden von Schwierigkeiten. In Zorneding ging der Helferkreis vor dem geplanten Bau einer neuen Asylunterkunft an die Öffentlichkeit und teilte mit, dass "jetzt schon ein Mangel an Helfern" herrsche.

Wie kam es dazu? War es die Kölner Silvesternacht? Der europaweite Rechtsruck?

Der Plieninger Helferkreis erklärte in einem Schreiben, dass der Vorstand wegen fehlender Kräfte am 9. November ein Treffen veranstalte, "um neue Mitglieder zu mobilisieren", wie Vereinssprecher Stefan Seizl mitteilt. Und auch die Helferkreise in Kirchseeon, Poing und Vaterstetten erklären auf Nachfrage, dass die Zahlen ihrer Ehrenamtlichen zurückgegangen sind.

Ein gutes Jahr nach Beginn des starken Flüchtlingszuzugs nach Deutschland ist die Anfangseuphorie in Bayern verflogen. "Der Hype ist vorbei, es ist nicht mehr chic, sich für Flüchtlinge zu engagieren", sagt Monika Steinhauser, Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrat, wo Helfer aus der Region beraten werden. Mittlerweile müsse man sich im Bekanntenkreis eher rechtfertigen, wenn man sich engagiert, so Steinhauser - eine Aussage, in der Frust mitschwingt.

Wie kam es dazu? War es die Kölner Silvesternacht? Der europaweite Rechtsruck? Oder ist es ein Problem des Ehrenamts an sich? Jost Herrmann, dem Koordinator und Sprecher der Organisation "Asylhelfer Bayern", sind diese Erklärungen zu undifferenziert. Die Hilfsbereitschaft des letzten Jahres sei zwar verpufft, sagt er. "Bei einem Hochwasser ist das aber auch nicht anders".

Drohbriefe und Verbalattacken gegen Helfer

Wie so oft hat das Problem mehrere Gründe, und der Kern liegt wohl im Detail. "Die Arbeit ist kompliziert und frustrierend geworden", sagt Josef Stettner, 67, der seit zwei Jahren den Helferkreis Vaterstetten-Grasbrunn koordiniert. 2015 organisierten die Helfer Ausflüge, Kleidersammlungen und Kontakte zu Sportvereinen. Jetzt geht es um Themen wie Arbeitserlaubnis, Wohnungssuche und Behördensprache.

Viele Helfer fühlten sich damit überfordert, sagt Stettner, besonders hart sei, wenn der Ablehnungsbescheid käme. "Du hast zu einem Menschen eine Bindung aufgebaut und erklärst ihm dann, dass er das Land verlassen muss", sagt Stettner. Mit 370 eingetragenen Mitgliedern ist sein Helferverein auf dem Papier einer der größten im Landkreis Ebersberg. "Mittlerweile helfen aber nur noch 80 mit", sagt Stettner.

In Pliening, wo am Montag nach einem Brand 200 Flüchtlinge aus einer Traglufthalle evakuiert werden mussten, fehlt es ebenfalls an Ehrenamtlichen. Dort fühlt sich der Helferkreis vom Landratsamt im Stich gelassen. Die Mitarbeiter dort würden die Arbeit der Helfer nicht unterstützen, sondern durch bürokratische Hürden erschweren. Ähnliche Beschwerden kommen aus Markt Schwaben. Bei Problemen mit Flüchtlingen steht das Ebersberger Landratsamt immer wieder in der Schusslinie, so wie in den Landkreisen Weilheim-Schongau, Erding oder Traunstein, wo ebenfalls viele Helfer unzufrieden mit den Landratsämtern sind.

Das Ehrenamt durchlebt schwere Zeiten

Wie man es auch dreht und wendet, und egal ob Helfer die Verantwortung für die Probleme im Landratsamt oder bei der bayerischen Staatsregierung sehen: Das Ehrenamt durchlebt schwere Zeiten, das haben sie auch in Kirchseeon festgestellt. Der dortige Helferkreis teilt mit, dass eines seiner Mitglieder mehrfach bedroht worden sei - drei Drohbriefe und Verbalattacken auf der Straße.

Es gibt zwar weniger die helfen, Vorsitzende Sonja Naumann bleibt dennoch positiv. "Es gab auch Zweifler, die uns mittlerweile unterstützen", sagt sie. Das Landratsamt habe vor vier Wochen Profis von der Caritas zur Unterstützung bereitgestellt, "das hat vieles erleichtert", sagt Naumann. Viele Kirchseeoner Asylbewerber hätten einen Platz in einer Schule, eine Ausbildung oder eine feste Arbeitsstelle gefunden.

Am Ende geht es um die Integration der Flüchtlinge, nicht um den Stolz der Helfer, so sehen das die meisten, die sich engagieren - auch Dieter Finkhäuser vom Poinger Helferkreis. Er berichtet ebenfalls von einem Helferschwund, Finkhäuser führt das aber nicht auf mangelnde Motivation der Ehrenamtlichen zurück, sondern auf die sinkende Nachfrage. "Viele Flüchtlinge gehen mittlerweile arbeiten und wollen unsere Hilfe gar nicht mehr", sagt er. Von ursprünglich 20 Deutschkursen gebe es nur noch drei.

Er weiß nicht, ob die Poinger Flüchtlinge stattdessen auf ihren Arbeitsstellen Deutsch lernen - aber er hofft es: "Das wäre eine Form von gelungener Integration."

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