Ebersberg:Auch die Ärzte leiden

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Totgeburten sind in der Kreisklinik selten, kommen aber vor

Von Katharina Behmer

In der Kreisklinik werden jährlich etwa 600 Kinder geboren. Unglücklich endende Schwangerschaften sind hier "Gott sei Dank selten", erklärt die Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Julia Neff. Dieses Jahr hat es in im Ebersberger Krankenhaus nur einen Fall gegeben, bei dem das Kind nicht überlebte. Das allerdings "ist für alle Beteiligten hart", sagt die Ärztin. Wenn sie von einer Hebamme bei einer Kontrolle hinzugerufen wird, hat sie erst mal immer ein "ungutes Gefühl". Bei negativem Befund ist es ihre Aufgabe, den Eltern die Situation zu erklären, obwohl das Medizinstudium sie darauf nicht vorbereitet hat. "Ich bin nicht so der Mensch, der um den heißen Brei herumredet", sagt sie. Sie gibt den Eltern die Möglichkeit, mit auf das Ultraschallbild zu schauen und zeigt ihnen, dass das Herz nicht mehr schlägt. Dann lässt sie das Paar alleine - gibt ihm Zeit, zu besprechen, was nun ansteht.

Sterben Kinder noch vor der Geburt, gibt Neff "in der Regel die Empfehlung zur Entbindung", da das Risiko für die Mutter bei einem Kaiserschnitt häufig zu hoch sei. Der Ablauf ist ähnlich wie bei anderen Geburten, "das rein Geburtsmechanische ist ja gleich". Nur die Herzschlagfrequenz des Babys überwacht Neff bei einer so genannten "stillen Geburt" nicht mehr. Still, da kein Babygeschrei zu hören ist. Auch nicht das von anderen Kindern - da die Geburt in diesen Fällen "fernab" der anderen Geburten abläuft. Um Angst vor folgenden Schwangerschaften zu mindern, wird der betroffenen Mutter eine schmerzlindernde PDA angeboten.

Schwer genug ist es für die Eltern zu begreifen, was geschehen ist. Deshalb bietet die Kreisklinik Fotos und Fußabdrücke als Erinnerungsstücke an. Früher mussten die tot geborenen Kinder häufig nackt bleiben. Zu klein sind die leblosen Körper für normale Säuglingskleidung. "Das war für mich total unvorstellbar", sagt die Grafinger Geburtsbegleiterin Margareta Kloppenborg. Nachdem sie durch ihre Arbeit mit dem Thema konfrontiert worden war, begann sie durch das Projekt "Schmetterlingskinder" Kleidungsstücke für die verstorbenen Säuglinge zu häkeln und zu stricken. Ein Paket umfasst Kleidung in drei verschiedenen Größen, ein Schlafsäckchen, da Hände und Füße oft noch nicht richtig ausgebildet sind, Kerzen und Erinnerungsmaterial.

Auch das Krankenhaus Ebersberg nimmt die Pakete in Anspruch. "Für die Bewältigung ist es wichtig, sein Kind noch einmal anzusehen. So ein Verlust ist ein massives Trauma", erklärt Ärztin Julia Neff. Zwischen der Diagnose, der Geburt und dem Abschied liegen oft nur wenige Stunden. "Obwohl das Paar häufig noch gar nicht dazu bereit ist, müssen dann in einem relativ engen Zeitraum die Formalitäten besprochen werden." Auch wenn Totgeburten selten sind, nimmt sie das Thema mit: "Das Schlimme ist, dass einem diese negativen Sachen eher im Gedächtnis bleiben." Der Ärztin hilft es, mit Kollegen zu sprechen.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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