Ebersberg:Attacke in der Walpurgisnacht

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Ein Vater muss sich vor Gericht verantworten, weil er seine Tochter rächen wollte

Von Stefanie Deimel, Ebersberg

In der Walpurgisnacht sollen sich einst zahlreiche Hexen auf dem Blocksberg versammelt haben. Sollen gefeiert, sollen gezaubert haben. Die Walpurgisnacht, sie gilt als eine besonders magische Nacht.

Weniger magisch ging es an dem Abend im vergangenen Jahr in Kirchseeon zu, wo die Nacht vom 30. April auf den ersten Mai traditionell am Marktplatz gefeiert wird. Ein 45-jähriger ortsansässiger Mann musste sich nun am Amtsgericht Ebersberg wegen Körperverletzung verantworten, weil er in jener Nacht des vergangenen Jahres auf der Treppe der St. Josephs-Kirche mit einigen Jugendlichen ins Gerangel gekommen und zudem handgreiflich geworden sein soll - so der Vorwurf zu Beginn des Prozesses.

Nach eigener Aussage war der Mann auf dem Weg zur abendlichen Veranstaltung, um seine Tochter abzuholen. Die habe ihm dann erzählt, eine Mitschülerin habe sie gemobbt. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass dem Mädchen diverse Beleidigungen an den Kopf geworfen wurden. Bereits vor einigen Jahren hätten die Hänseleien ihren Anfang genommen. Inzwischen sei seine Tochter nach einem Selbstmordversuch in einer Münchner Klinik, so der Angeklagte.

Mit der Tochter im Auto traf der Vater die vermeintliche Mobberin auf Höhe der Kirche in Kirchseeon an und stieg aus. Der Angeklagte gab an, er habe nur ein klärendes Gespräch gesucht, ohne aber dabei handgreiflich geworden zu sein. Erst als weitere Jugendliche hinzugekommen seien, sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen. Dabei habe sich der Angeklagte "nur gewehrt".

Im Gerichtssaal fiel es dem Angeklagten sichtlich schwer, das Geschehen detailliert wiederzugeben. Auf wiederholtes Nachfragen von Staatsanwalt und Richterin versuchte ihn sein Anwalt zu unterstützen: "Er ist unbeholfen in dem, wie er sich ausdrückt", aber sein Mandant würde dabei doch sein Bestes geben.

Nachdem der Angeklagte seine Version geschildert hatte, folgten die Gegenaussagen jener Jugendlichen, die auf die Treppe vor der Kirche hinzugekommen waren. Sie seien gekommen, weil das Mädchen sichtlich Hilfe gebraucht hätte. Der Angeklagte habe der 15-Jährigen beim Gespräch den Weg versperrt, sie gegen eine Wand gedrückt. Beim Versuch, den Familienvater zu besänftigen, sei es zu einer Schubserei gekommen, anschließend habe der Angeklagte einen der Jungen gewürgt. Erst durch zwei Ordnungshüter, die für die Walpurgisnacht anwesend waren, konnte die Situation entschärft werden.

Dem Angeklagten war währenddessen seine Unsicherheit noch immer deutlich anzusehen - er wippte unruhig mit seinen schlanken Beinen, blickte in die Ecke, verschränkte die Arme.

Schließlich sagte das 14-jährige Mädchen aus, mit dem der Kirchseeoner das Gespräch gesucht hatte. Sie machte schnell klar, dass sie "einen blauen Fleck" von dem Druck gegen die Wand davongetragen habe, dabei jedoch nicht gewaltsam gepackt worden sei. Die Vorwürfe des Mobbings stritt sie ab, Beleidigungen habe es nie gegeben.

Richterin Vera Hörauf konzentrierte sich schließlich darauf, dass der Angeklagte einen der Jungen, der einschreiten wollte, gewürgt haben soll. Dafür gab es nämlich klare Anhaltspunkte: Fotos, auf denen sich deutliche Spuren am Hals des mutmaßlichen Opfers erkennen ließen.

"Wir haben jede Menge widersprüchliche Zeugenaussagen", so der Anwalt des Angeklagten. Er versuchte noch, das Handeln seines Mandanten auf die vermeintlichen Mobbingattacken gegenüber dessen Tochter zurückzuführen und forderte, die psychisch kranke Tochter an einem weiteren Prozesstag als Zeugin zu laden - eine Forderung, die er "nicht stellen möchte, aber müsse." Zudem bemängelte er, dass er bis auf ein Telefonat vom Vorabend nicht die Gelegenheit gehabt hätte, ausführlich mit dem Angeklagten zu reden.

Den Prozess zu vertagen, lehnte die Richterin ab. Allerdings bot sie an, eine fünfminütige Pause einzulegen, in der sich Angeklagter und Rechtsanwalt draußen auf dem Gang noch einmal beraten konnten. Als sie zurückkehrten, entschuldigte sich der 45-Jährige gegenüber dem gewürgten Jungen. Dieser nahm die Entschuldigung mehr zur Kenntnis, als tatsächlich an.

Nach zwei Stunden stellte die Richterin das Verfahren schließlich gegen eine Geldauflage ein, die die finanzielle Lage des Vaters von drei Kindern berücksichtigte. Kurz wurde noch über den Spendenempfänger verhandelt, nun muss der Angeklagte 150 Euro innerhalb von sechs Monaten an eine Kinderschutzeinrichtung in München zahlen. "Das ist ja wie auf dem Basar hier", rief daraufhin jemand aus der hinteren Besucherreihe, in der sich Familienmitglieder und Freude der Zeugen niedergelassen hatten.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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