Ebersberg:Am Anschlag

Der Jahresbericht der Kreis-Caritas offenbart einen teils gravierenden Mangel an Personal. Menschen in Existenznöten kann nicht langfristig geholfen werden, für internetsüchtige Jugendliche gibt es kein Angebot. Ohne Ehrenamtliche geht es mancherorts nicht mehr

Von Anja Blum, Ebersberg

"Ich bin dabei!" So lautet das Thema des Jahresberichts 2014 der Caritas im Landkreis Ebersberg. Damit sollen jene Menschen, die sich ehrenamtlich für die Caritas engagieren, in den Mittelpunkt gerückt werden. Sie unterstützen die Suchtprävention, das Elterncafé und die Grafinger Tafel, sind als Alltagsbegleiter, Nachhilfelehrer oder als Ämterlotsen im Einsatz. "Die Freiwilligen sind eine wichtige Säule unserer Arbeit", sagt Kreisgeschäftsführer Andreas Bohnert. Das unterstreicht auch der Jahresbericht, denn er offenbart einen teils gravierenden Personalmangel. Im Bereich Pflege und bei der Suchtambulanz hat er bereits zu Einschränkungen des Angebots geführt.

Besonders deutlich sei die Bedeutung eines guten Zusammenspiels der ehren- und hauptamtlich Mitarbeiter beim Thema Asyl geworden, heißt es in dem Resümee. Helferkreise bieten Familienpatenschaften, Nachhilfe, Deutschkurse, Kulturaustausch, Kinderbetreuung und vieles mehr für Flüchtlinge an. "Aber ohne eine gute Koordination und Betreuung, ohne eine gute Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen stoßen Ehrenamtliche an ihre Grenzen", so Bohnert. "Gleichzeitig können unsere Berater ohne die Helferkreise vor Ort keine so umfangreiche Unterstützung bieten." Die Asylsozialarbeit der Caritas werde in Kürze mit einem Mitarbeiter starten. Andererseits warnt der Caritas-Chef vor der Verlagerung sozialer Aufgaben auf das Ehrenamt: "Bürgerschaftliches Engagement darf keine billige Lösung für soziale Dienstleistungen sein, sondern muss eine fruchtbare Ergänzung bleiben", so Bohnert.

2113 Personen wurden im Jahr 2014 von der Ebersberger Caritas beraten. Davon fanden die meisten Hilfe in der Fachambulanz für Suchterkrankungen (693 Menschen) und bei der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche (531 Familien). Insgesamt aber hat die Zahl abgenommen: 131 Personen wurden weniger beraten als im Vorjahr. Der Jahresbericht erklärt dies mit mehreren Veränderungen und Lücken beim Personal. Die entscheidendsten Wechsel fanden auf den beiden Führungspositionen statt: Kreisgeschäftsführer Ludwig Mittermeier verließ das Caritas-Zentrum, seine Rolle übernahm Andreas Bohnert. Außerdem ging die stellvertretende Zentrumsleiterin Maria Sommer in den Ruhestand, ihr folgte Christine Deyle nach.

Besonders eklatant war die Personalnot in der Sozialstation, deren Mitarbeiter kranke, gebrechliche Menschen sowie deren Angehörige betreuen. Diese Abteilung verlor im Laufe des vergangenen Jahres zwei Pflegekräfte sowie eine Palliativfachkraft, konnte bislang aber nur eine der Stellen wieder besetzen. Das hatte zur Folge, dass die Sozialstation gezwungen war, vermehrt Pflegeanfragen abzusagen. Dem gegenüber steht der neue Dienst "Alltagsbegleitung", den vergangenes Jahr 53 Patienten in Anspruch nahmen. Er wurde geleistet von 25 Ehrenamtlichen.

Überlastet sind offenbar auch die sozialen Dienste der Caritas: Bei deren Beratungsstelle für Menschen in existenziellen wirtschaftlichen Nöten sei "aufgrund der wachsenden Anfragen eine Langzeitbegleitung oft nicht möglich" gewesen, heißt es in dem Bericht. Im Jahr 2013 zählte man bei der sozialen Beratung noch 117 Fälle, 2014 bereits 139.

Einschränkungen gab es auch im Bereich der Fachambulanz für Suchterkrankungen. Hier wurde zum Beispiel eine Zunahme der Onlinesucht festgestellt, insbesondere bei jungen Menschen. Dies könne gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung von Jugendlichen haben, zudem sei dadurch oft das Familiensystem nachhaltig beeinträchtigt. Die Entwicklung eines speziellen Beratungsangebotes für diese Fälle habe man jedoch aufgrund knapper personeller Ressourcen nicht umsetzen können. Eine besondere Zielgruppe stelle auch der Kreis der jungen Cannabis- und Alkoholkonsumenten dar. "Hier müssen wir aber feststellen, dass die bestehenden Programme aufgrund des Alters und der Problemausprägung in der Regel nicht geeignet sind." Daher benötige man dringend einen Mitarbeiter mit spezieller Ausrichtung auf diese Zielgruppe. Ein entsprechender Stellenausbau werde beim Bezirk Oberbayern für 2015 beantragt.

Bereits gelungen ist es, die Behandlung von Drogenabhängigen zu verbessern. Man habe das Netz aus Ärzten, Apotheken und Fachkräften ausbauen können. Doch auch hier kann von Überfluss keine Rede sein: Nun könne die Versorgung im Landkreis als annähernd ausreichend, jedoch noch nicht als gut bezeichnet werden, schreibt die Caritas. Denn: "Im bestehenden Hilfesystem darf es zu keinen Ausfällen kommen, da andernfalls sofort wieder ein Engpass entstehen würde. Außerdem müsse der östliche Landkreis besser angebunden werden." Bei der Betreuung substituierter Drogenabhängiger geht es um "Stabilisierung, Krisenbewältigung und die Reduzierung des Beikonsums".

Positiv ist, dass der Bezirk Oberbayern weitere Plätze im Bereich des betreuten Wohnens bewilligt hat. Nun kann die Suchtambulanz 21 Menschen, die seit Jahren an einer Sucht erkrankt sind, in ihren Wohnungen betreuen. Aktuell sind sogar noch Plätze frei. Durch die intensive Unterstützung soll eine Verschlimmerung vermieden und eine eigenständige Lebensführung aufrechterhalten werden.

Richtig angelaufen sei 2014 das neue Projekt "Clever Kids". Es besteht darin, dass Ehrenamtliche Kindern aus benachteiligten Familien Nachhilfe geben. Laut Caritas ist die Nachfrage durchaus groß - "aber leider haben wir nicht genügend Ehrenamtliche, um ihr gerecht zu werden". Es werden dringend weitere Nachhilfelehrer gesucht. Besonders wichtig sind die Ehrenamtlichen auch für die Grafinger Tafel, sei es bei der Essensausgabe oder als Fahrer. "Nur der hohe Einsatz der Helfer und ihre Flexibilität ermöglichen die Unterstützung so vieler Kunden", schreibt die Caritas. Denn die Nachfrage nach kostenlosen Lebensmitteln sei ungebrochen hoch, gerade Rentner und Alleinerziehende seien oftmals darauf angewiesen, aber auch die zunehmende Zahl von Flüchtlingen mache sich bemerkbar: 2014 waren 60 Haushalte beziehungsweise 90 Personen bei der Grafinger Tafel angemeldet.

Grund zur Freude geben zwei Jubiläen: Die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche besteht seit 60 Jahren, die Fachambulanz für Suchterkrankungen seit 20 Jahren. Beides wird jeweils mit einem Festakt und mehreren kleinen Aktionen gefeiert.

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