Ebersberg:Ärger im Biergarten

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Die Gewerkschaft klagt zu Beginn der Freiluftsaison über einen "Mehrarbeits-Marathon" von Bedienungen. Die Wirte wehren sich gegen die Vorwürfe und sprechen lieber von flexiblen Arbeitszeiten.

Von Klemens Hering, Ebersberg

Unbezahlte Überstunden und 14-Stunden-Schichten sind mit modernem Arbeitsrecht nicht zu vereinbaren, jedoch Realität für viele in der Gastronomie tätige Mitarbeiter. Das wirft die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) den Wirten vor - auch im Landkreis Ebersberg. Die hier rund 1400 Teil- und Vollzeitkräfte in Hotels, Restaurants und Gaststätten "schieben einen enormen Überstunden-Berg" vor sich her, klagt die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung. Das sehen die Wirte im Landkreis naturgemäß anders.

Adi Warta, Inhaber des Forsthauses St. Hubertus in Ebersberg, ärgert sich über die Vorwürfe. "Es ist leicht für Gewerkschaften, solche Dinge in den Raum zu werfen. Klar passiert es auch bei uns, dass jemand mal ein oder zwei Stunden länger bleibt, dafür kann der Betroffene aber in der nächsten Woche an einem Tag später anfangen", sagt Warta. Bei Saisonbetrieben sei das die Regel. Phasen, in der mehr Arbeit anfällt, müssten auch stärker besetzt sein. Andersherum sei es außerhalb der Saison.

Für solche Fälle gibt es das Konzept der Lohnzeitkonten, bei dem Über-und Unterstunden auf ein Konto gebucht werden. Es dient als Spielraum für Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer. Der Betrag muss aber am Ende des Jahres ausgeglichen sein. "Das ist rechtlich auch zulässig", sagt Warta. Hier prallen zwei Auffassungen aufeinander, denn die Gewerkschaft möchte nicht Arbeitsstunden übers Jahr hin- und hergeschoben sehen, sondern eine umgehende Bezahlung von Mehrarbeit. "Unterm Strich leistet ein Großteil der Vollzeit-Beschäftigten in der Gastronomie-Branche im Landkreis Ebersberg dreißig bis vierzig Überstunden pro Monat - ohne das in der Lohntüte zu merken", kritisiert NGG-Geschäftsführer Mustafa Öz die Arbeitsbedingungen.

Vor allem für die gerade eröffnete Biergartensaison fürchtet der Gewerkschaftsfunktionär die steigende Belastung für die Bedienungen. Für die Gastronomie-Branche prognostiziert Öz bei anhaltend schönem Wetter einen "Mehrarbeits-Marathon". Auch die rund 1280 Mini-Jobber im Hotel- und Gaststättengewerbe, die es im Landkreis gibt, bekämen das zu spüren.

"Das liegt daran, dass Arbeitgeber meistens so tun, als wäre es völlig normal und selbstverständlich, ein paar Stunden für umsonst dranzuhängen", so der NGG-Geschäftsführer. Derartige Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz seien seit jeher alltäglich in der Gastronomiebranche. Durch das Mindestlohngesetz werde der Gewerkschaft zufolge die Situation verschärft, da nun die geleisteten Stunden aufgeschrieben und eben auch entlohnt werden müssen. "Vielen Chefs passt das ganz und gar nicht. Doch bei Nichteinhaltung macht sich der jeweilige Hotel- oder Gaststättenbetreiber strafbar. Diese müssen damit rechnen, dass die Arbeitszeiten vom Zoll kontrolliert werden.", warnt Öz die Wirte.

Sorgen, dass Veranstaltungen abgebrochen werden müssen, um Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu vermeiden, müsse sich niemand machen. "Jedes Brautpaar kann seine Hochzeit bis tief in die Nacht weiterfeiern. Der Wirt muss nur bereit sein, einen vernünftigen Schichtplan aufzustellen", so Öz.

Franz Schwaiger, Sprecher der Wirte im Landkreis und Inhaber des Hotels Schwaiger in Glonn, nutzt hingegen ein Zeitkontensystem wie Adi Warta. "Wir verwenden das seit acht Jahren und es klappt gut", sagt Schwaiger. Eine elektronische Zeiterfassung übernimmt den Job der altmodischen Stechuhr. Acht bis neun Arbeitsstunden täglich seien in einer Viereinhalb bis Fünf-Tage-Woche normal. Natürlich gäbe es auch Betriebe mit einer Sechs-Tage-Woche, doch im Endeffekt entschieden die Mitarbeiter, wie viel Arbeit sie sich zumuten. "Da wir auch produzieren, kommt es nicht selten zu Nacht- und Wochenenddiensten, die werden dann aber auch dementsprechend entlohnt", so der Hotelinhaber. Schwaiger bringt auch den Vergleich mit Österreich, wo Saisonarbeit leicht auf eine Sieben-Tage-Woche hinauslaufen könne.

Der Glonner Hotelier sieht ohnehin eher ein Problem darin, dass schwierige Beschäftigungsverhältnisse überhaupt erst entstehen können. Eine Gaststättenkonzession lasse sich an einem Vormittag mit einer Prüfung erwerben. "Von da an darf man Leute einstellen." Wenn das Wirtshaus an die Wand gefahren werde, könnten aufgebaute Überstunden nicht mehr bezahlt werden. Grundsätzlich ist Schwaiger der Meinung: "Wenn jemand Überstunden aufgebaut hat, dann kann er sich diese auch auszahlen lassen."

Die NGG München rät allen Bedienungen, ihre Überstunden aufzuschreiben, um diese dem Chef gegenüber nachweisen zu können. "Der Beginn und das Ende der Arbeitszeit sollten notiert werden. Ebenso die Pausen. Wer dann Schwierigkeiten hat, den Lohn einzufordern, sollte sich an seine Gewerkschaft wenden", empfiehlt der NGG-Funktionär.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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